Misstrauensantrag gegen Innenminister Kickl im Nationalrat
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Kickl-„Dringliche“

Turbulente Debatte im Nationalrat

Die Debatte des Dringlichen Antrags rund um die Aussagen von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) hat am Mittwoch im Nationalrat für teils scharfe Auseinandersetzungen gesorgt. Während Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) grundsätzlich die Regierung verteidigte, stellte sich FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache auch demonstrativ hinter Kickl.

Dieser habe aus Sicht der Opposition mit den Aussagen, dass „das Recht der Politik zu folgen habe und nicht die Politik dem Recht“ sowie dass es sich bei der EMRK um ein „seltsames rechtliches Konstrukt aus den 1950ern“ handle, eine fundamentale Grenze überschritten. Kickl selbst, für den es bereits der fünften Plenartag war, an dem der insgesamt sechste Misstrauensantrag gegen ihn eingebracht wurde, nahm an der Debatte nicht teil – musste er auch nicht, nachdem der Dringliche Antrag an Kanzler Kurz gerichtet wurde.

Der von der Opposition mit „Stopp Kickl“-Schildern begrüßte ÖVP-Chef verwies in seiner Rede auf die Bedeutung der EMRK. Die Regierung sei auf diese angelobt, da sie sich im Verfassungsrang befinde, so Kurz, demzufolge auch das Regierungsprogramm hier eine eindeutige Sprache spreche. Jede Ministerin und jeder Minister, der seiner Regierung angehöre, habe selbstverständlich die Verfassung und das Regierungsprogramm zu respektieren, wie Kurz dazu sagte.

Ruf nach sachlicher Debatte

Insgesamt hielt Kurz wohl mit Blick auf Kickls Aussage, wonach das Recht der Politik zu folgen habe, fest, dass Österreich eine starke Demokratie sei, deren Fundament ein funktionierender Rechtsstaat und eine ordentliche Gewaltenteilung seien. Allgemein appellierte er, das Zusammenspiel zwischen Regierung und Opposition möglichst sachlich zu führen.

Opposition scheitert mit Misstrauensantrag gegen Kickl

Am Mittwoch haben SPÖ, NEOS und Jetzt Innenminister Kickl (FPÖ) geschlossen ihr Misstrauen ausgesprochen und wurden dabei von ÖVP und FPÖ überstimmt.

Was die von der Regierung geforderte Verschärfung der bisherigen Abschiebepraxis betrifft, in dessen Rahmen auch die Kickl-Aussagen fielen, die nun die „Dringliche“ zur Folge hatten, sagte Kurz, dass die von der EU vorgegebenen Regelungen zur Außerlandesbringung von straffälligen Asylwerbern „unserer Meinung nach“ sehr eng seien. Daher setze sich die Regierung auf europäischer Ebene für einen größeren Spielraum bei der Abschiebung von straffällig gewordenen Flüchtlingen ein.

Strache verteidigt Kickl

FPÖ-Chef und Vizekanzler Strache trat dann zur Verteidigung Kickls an. Dieser habe „zu keinem Zeitpunkt die Menschenrechtskonvention oder die Menschenrechte als solche infrage gestellt“ – sondern nur falsche Gesetze (nämlich die EU-Statusrichtlinie) hinterfragt, die schwere Straftäter vor Abschiebung schütze.

SPÖ, NEOS und Jetzt würden laut Strache „bewusst Aussagen falsch interpretieren“, mit „böser Absicht“. Strache pflichtete zudem Kickl bei: Natürlich folge das Recht der Politik – denn hier im Parlament „sitzt die Politik“, die Gesetze beschließe und zu ändern habe, an die sich „alle“ und auch die Regierung „selbstverständlich“ halten würden. Aber die Politik habe auch die Verantwortung, Gesetze zu ändern, wenn sie nicht richtig sind, verteidigte Strache Kickl.

„Opfern Sie nicht Ihre Haltung“

Geht es nach SPÖ-Chefin Rendi-Wagner, würde Kickl zurücktreten, „hätte er nur einen Funken Anstand“ – und hätte Kurz „mehr Courage und Verantwortung vor allem dem Rechtsstaat gegenüber“, wäre er zum Bundespräsidenten gegangen, um die Entlassung Kickls vorzuschlagen. Mit den Worten „Opfern Sie nicht Ihre Haltung“ versuchte Rendi-Wagner, ÖVP-Abgeordnete zur Zustimmung zu bewegen – und damit „als Demokraten dafür zu sorgen, dass sich die Menschen auch in Zukunft auf den Rechtsstaat verlassen können“.

Misstrauensantrag gegen Innenminister Kickl im Nationalrat
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SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner forderte von Kurz „mehr Courage“

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger sieht Kickl in jedem Fall rücktrittsreif: Wenn er, wovon sie ausgehe, wusste, was er da in Sachen EMRK sagte, wäre es sowieso als Innenminister nicht tragbar – und hätte er es nicht gewusst, wäre er „heillos überfordert als Minister und ebenfalls nicht tragbar in diesem Amt“. Meinl-Reisinger warf der Regierung zudem einen „saloppen Umgang“ mit Verfassungs- und EU-Recht vor.

Der Jetzt-Abgeordnete Alfred Noll verwies darauf, dass die Aufregung über Kickls Aussage nicht nur bei der Opposition, sondern auch bei Künstlern, Richtern und sogar dem Justizminister groß sei: „Ein Innenminister dieser Republik darf so etwas nicht sagen.“ Der Satz, wonach das Recht der Politik zu folgen habe, sei „unterirdisch“ und entspreche einem „verbalen Sprengstoffattentat“ auf diesen Rechtsstaat: „Wer so etwas sagt, der hat an dieser Stelle nichts verloren.“

Misstrauensantrag gegen Innenminister Kickl im Nationalrat
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Die Regierungsspitze wurde von der Opposition mit „Stopp Kickl“-Schildern begrüßt

Kickl meldet sich über Instagram

Ungeachtet der Rücktrittsrufe vonseiten der Opposition setzt die Koalition wie erwartet auch weiterhin auf Kickl: Der von SPÖ, NEOS und Jetzt gemeinsam eingebrachte Misstrauensantrag gegen den Innenminister wurde mit ÖVP-FPÖ-Mehrheit abgeschmettert. Abgelehnt wurde nach Angaben der Parlamentskorrepondenz auch der an Kurz gerichtete Dringliche Antrag von Jetzt bezüglich eines uneingeschränkten Bekenntnisses zur EMRK.

Kickl kommentierte die zuvor teils turbulent verlaufene Debatte von außen. „Die Opposition verwendet zur Stunde im Parlament viel Redezeit dafür, sich über Dinge zu beschweren, die ich nie gesagt habe“, teilte Kickl via Instagram und Facebook mit. Er habe währenddessen die Zeit genutzt, „um mit meiner Regierungskollegin Außenministerin Karin Kneissl wichtige Themen zu besprechen“.