Juan Guaido
APA/AFP/Yuri Cortez
Venezuela

Justiz erhöht Druck auf Guaido

In Venezuela hat die Justiz den Druck auf den selbst ernannten Interimspräsidenten Juan Guaido erhöht. Der venezolanische Generalstaatsanwalt Tarek William Saab beantragte am Dienstag eine Ausreisesperre gegen Guaido – auch dessen Konten sollen eingefroren werden. Rückenwind bekommt der Oppositionsführer indes von den USA.

Der tobende Machtkampf zwischen Staatschef Nicolas Maduro und Guaido, der sich am Mittwoch zum Übergangspräsidenten erklärt hatte, geht damit in die nächste Runde. Generalstaatsanwalt Saab gilt als Anhänger Maduros, und auch der Oberste Gerichtshof unterstützt die Regierung des Linksnationalisten. Guaido wiederum will diesen stürzen.

Guaido zeigte sich von Saabs Vorgehen am Dienstag jedoch unbeeindruckt. Das Vorhaben des Generalstaatsanwalts reihe sich ein in die Drohgebärden gegen ihn und das Parlament, das von der Opposition dominiert werde, sagte der 35-Jährige. Er unterschätze die Gefahr einer Festnahme nicht, doch sei das nichts Neues. Als Mitglied der Nationalversammlung genießt er Immunität, die nur von einem hohen Gericht aufgehoben werden kann.

Der Nationale Sicherheitsberater der USA, John Bolton, warnte Maduro eindringlich davor, Guaido „etwas zuleide zu tun“. Das hätte „ernste Konsequenzen“, erklärte er via Twitter. Die USA und mehrere andere Staaten, darunter auch wichtige EU-Mitglieder, erkannten das gewählte Parlament beziehungsweise Guaido bereits an. Russland und China unterstützen aber weiterhin Maduro, der sich auch auf den Rückhalt der Armee und der Justiz verlassen kann.

US-Sanktionen gegen Venezuelas Ölsektor

Während Guaido in Venezuela das Einfrieren seiner Konten droht, soll er in den USA Zugang zu Regierungskonten bekommen. US-Außenminister Mike Pompeo habe die Erlaubnis gegeben, dass Guaido rechtmäßig auf das Eigentum zugreifen könne, das auf bestimmten Konten der Regierung Venezuelas oder der Zentralbank Venezuelas bei US-Banken lagere. „Diese Zertifizierung wird der legitimen Regierung Venezuelas helfen, die Werte zu sichern und zum Wohl des Volkes von Venezuela einzusetzen“, hieß es in einer Mitteilung des US-Außenministeriums.

USA erlassen Sanktionen gegen Venezuelas Ölsektor

Die USA verhängen Sanktionen gegen den staatlichen Ölkonzern Venezuelas. Diese Maßnahme soll den amtierenden Präsident Maduro dazu zwingen, die Macht zu übergeben.

Erst am Montag hatten die USA Sanktionen gegen den Ölsektor Venezuelas verhängt. Den Worten von US-Finanzminister Steven Mnuchin zufolge dürfen in den USA ansässige Firmen zwar noch Öl aus Venezuela einkaufen, die Zahlungen müssen aber auf Sperrkonten eingezahlt werden. Ob es sich dabei um die Konten handelt, zu denen die Opposition nun Zugang erhält, war nicht klar.

Der selbst ernannte Interimspräsident sagte der „Bild“-Zeitung (Mittwoch-Ausgabe) auf die Frage, ob es Sanktionen nach dem Vorbild der USA auch von der EU geben müsse: „Ja, absolut, wir brauchen weitere Sanktionen aus der EU, so wie sie ja auch von den USA beschlossen wurden. Wir sind hier in einer Diktatur, und es muss Druck geben. Es werden immer mehr Menschen ermordet. Außerdem ist es eindeutig, dass das Regime absolut korrupt ist.“

USA halten sich über Militäreinsatz bedeckt

Unterdessen hielt sich der amtierende US-Verteidigungsminister Patrick Shanahan zu Spekulationen über einen möglichen Militäreinsatz der USA in Venezuela bedeckt. Man beobachte die Lage in Venezuela sehr genau, sagte Shanahan bei einer Pressekonferenz im Pentagon. Sein Ministerium unterstütze den Nationalen Sicherheitsrat des Weißen Hauses mit Rat.

Notizblock von Sicherheitsberater John Bolton
AP/Evan Vucci
Eine Notiz auf Boltons Notizblock sorgte am Dienstag für Spekulationen

Für Spekulationen hatte zuvor auch Bolton mit Notizen auf seinem Notizblock gesorgt. Darauf war der handgeschriebene Vermerk „5.000 Soldaten nach Kolumbien“ zu lesen – ein möglicher Hinweis auf einen Einsatz des US-Militärs in dem krisengeplagten Land. Shanahan sagte, er habe nicht mit Bolton über dieses Thema gesprochen. Er fügte hinzu, dass er die Angelegenheit nicht weiter kommentieren wolle. Die Regierung von Präsident Donald Trump wollte militärische Schritte bisher explizit nicht ausschließen. Trump sagte: „Alle Optionen sind auf dem Tisch.“

Mindestens 26 Tote in drei Tagen

In Venezuela kamen bei den jüngsten Unruhen nach Informationen des UNO-Menschenrechtsbüros innerhalb von drei Tagen mindestens 26 Menschen ums Leben. Die Regierungsgegner seien nach glaubwürdigen Berichten zwischen 22. und 25. Jänner von der Armee oder bewaffneten Regierungsanhängern erschossen worden, berichtete ein Sprecher der UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte heute in Genf.

Nach Informationen des UNO-Büros wurden weitere fünf Menschen bei illegalen Razzien der Streitkräfte in ärmeren Stadtteilen getötet. Ein Mitglied der Nationalgarde sei Berichten zufolge von einem Bewaffneten getötet worden. Und auch für Mittwoch kündigte Guaido bereits neuerliche Massenproteste an. Bei den Protesten solle die Armee aufgefordert werden, „sich auf die Seite des Volkes zu stellen“, sagte Guaido.

EU-Außenminister beraten am Donnerstag

Die EU-Außenminister – darunter FPÖ-Ministerin Karin Kneissl – wollen am Donnerstag über die Venezuela-Krise beraten, wie eine Kommissionssprecherin in Brüssel sagte. Mehrere EU-Staaten (Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Spanien) hatten Maduro eine Frist von acht Tagen gesetzt, um Neuwahlen auszurufen. Andernfalls wollen auch sie Parlamentspräsident Guaido als Interimspräsidenten anerkennen. Die Frist läuft am Sonntag aus. Maduro hatte die Frist aber zurückgewiesen: „Niemand kann uns ein Ultimatum stellen“, sagte er. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) forderte indes „freie und faire Neuwahlen“.