Zerstörtes Haus nach Dammbruch
AP/Andre Penner
Dammbruch in Brasilien

Schlammlawine reißt Hunderte in den Tod

Nach dem Dammbruch an einer Eisenerzmine am Freitag in Brasilien werden rund 300 Menschen vermisst. Bisher wurden 34 Leichen geborgen, die Chance, noch Überlebende zu finden, geht gegen null. Erst 2015 gab es in der Region ein ähnliches Unglück.

„Sehr wahrscheinlich werden wir jetzt nur noch Leichen bergen“, sagte der Gouverneur des Bundesstaats Minas Gerais, Romeu Zema, am Samstag im Fernsehsender Globo TV. Fernsehbilder zeigten dramatische Szenen mit Rettern, die von Hubschraubern aus Menschen aus roten Schlammmassen zogen.

Den Angaben der Rettungskräfte zufolge werden rund 100 bis 150 Arbeiter in der Eisenerzmine vermisst, und bis zu 200 Menschen in der umliegenden Gegend. Die Zahl der bestätigten Todesopfer ist bereits auf 34 gestiegen. Weitere 23 Menschen wurden verletzt geborgen und in Krankenhäusern behandelt, wie die Feuerwehr am Samstag mitteilte.

Unfallhergang noch unklar

Die Mine wird von dem brasilianischen Konzern Vale betrieben. Wie es genau zu dem Unfall kam, sei noch unklar, sagte Vale-Präsident Fabio Schvartsman. Der gebrochene Staudamm eines Rückhaltebeckens ist erst kürzlich von Experten des TÜV Süd untersucht worden. Bei der Inspektion im vergangenen September seien „nach unserem momentanen Kenntnisstand keine Mängel festgestellt“ worden, sagte ein Sprecher des Unternehmens am Samstag. Aufgrund der laufenden Ermittlungen könne der TÜV zurzeit keine weiteren Auskünfte geben, man werde aber „die Ermittlungen vollumfänglich unterstützen und alle benötigten Unterlagen zur Verfügung stellen“.

Bergungsarbeiter bei einem Dammbruchs in Brumadinho
APA/AFP/Douglas Magno
Rettungskräfte sind im Dauereinsatz, mit Überlebenden ist aber nicht mehr zu rechnen

Nach Angaben von Schvartsman wurden auch bei einer weiteren Inspektion am 10. Jänner keine Mängel entdeckt. Der 1976 gebaute Damm sollte abgebaut werden, in das betreffende Rückhaltebecken waren nach Unternehmensangaben seit drei Jahren keine neuen Abfallprodukte aus der Eisenerzproduktion mehr eingeleitet worden.

Justiz friert Gelder ein

Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro wollte am Samstag mit Verteidigungsminister Fernando Azevedo e Silva das Unglücksgebiet überfliegen. Den Hinterbliebenen sagte er seine Unterstützung zu. Laut dem Nachrichtenportal G1 ordnete die Justiz in Minas Gerais an, Bankguthaben des Konzerns Vale in Höhe von 270 Millionen Dollar einzufrieren, um damit mögliche Entschädigungszahlungen zu finanzieren. Es werde alles getan, um eine Verschmutzung der Umwelt einzudämmen und den Angehörigen der Opfer zu helfen.

Der Unglücksort Brumadinho im Bundesstaat Minas Gerais liegt rund 450 Kilometer nördlich von Rio de Janeiro. Die Schlammmassen hatten sich über Teile der Eisenerzmine und eines Wohngebiets gewälzt. Dabei wurden wahrscheinlich Dutzende weitere Menschen mitgerissen. Zerstört wurden auch Dächer von Häusern sowie Bagger in der Eisenerzmine.

Luftaufnahme eines Dammbruchs in Brumadinho
Reuters/Washington Alves
Die Lawine schob Container für das Eisenerz von Eisenbahngleisen

Kilometerlange Schlammlawine

Auf Bildern war zu sehen, wie Einsatzkräfte aus einem Helikopter versuchten, eine Frau und einen Mann zu retten. Die Hilfesuchenden waren beide komplett mit Schlamm bedeckt. Der Mann stand bis zum Oberkörper im braunen Wasser und trug die Frau in Richtung der Retter. Andere Aufnahmen zeigten Bagger in der Eisenerzmine Corrego de Feijao, bedeckt mit Schlamm, Steinbrocken und Ästen. Die Lawine schob Container für das Eisenerz von Eisenbahngleisen.

Auf Luftaufnahmen wurde das Ausmaß des Unglücks sichtbar, die Schlammlawine hatte sich kilometerweit ihren Weg gebahnt. Die braune Schlammflut erreichte auch die Wohngegend Vila Forteco und begrub teilweise ganze Häuser unter sich.

Katastrophe im Südosten Brasiliens

Nach dem Bruch des Staudamms hat eine Schlammlawine Teile einer Eisenerzmine und eines Wohngebiets getroffen. Wie es zu dem Unfall kam, konnte noch nicht geklärt werden.

Bolsonaro steht im Ruf, den Unternehmen weitgehend freie Hand zu lassen und von strengen Umweltschutzbestimmungen wenig zu halten. Naturschutzverbände forderten eine strengere Kontrolle. „Brasilien muss die Regierungsbehörden stärken, die die wichtige Aufgabe haben, die wirtschaftlichen Aktivitäten mit hohem Risiko für Umwelt und Gesellschaft zu überwachen“, sagte der Direktor der Naturschutzorganisation WWF in Brasilien, Mauricio Voivodic.

„Tragödie von Mariana“ im Jahr 2015

Im Jahr 2015 gab es ebenfalls in Minas Gerais ein ähnliches Unglück. Bei der „Tragödie von Mariana“ kam es in einem Eisenerzbergwerk zu einem Dammbruch an einem Rückhaltebecken. Damals kamen 19 Menschen ums Leben. Es gab mehrere Anklagen und Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe. Das damalige Betreiberunternehmen Samarco gehörte ebenfalls Vale sowie dem australisch-britischen Konzern BHP. Eine riesige Welle mit Schlamm und schädlichen Stoffen ergoss sich in angrenzende Ortschaften und kontaminierte den Fluss Rio Doce auf rund 650 Kilometern Länge, bis in den Atlantik floss die braunrote Brühe.