Sitzungssaal im Europagebäude
Reuters/Yves Herman
Rat, Kommission, Parlament

Das Machtdreieck der EU

Rat, Kommission, Parlament sind jene drei Organe, die bei allen politischen Entscheidungen in der EU eine wichtige Rolle spielen. Doch wie sie funktionieren, ist nicht einfach zu durchschauen. Ein schneller Überblick ist aber zu bekommen – es gibt auch kurze und leichtgängige Erklärungen.

Wichtig eingangs: Jede Maßnahme der EU basiert auf Verträgen, die alle Mitgliedsstaaten beschlossen haben. Die Verträge werden gemeinsam von allen EU-Ländern vereinbart und dann von den nationalen Parlamenten oder per Referendum ratifiziert. Geregelt sind damit: die Ziele der Union, das Verhältnis zwischen EU und den Staaten und die Arbeit der Institutionen.

An EU-Beschlüssen sind verschiedene Institutionen beteiligt, wobei Parlament, Rat und Kommission im Zentrum des Prozesses stehen. Rechtsvorschriften entstehen meist nach dem gleichen Schema: Die Kommission bringt Vorschläge ein – das Parlament und der Rat entscheiden in der Folge über die Annahme. Umgesetzt werden die Vorgaben allerdings wiederum von den Staaten, die einen Rahmen für die Durchführung gesetzt bekommen.

Tagesgeschäft im Fokus

Um den Ablauf verstehen zu können, lohnt ein Blick auf die Arbeit der Organe. Die Kommission ist die politisch unabhängige Exekutive der EU, sie ist für das Tagesgeschäft zuständig. Sie bringt (als einziges Organ) nicht nur neue Vorschläge ein, sondern setzt auch Beschlüsse des EU-Parlaments und des Rates der EU um. Häufig werden Gesetzesvorschläge auch auf Ersuchen des Parlaments oder des Rates unterbreitet.

Ein Blick ins EU-Viertel in Brüssel

Die Zentren der mächtigen Institutionen befinden sich allesamt in Brüssel – in Gehweite voneinander entfernt, wie ein Blick ins EU-Viertel zeigt. (Videoquellen: EBU/Google Earth)

So schließt sich der Kreis, denn Parlament und Rat stimmen dann über diese Vorschläge ab. Die Kommission besteht aus dem Kollegium der 28 Kommissarinnen und Kommissare, darunter der Präsident (seit 2014 Jean-Claude Juncker) sowie die Vizepräsidenten. Jeder Mitgliedsstaat stellt ein Kommissionsmitglied, Österreich stellt derzeit noch Johannes Hahn (ÖVP), zuständig für Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen.

Arbeit in zwei Stufen

Das EU-Parlament ist für die Gesetzgebung zuständig. Alle fünf Jahre wird es als einziges Organ direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt – so auch heuer, in Österreich ist der Wahltermin der 26. Mai. Gewählt werden die Vertreterinnen und Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten – insgesamt sind es derzeit 751 (inklusive Präsident Antonio Tajani), die Anzahl pro Land richtet sich ungefähr nach der Bevölkerungszahl. Die Arbeit des Parlaments läuft in zwei Stufen ab.

In den 20 Ausschüssen und zwei Unterausschüssen werden Rechtsvorschriften vorbereitet, die je für einen bestimmten Politikbereich zuständig sind. Die Ausschüsse prüfen Legislativvorschläge, und Abgeordnete und Fraktionen können Änderungsvorschläge einbringen oder ein Gesetz ablehnen. Auch in den Fraktionen werden die Vorschläge erörtert.

Auf den Plenartagungen werden Rechtsvorschriften verabschiedet. Bei Plenartagungen kommen alle Abgeordneten im Plenarsaal zusammen, um abschließend über Legislativvorschläge und deren Änderungen abzustimmen. Normalerweise finden Plenartagungen an vier Tagen im Monat statt, doch gelegentlich können auch zusätzliche Tagungen in Brüssel einberufen werden.

Gremium der Staaten

Der Europäische Rat legt die allgemeinen Prioritäten der EU fest. Er setzt sich aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten und dem Präsidenten der Kommission zusammen. An der Spitze steht der Präsident des Europäischen Rates – derzeit ist das Donald Tusk. Mit dem gesteigerten Raum, den manche Nationalstaaten für sich einfordern, gewann dieses Gremium an Bedeutung bzw. an Beachtung.

Das Zusammenspiel der EU-Institutionen

Ende März hat die EU das Verbot von Artikeln aus Einwegplastik beschlossen. Doch welche Schritte waren dafür nötig? Anhand dieses konkreten Beispiels wird das Zusammenspiel der Institutionen erklärt.

Und das insbesondere wegen des Prinzips der Einstimmigkeit in vielen Bereichen. Diese umfassen etwa den Beitritt neuer Länder zur EU bzw. Austritt eines Mitglieds (wie aktuell Großbritannien), gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik und operative polizeiliche Zusammenarbeit zwischen den EU-Ländern, Steuerwesen, soziale Sicherheit und sozialer Schutz.

Gesetze durch Mehrheiten

Generell ist der Rat gleichberechtigter Gesetzgeber mit dem EU-Parlament. Wann welches Verfahren der Gesetzgebung greift, ist in den EU-Verträgen geregelt – zuletzt im Vertrag von Lissabon. Beim ordentlichen Gesetzgebungsverfahren kommt ein europäisches Gesetz nur dann zustande, wenn sich im Parlament und im Rat eine Mehrheit findet. Mit zwei Lesungen ist das Parlament an der Entscheidung beteiligt.

Grafik zur EU-Gesetzgebung
Grafik: ORF.at/Kaja Stepien

Findet sich auch nach Einsatz des Vermittlungsausschusses nach der zweiten Lesung keine Mehrheit, können die Parlamentarierinnen und Parlamentarier den Gesetzesvorschlag endgültig mit absoluter Mehrheit ablehnen. Alleiniges Initiativrecht für Gesetze hat – wie vorhin schon bemerkt – die Kommission. Parlament und Rat verfügen jedoch über ein politisches Initiativrecht, das den Institutionen ermöglicht, die Kommission zu neuen Initiativen aufzufordern.

Treffen der Minister

Eine besondere Rolle nimmt der Rat der Europäischen Union ein – nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Rat: In Ersterem kommen Minister aus allen EU-Ländern zusammen, um Rechtsvorschriften zu diskutieren, zu ändern und anzunehmen. Außerdem koordinieren sie ihre Politikbereiche. Alle auf den Ratstagungen anwesenden Minister sind befugt, „für die Regierungen der von ihnen vertretenen Mitgliedsstaaten verbindlich zu handeln“, wie es offiziell heißt.

Zusammen mit dem Parlament ist der Rat der EU das Hauptbeschlussorgan. Doch hat der Rat der EU keine festen Mitglieder. Er tritt in zehn verschiedenen Konfigurationen zusammen, je nach Politikbereich. Zu diesen Treffen entsendet jedes EU-Land den jeweils für das anstehende Thema zuständigen Minister. Wenn der Rat also z. B. über Wirtschaft und Finanzen berät (der ECOFIN-Rat), kommen die Finanzminister und -ministerinnen der EU-Mitglieder zusammen.

Vorsitzwechsel jedes Halbjahr

Den ständigen Vorsitz im Rat der Außenminister führt die Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik – seit 2014 Federica Mogherini. Bei den übrigen Tagungen des Rates führt der oder die zuständige Minister oder Ministerin des EU-Mitgliedstaats den Vorsitz, der turnusgemäß den EU-Ratsvorsitz innehat. Derzeit ist das Rumänien – im zweiten Halbjahr 2018 war es Österreich.

Am Ende steht noch das zentrale Instrument zur Entstehung von Gesetzen, die dann mehr als 500 Millionen EU-Bürgerinnen und EU-Bürger betreffen: der Trilog. Dass der Trilog – in Wahrheit die Verhandlungskommunikation zwischen Rat der EU, EU-Parlament und EU-Kommission – in der Öffentlichkeit so wenig bekannt ist, entspricht dem Wesen dieses Prozesses: Der Trilog läuft nämlich hinter verschlossenen Türen und unter strengster Geheimhaltung ab.

Vier Spalten

Im Parlament, ja selbst im inhaltlich dafür zuständigen Ausschuss, weiß nur eine Handvoll Verhandler Bescheid, wie und unter welchen Bedingungen sich ein Deal anbahnt. Die konkrete Vorgangsweise klingt naheliegend: Verhandelt wird auf Grundlage eines Arbeitsdokuments mit vier Spalten: Die ersten drei Spalten stellen den Standpunkt der drei Organe dar, die vierte ist für die Kompromissvorschläge vorgesehen.

Trilog-Verhandlungen finden als Vermittlungsausschuss statt, wenn der Rat den Änderungsvorschlägen des Parlaments aus zweiter Lesung nicht zustimmt. Die strenge Geheimhaltung ist umso überraschender, als mittlerweile rund 90 Prozent aller EU-Gesetze in solchen informellen Trilog-Verfahren finalisiert werden. Der zuständige Ausschuss im Parlament und das Plenum winken diese in aller Regel ebenso durch wie auf der anderen Seite die Vertreter der Mitgliedsländer im Rat.