Öltanker in Venezuela
Reuters/Jorge Silva

Venezuelas Machtkampf um das Öl

Hinter der jüngsten Eskalation im Machtkampf in Venezuela steht vordergründig die Frage nach der Verfassungs- und Rechtsmäßigkeit der zweiten Amtszeit des seit 2013 an der Staatsspitze stehenden Präsidenten Nicolas Maduro. Deutlich wurde zuletzt aber auch: Überschattet wird der Venezuela-Konflikt nach wie vor vom Schlüsselfaktor Öl.

Das liegt zum einen daran, dass in Venezuela bis zu 95 Prozent der Exporte vom Ölgeschäft abhängen und das südamerikanische Mitglied der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) wie kaum ein anderes Land am Öltropf hängt. Zum anderen täuschen die seit Jahren sinkenden Förderquoten und die am Abgrund stehende venezolanische Wirtschaft vielfach darüber hinweg, dass Venezuela an sich über die weltweit größten bekannten Erdölreserven verfügt.

Hier findet sich Beobachtern zufolge schließlich auch einer der zentralen Punkte hinter dem geopolitischen und zuletzt von den USA deutlich forcierten Gezerre im venezolanischen Machtkampf. Rund um die US-Rückendeckung für Venezuelas Oppositionsführer Juan Guaido gestand laut Medienberichten etwa US-Vizepräsident Mike Pence zuletzt offen ein, dass Venezuelas Ölreichtum eine Rolle spiele.

Erhöhter Druck mit neuen Sanktionen

Die USA erhöhten in Folge weiter den Druck auf Maduro und nehmen mit neuen Sanktionen nun den Ölsektor des südamerikanischen Landes direkt ins Visier. Die Strafmaßnahmen richten sich gegen den staatlichen Ölkonzern Petroleos de Venezuela SA (PdVSA). Öl aus Venezuela dürfe zwar unter dem Sanktionsregime weiterhin eingekauft werden, die Zahlungen müssten nach Angaben von US-Finanzminister Steven Mnuchin jedoch auf Sperrkonten fließen.

Die Regelungen sollen auch gewährleisten, dass US-Raffinerien, die direkt von Öllieferungen aus Venezuela abhängen, weiter betrieben werden können. Derzeit liefert Venezuela rund 40 Prozent seiner Ölexporte in die USA. Zu den wichtigsten Abnehmern zählt die PdVSA-US-Tochter Citgo. Auch diese soll weiter Geschäfte machen dürfen, solange entsprechende Zahlungen auf Sperrkonten erfolgen.

Mit den neuen Wirtschaftssanktionen will Washington einerseits zwar Maduro den Geldhahn zudrehen, gleichzeitig aber weiterhin nicht auf Öllieferungen aus Venezuela verzichten. Ob das gelingt, muss sich allerdings erst weisen. Reuters-Angaben zufolge erwägt PdVSA offenbar, Tanker nur noch per Vorkasse Richtung USA zu schicken.

Ölhandel „vermisst“ venezolanisches Öl

Als erklärtes Ziel der USA gilt ein Machtwechsel in Venezuela und in direkter Folge die Hoffnung auf einen erleichterten Zugang zu Venezuelas Ölquellen. Auf wieder stärker sprudelnde venezolanische Ölquellen setzt auch der internationale Ölhandel. Einer der Hintergründe sei „paradoxerweise“ die ‚schlechte‘ Qualität des venezolanischen Öls, „die der Markt derzeit besonders vermisst“, heißt es dazu im „Handelsblatt“. Das „schwere, schwefelhaltige venezolanische Öl mit hoher Dichte“ würden den Angaben zufolge nicht zuletzt auch US-Ölraffinerien im Golf von Mexiko zur Weiterverarbeitung benötigen.

Moskau ortet „unlauteren Wettbewerb“

Für Empörung sorgen die neuen US-Sanktionen indes nicht nur in Caracas, sondern auch bei Maduros Verbündetem Russland. Der Kreml nannte die Sanktionen rechtswidrig. „Wir betrachten das meistens als Ausdruck unlauteren Wettbewerbs“, sagte dazu Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Nach den Worten von Außenminister Sergej Lawrow unterstreiche die Vorgangsweise „einmal mehr den Zynismus des Geschehens“, da in Venezuela tätige Unternehmen vom Sanktionsregime ausgeschlossen seien.

Statue vor dem Ölministerium in Caracas (Venezuela)
Reuters/Jorge Silva
Venezuelas Schicksal ist eng mit Öl verbunden: Darauf verweist auch eine Skulptur vor dem Energieministerium des Landes

Russland stellt sich weiter klar hinter Maduro und ist seit Jahren auch im venezolanischen Ölsektor aktiv. Neben Krediten, die PdVSA mit Öllieferungen begleicht, ist Russlands staatlicher Ölkonzern Rosneft auch an etlichen PdVSA-Projekten direkt beteiligt. Milliardenschwere Unterstützung für Venezuelas marode Ölwirtschaft kommt auch aus China, das bei seinen Krediten ebenfalls auf eine Rückzahlung in Form von Öllieferungen setzt. Die genauen Konditionen sind offen – Medienberichten zufolge habe Peking Venezuela in den vergangenen zehn Jahren aber bereits mit rund 60 Milliarden Dollar unter die Armee gegriffen, womit China auch zum größten Geldgeber wurde.

„Ölsektor liegt am Boden“

Bei einer Umsetzung der nun angedrohten neuen US-Sanktionen gehen Experten unterdessen von steigenden Ölpreisen aus, da die Weltmärkte den möglichen Ausfall von Öllieferungen aus Venezuela nicht so einfach wettmachen können. Gleichzeitig ist die Ölproduktion des Landes weiter im Verfall begriffen, weswegen Venezuela in den vergangenen zwei Jahren vom sechstgrößten OPEC-Produzenten auf Platz acht abrutschte.

In den 1990er Jahren produzierte Venezuela täglich mehr als drei Millionen Barrel Öl, zuletzt waren es kaum mehr 1,4 Millionen Barrel – heuer könnte Experten zufolge die Grenze von einer Million Barrel fallen. Der zuletzt deutlich verschärfte Rückgang der Förderquoten begann bereits unter Maduros Vorgänger Hugo Chavez, wobei Analysten unter anderem fehlende Investitionen und eine beispiellose Misswirtschaft als Gründe nennen. „Der Ölsektor liegt am Boden“, erklärte der Experte Tamas Varga vom britischen Analysten PVM.

Fatale Abhängigkeit vom Ölpreis

Dazu kommt das Fehlen von Rücklagen aus den einstigen PdVSA-Gewinnen. Während Chavez noch von steigenden Ölpreisen profitierte und damit auch seine Sozialprogramme finanzieren konnte, änderte sich das Bild nach dem Tod von Maduros Vorgänger im Jahr 2013 drastisch. Ende jenes Jahres lag der Ölpreis noch bei 111 Dollar je Barrel (rund 159 Liter). Bereits ein Jahr später fiel der Ölpreis auf rund 58 Dollar, Ende 2016 auf 37,6 und 2016 schließlich auf rund 27 bis 57 Dollar.

Das hätte jedes Land vor Probleme gestellt, heißt es dazu beim Webportal TheEuropean: „Aber ganz besonders war es ein Problem für ein Land mit einer extrem ineffizienten, sozialistischen Wirtschaft und strikten Preiskontrollen“ – in Venezuela „geriet das gesamte System aus den Fugen.“