Europafahnen vor der Karlskirche in Wien
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Voggenhuber-Antritt

Proeuropäern erwächst neue Konkurrenz

Als selbst verschuldete „Tragödie“ hatte Johannes Voggenhuber 2017 den Rausfall der Grünen aus dem Nationalrat bezeichnet. Nun könnte er mit seiner unabhängigen Kandidatur dazu beitragen, dass auch der Wiedereinzug in das Europaparlament für diese eng wird. Jedenfalls wächst die Zahl der EU-freundlichen Listen auf fünf.

Bei einer Pressekonferenz verkündete Parteichefin Maria Stern offiziell, dass Voggenhuber als Spitzenkandidat für Jetzt antritt. Es sei aber eine „unabhängige Kandidatur, die weit über unsere Liste hinausgeht“. Der offizielle Name: Initiative 1 Europa. „Die Lage ist ernst, es scheint wieder alles möglich“, warnte Stern vor einer „nationalen Verzwergung“ Europas durch rechtspopulistische „Gefährder“ – es sei Zeit, dieser Entwicklung „einen Riegel vorzuschieben“.

Mit Voggenhuber ist das Feld der Bewerber mit Chancen auf den EU-Parlamentseinzug nun komplett. Bisher waren fünf Listen aus Österreich vertreten, nun stellen sich sechs der Wahl. Europakritisch ist nur eine davon, die FPÖ. Voggenhuber stand der EU vor dem Beitritt Österreichs ebenfalls skeptisch gegenüber, wurde dann aber trotz aller Kritik an den Missständen zum entschiedenen Befürworter der Union.

„Grün-Wähler sind gewarnt"

In dem Segment der proeuropäischen Bewerber könnte es diesmal also ein Gedränge geben – allen voran könnten die Grünen darunter leiden: „Selbstverständlich spricht Voggenhuber als ehemalige grüne EU-Gallionsfigur Grün-Wählerinnen und –Wähler an“, sagte Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle gegenüber ORF.at. „Jedoch sind diese auch von der Nationalratswahl gewarnt, was die Konsequenzen einer derartigen Spaltung sind, nämlich dass keine der beiden Listen einzieht. Die Diskussion um eine verlorene Stimme wird daher eine große Rolle spielen“, so Stainer-Hämmerle.

Allerdings nicht nur zwischen den Grünen und Voggenhuber, sagte die Politikwissenschaftlerin: „Generell tun sich kleine Parteien schwer, wenn es zu Zuspitzungen zwischen den Großen kommt.“ Und das sei auf mehreren Ebenen zu erwarten. Stainer-Hämmerle: „Ein schlechter öffentlicher Auftritt oder ein von niemandem beeinflussbares Ereignis kann da schon entscheiden.“

Grafik zu Spitzenkandidaten für die EU-Wahl
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA, Fotos: APA/AFP

Für den Urnengang Ende Mai schickt die ÖVP erneut Othmar Karas als Listenersten ins Rennen. Hinter dem langjährigen Europaparlamentarier wird Staatssekretärin Karoline Edtstadler aufgestellt, mit 37 die Vertreterin jener jüngeren Generation der Volkspartei, die Bundeskanzler Sebastian Kurz ihre politische Karriere zu verdanken hat. Die Mandate werden nach Vorzugsstimmen vergeben, das heißt, theoretisch könnten sogar Karas und Edtstadler leer ausgehen, wenn andere Kandidaten mehr persönliche Stimmen lukrieren können.

Voggenhuber und die Grünen

Der langjährige Grün-Politiker Johannes Voggenhuber tritt als Spitzenkandidat für Jetzt bei der EU-Wahl an – für die Grünen, die 2014 noch mehr als 14 Prozent hatten, könnte das zum Problem werden.

Für die SPÖ geht mit Andreas Schieder ein politischer Profi an der Spitze in die Wahl. Immerhin war der 49-Jährige Staatssekretär und unter den Kanzlern Werner Faymann und Christian Kern jeweils Klubobmann der Sozialdemokraten im Parlament. Wie die ÖVP versucht man in der Kampagne eine Doppelspitze, hier aber mit umgekehrten Voraussetzungen. Bei der SPÖ ist die Listenzweite, nämlich Evelyn Regner, die erfahrene Europaparlamentarierin.

Als einzige der Parlamentsparteien hat die FPÖ ihren Spitzenkandidaten noch nicht offiziell gekürt, so weit sein soll es am 25. Februar. Als ausgemacht gilt allerdings, dass Generalsekretär Harald Vilimsky (52) eine weitere Periode in Brüssel bleibt. Bei den Grünen bewirbt sich Bundessprecher Werner Kogler auch als Spitzenkandidat bei der Europawahl. NEOS ersetzt Angelika Mlinar wieder durch eine Frau, die 30-jährige Nationalratsabgeordnete Claudia Gamon.

Johannes Voggenhuber
APA/Roland Schlager
Stern und Voggenhuber präsentierten am Montag die Initiative

Der 68-jährige Voggenhuber hatte schon vor Längerem erklärt, dass es ihn reizen würde, sich wieder um ein EU-Mandat zu bewerben. Für die Grünen, deren Bundesgeschäftsführer und Klubobmann er früher auch einmal war, saß er von 1995 bis 2009 im EU-Parlament. Dann fand seine Karriere bei den Grünen ein jähes Ende – Ulrike Lunacek nahm ihm beim Bundeskongress den Listenplatz und in der Folge das EU-Mandat ab, Voggenhuber zog sich zurück.

Wiederkehr „uralter Dämonen“

Nun aber, sagte Voggenhuber bei einer fast einstündigen Pressekonferenz, sei er „gebeten, aufgefordert, gedrängt“ worden, wieder zu kandidieren. Und er sehe es auch als seine Pflicht, „Widerstand“ gegen die derzeitigen Entwicklungen in Europa zu leisten. „Europa ist in Gefahr“, warnte Voggenhuber, „uralte Dämonen“ des Nationalismus würden wiederkehren – „ich bleibe in diesen Zeiten nicht zu Hause“.

Voggenhuber: „Kandidiere nicht gegen die Grünen“

Johannes Voggenhuber gründete einst die Grünen-Bewegung mit. Nun tritt er als EU-Spitzenkandidat für Jetzt an. Im Gespräch erzählt er, was ihn von seiner früheren Partei unterscheidet.

Jetzt ermöglicht Voggenhubers Kandidatur mit den notwendigen drei Unterschriften von Nationalratsabgeordneten und einer „Anschubfinanzierung“ von 250.000 Euro. So erhält Voggenhuber die Möglichkeit, im Wahlkampf präsent zu sein, an TV-Duellen teilzunehmen und die Kosten rückerstattet zu bekommen. Finanziert werden soll die Kampagne teils auch über Crowdfunding.

Keine „Racheaktion“

Er habe mit vielen politischen Konkurrenten gesprochen, um sie für seine Initiative zu gewinnen – auch mit den Grünen, sagte Voggenhuber. Denn sein jetziger Antritt sei keineswegs eine „Racheaktion“ oder „niedrigen Gefühlen“ geschuldet. Würden ihm die Grünen etwa eine Kandidatin vorschlagen, könnte diese auf Platz zwei der Plattform antreten. Inhaltlich sollte es für eine Kooperation wenig Hürden geben, sagte Voggenhuber: „Die Grünen kandidieren noch immer unter dem Programm, das ich geschrieben habe.“

Voggenhuber sei ein verdienter Europapolitiker, reagierten die Grünen, seine Initiative werde man aber nicht unterstützen. „Zu jedem Zeitpunkt war klar: Viele Wählerinnen und Wähler wünschen sich eindeutig eine starke grüne Kandidatur und wieder österreichische Grüne im Europaparlament“, hielt Parteivize Nina Tomaselli fest.

Von Karas enttäuscht

Auch mit dem von ihm geschätzten Karas habe er gesprochen, sagte Voggenhuber. Dass dieser erneut für die ÖVP antritt und sich von Kurz „vor den Karren“ sperren lasse, bedauere er sehr. Es sei ein Irrglaube, wenn Karas meint, auch unter Kurz die Politik der ÖVP in Brüssel vorgeben zu können. Karas selbst zeigte sich entspannt angesichts des neuen Mitbewerbers. Voggenhuber und er hätten in manchen Fragen ähnliche Ansichten, in vielem gebe es aber auch Unterschiede. „Ich freue mich auf spannende und faire Wahldebatten.“

Johannes Voggenhuber und Eva Lichtenberger
Reuters/Herwig Prammer
2004 zog Voggenhuber (im Bild mit Eva Lichtenberger) noch für die Grünen in den EU-Wahlkampf

Andocken an grüne Fraktion

Sollte er ins Europaparlament kommen, würde Voggenhuber sich wohl der grünen Fraktion anschließen, mit dieser habe er – „anders als die österreichischen Grünen“ – nie ein Problem gehabt. Es sei zudem die einzige europäische Liste, „die für den Fortgang der europäischen Einigung eintritt“. Aber es sei auch möglich, dass sich neue links-liberale Allianzen bildeten, denen er beitreten könnte. Möglich ist für ihn auch, dass nicht alle potenziellen Mandatare der Initiative der gleichen Fraktion angehören.

Pressekonferenz: Jetzt präsentiert EU-Spitzenkandidaten Voggenhuber

Johannes Voggenhuber wird Spitzenkandidat von Jetzt für die EU-Wahl. In einer Pressekonferenz wurde der frühere langjährige Europaabgeordnete der Grünen präsentiert. Offiziell nennt sich die Liste Initiative 1 Europa.

Inhaltlich setzt Voggenhuber etwa auf europäische Volksabstimmungen. Sozialdumping soll durch Mindeststandards und eine europäische Sozialordnung unterbunden werden. Weiters heißt es in dem „Manifest“ der Initiative: „Ein Europa will dazu beitragen, die Einigung Europas voranzutreiben. Sie tritt für eine gemeinsame, souveräne und autonome Außen- und Sicherheitspolitik ein, die auf einer Europäischen Friedensordnung beruht und sich den Werten und Zielen der Vereinten Nationen verpflichtet."

Mitstreiter noch nicht bekannt

Wer außer Voggenhuber ins Rennen für die Initiative 1 Europa geht, steht noch nicht fest, die Kandidatenliste stehe bis Ende März offen. Auf ein Wahlziel wollte er sich nicht festlegen, ansprechen wolle er insbesondere Nichtwähler. Klar sei, dass er es anders machen wolle als so viele Europaparlamentarier, auch aus den Reihen der Opposition: „Sie gehen nach Brüssel, verschwinden im Getriebe und kommen mit leeren Händen zurück.“