Stadtansicht von Teheran
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Gesellschaft gegründet

EU unterläuft US-Iran-Sanktionen

Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben eine Finanzgesellschaft gegründet, um die wiedereingeführten US-Sanktionen gegen den Iran zu umgehen. Sie soll dazu beitragen, das von den USA aufgekündigte Atomabkommen zu retten. Trotz „vollster Unterstützung“ hält die EU an ihrer Kritik am Kurs Teherans fest.

Die Gesellschaft wird in Frankreich angesiedelt und soll den Namen Instex (Instrument in Support of Trade Exchanges, Instrument zur Unterstützung des Handelsaustausches) tragen. Ihr Chef wird der frühere deutsche Commerzbank-Manager Per Fischer, wie aus dem französischen Handelsregister hervorgeht und wie EU-Diplomaten am Donnerstag in Bukarest bestätigten.

Im Aufsichtsrat sitzen laut den Angaben Vertreter Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens – jene drei Länder, die Mitunterzeichner des Atomabkommens sind. Andere EU-Länder sollen sich in einer zweiten Phase anschließen können.

Fedrica Mogherini
APA/AFP/Daniel Mihailescu
Mogherini begrüßte die Gründung und fürchtet keine Verschlechterung der transatlantischen Beziehungen

„Froh“ über gelungenen Schritt

Am Donnerstagnachmittag wurde die Gründung der Gesellschaft vom deutschen Außenminister Heiko Maas (SPD) bestätigt. Die Errichtung einer europäischen Zweckgesellschaft für den Handel mit dem Iran zeigt Maas zufolge, dass die EU „geschlossen und entschlossen“ ihren Weg gehe.

Maas zeigte sich vor Beratungen beim Treffen der EU-Außenministerinnen und -Außenminister in Bukarest „froh“ darüber, dass der EU dieser Schritt gelungen sei. Mit der Zweckgesellschaft schaffe die EU die Möglichkeit zur Geschäftsabwicklung mit dem Iran. Das sei notwendig, damit auch die EU ihren Verpflichtungen gegenüber dem Iran gerecht werden könne, so Maas.

EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini begrüßte den Schritt. Die EU wolle trotz des Ausstiegs der USA an dem Atomabkommen mit Teheran festhalten, sagte Mogherini in Bukarest. Mit der Finanzgesellschaft werde „legitimer Handel mit dem Iran“ trotz wiedereingeführter US-Wirtschaftssanktionen ermöglicht. Dafür gebe es von EU-Seite „volle Unterstützung“.

Tauschbörse: Geld für Waren

Problem bei der Aufrechterhaltung von Geschäftsbeziehungen mit dem Iran ist, dass Banken, die bisher solche Transaktionen abwickelten, fürchten müssen, selbst Ziel der US-Sanktionen zu werden. Die geplante Zweckgesellschaft soll deshalb dazu dienen, die Exporte europäischer Firmen mit iranischen Ausfuhren zu verrechnen. Praktisch kommt das einer Tauschbörse gleich: Der Iran bekommt kein Geld für seine Exporte, sondern Waren.

So könnte zum Beispiel der Iran weiter Öl oder andere Produkte nach Europa liefern. Das Geld dafür würde dann aber nicht über Banken in den Iran fließen, sondern an europäische Unternehmen, die vor allem humanitäre Güter wie zum Beispiel Medikamente, Nahrungsmittel und Industriegüter in den Iran verkaufen.

Kritische Haltung gegenüber Iran bleibt

Gleichzeitig versucht die EU aber, die Zweckgesellschaft in ihre kritische Gesamthaltung gegenüber dem Iran einzubinden. Geplant ist eine gemeinsame Erklärung aller EU-Staaten zum Iran. Sie konnten sich nun auf einen gemeinsamen Entwurf einigen, wie die AFP erfuhr. Die Erklärung soll nach Bekanntgabe der Zweckgesellschaft in einem schriftlichen Zustimmungsverfahren als offizielle EU-Schlussfolgerungen verabschiedet werden. In der Erklärung zeigen sich die Europäer nach AFP-Informationen erneut beunruhigt über das iranische Raketenprogramm und über die Rolle Teherans in regionalen Konflikten wie Syrien und Jemen. Sie prangern auch Anschläge gegen iranische Oppositionelle in Europa an.

Nutzung steht Unternehmen frei

Die EU will mit der Erklärung auch Kritik aus den USA abwehren, wo Präsident Donald Trump gerade seine unversöhnliche Haltung gegenüber dem Iran bekräftigt hat. „Es ist wesentlich, unseren amerikanischen Kollegen zu zeigen, dass wir uns in dieselbe Richtung bewegen“, sagte Belgiens Außenminister Didier Reynders bei einem Treffen mit seinen EU-Kollegen in Bukarest. Er nannte dabei das Raketenprogramm und „den regionalen Einfluss“ des Iran.

Mogherini sagte, sie fürchte keine Verschlechterung der transatlantischen Beziehungen durch den Schritt. Sie spreche mit der US-Seite über eine Reihe von Fragen im Zusammenhang mit dem Iran, darunter die umstrittene Rolle des Landes in regionalen Konflikten. „Deshalb sehe ich dafür keine Gefahr“, sagte die EU-Chefdiplomatin.

Reynders betonte, es bleibe den Unternehmen überlassen, ob sie die Zweckgesellschaft nutzen wollten. Die Firmen seien sich „des Risikos der amerikanischen Sanktionen bewusst“, zu deren Ziel sie selbst werden könnten, wenn sie mit dem Iran weiter Handel treiben. Wie Washington auf die Gründung reagieren wird, ist bisher unklar. US-Außenminister Mike Pompeo hatte bereits im vergangenen September angekündigt, dass sein Land eine Umgehung der Iran-Sanktionen nicht tolerieren wolle.

USA werfen Iran Entwicklung von Atomwaffen vor

Das Abkommen von 2015 soll den Iran am Bau von Atomwaffen hindern. Die USA waren im vergangenen Jahr ungeachtet großer Bedenken der anderen Signatarstaaten einseitig aus dem Atomabkommen ausgestiegen und hattendie Wiedereinführung von Wirtschaftssanktionen veranlasst. Trump hatte die Entscheidung unter anderem damit begründet, dass es keinen Frieden im Nahen Osten gebracht habe. Zudem warf er Teheran vor, trotz des Deals an der Entwicklung von Nuklearwaffen zu arbeiten.

US-Präsident Donald Trump
AP/Jacquelyn Martin
Von Washington kam bisher keine Reaktion auf die neue Finanzinstitution – erfreut dürfte Trump allerdings nicht sein

Die Europäer sehen die Rolle des Iran in der Region wie die USA sehr kritisch. Sie verweisen aber darauf, dass es darum in dem Abkommen nur indirekt gehe und der Iran bisher alle schriftlich eingegangenen Verpflichtungen einhalte. Letzteres hat die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) bereits 13-mal nach unabhängigen Untersuchungen bestätigt.

Teheran reagiert verhalten

Der Iran reagierte verhalten auf die Registrierung der EU-Zweckgesellschaft und des Zahlungskanals für den Iran-Handel. „In der Regel ist es natürlich lobenswert, dass die EU sich gegen die US-Sanktionen eingesetzt hat“, sagte Vizeaußenminister Abbas Aragdschi am Donnerstag. Dennoch werde Teheran abwarten, wie das Instex-System in der Praxis funktionieren werde, fügte Aragdschi im Staatssender IRIB hinzu.

Druck auf EU erhöht

Der Iran hatte zuletzt noch einmal Druck auf die EU gemacht und erneut mit dem Ausstieg aus dem Atomabkommen von 2015 gedroht. „Bevor es zu spät wird, rufen wir die Europäer auf, diese für die internationale Gemeinschaft wichtige Errungenschaft nicht scheitern zu lassen“, sagte Vizepräsident und Atomchef Ali-Akbar Salehi am Mittwoch. Sollte die EU ihren Verpflichtungen aus dem Deal nicht gerecht werden, sei der Iran jederzeit in der Lage, aus dem Abkommen auszusteigen.

Ob die Zweckgesellschaft wirklich Wirkung entfalten kann, gilt als unsicher. Das liegt daran, dass sie europäische Unternehmen nicht vor US-Sanktionen schützen kann. Sie ist daher vor allem für solche Unternehmen interessant, die lieber im Iran als in den USA Geschäfte machen wollen und deswegen einen Marktausschluss in den Vereinigten Staaten nicht fürchten.

Kneissl: Zweckgesellschaft für KMU wichtig

Instex ist laut FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl vor allem für Klein- und Mittelbetriebe wichtig. „Für die ganz großen Firmen wird dieses SPV (Special Purpose Vehicle, Anm.) meines Erachtens nicht der richtige Weg sein“, sagte Kneissl am Donnerstag in Bukarest.

„Die Zweckgesellschaft soll vor allem Klein- und Mittelbetrieben helfen, für eine Projektfinanzierung im Iran trotz der US-Sanktionen eine Bank zu finden“, sagte Kneissl vor einem Treffen der EU-Außenminister. Es habe eine große Erwartungshaltung auf allen Seiten gegeben, dass die Europäer im Iran im Gegenzug für Rohstoffexporte investieren würden. Im Moment gelte für viele europäische Firmen in der Automobilindustrie und im Dienstleistungssektor, „dass hier die Europäer den Kürzeren ziehen und die Chinesen einsteigen, und das kann es nicht sein“.