Österreichische Tischflagge im EU-Parlament
Reuters/Vincent Kessler
„Demokratieradar“

Österreicher hängen mehr an EU als früher

Am 26. Mai steht in Österreich die Wahl zum EU-Parlament an. Wohl auch als Folge des Brexit-Chaos haben sich die Einstellungen zur EU zuletzt geändert: Mehr Menschen als früher lehnen einen Austritt strikt ab. Auch der Vorstellung von „Vereinigten Staaten von Europa“ wird laut Umfrage mehrheitlich zugestimmt. Über allem steht aber der Wunsch nach Veränderung.

Überraschend scheinen manche der Ergebnisse, zu denen die Erhebung des Austrian Democracy Lab kommt. Die halbjährliche Studie namens „Demokratieradar“ von der Donau-Universität Krems und der Karl-Franzens-Universität Graz basiert auf Befragungen von 4.510 Personen zwischen Oktober und Dezember 2018. Sie wurde am Dienstag in Kooperation mit dem Europäischen Parlament in Wien präsentiert.

Die Ergebnisse zeigen vor allem, dass es einen Wunsch nach Veränderung gibt. Wie diese erfolgen soll, darüber gehen die Meinungen aber auseinander. Sie reichen von einer Wirtschaftsgemeinschaft bis zu den „Vereinigten Staaten von Europa“. Am wenigsten Zustimmung erhielt das Weiterarbeiten mit den aktuellen Strukturen und Zuständigkeiten. In Relation am meisten waren die Menschen für ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten. „Es gibt durchaus einen Veränderungswunsch, eine klare Zielvorstellung fehlt allerdings“, so Katrin Praprotnik, Politikwissenschaftlerin an der Donau-Uni Krems in einer Aussendung.

FPÖ-Anhänger unzufriedener

Die – vagen – Vorstellungen künftiger EU-Szenarien entfalteten sich klassisch entlang der Parteilinien. Anhängerinnen und Anhänger von ÖVP und FPÖ stünden eher für ein „Weniger, aber effizienter“. „Personen, die der FPÖ nahestehen, sind allerdings deutlich unzufriedener mit dem aktuellen Stand und stehen einer weiteren Vertiefung der Union skeptischer gegenüber“, so Praprotnik.

70 Prozent der FPÖ-Wähler befürworteten auch eine Konzentration der EU auf den Binnenmarkt, aber nur 39 Prozent einen gemeinsamen europäischen Staat. Anhänger von SPÖ und Grünen standen für eine politisch engere Zusammenarbeit.

Grafik zur Einstellung der Österreicher zur EU
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/Austrian Democracy Lab

Für knapp 30 Prozent kam die aktuelle EU der eigenen Idealvorstellung schon recht nahe, hieß es am Dienstag. Für gut 20 Prozent entsprach die EU hingegen gar nicht dem idealen Bild. Der weitaus größte Teil der Befragten – rund 50 Prozent – antwortete neutral, ist von der jetzigen EU demnach weder begeistert noch abgeschreckt.

Mehrheit für europaweite Listen

Das wohl klarste Ergebnis der Studie zeigte die Frage nach einem möglichen Austritt Österreichs aus der EU: Drei Viertel lehnten einen solchen Schritt insgesamt ab. Im Jahr 2014 waren noch 50 Prozent „sehr“ dagegen, nun waren es 60 Prozent. „Eher“ dagegen sprachen sich zudem 14 Prozent aus.

„Als längerfristige Zukunftsvision kann sich mehr als die Hälfte eine Art ‚Vereinigte Staaten von Europa‘ vorstellen, wobei das, was man darunter versteht, individuell vermutlich sehr schwankt“, so der Politikwissenschaftler Flooh Perlot von der Karl-Franzens-Universität Graz. Prinzipiell stimmten aber 56 Prozent einer Zukunftsvision der „Vereinigten Staaten von Europa“ zu. Die meisten davon fanden sich bei Wählerinnen und Wählern der Grünen und von NEOS. Aber auch FPÖ-Anhängern waren es noch 39 Prozent.

Darüber hinaus konnten sich rund zwei Drittel vorstellen, dass bei künftigen EU-Wahlen nicht mehr nationale Parteien, sondern nur noch europaweite Listen antreten sollen. Ein strengeres Vorgehen der EU gegen Regelverstöße durch Mitgliedsstaaten fand ebenfalls eine Mehrheit.

Fünf Männer und eine Frau

In Österreich stehen die Kandidaten und eine Kandidatin so gut wie fest. Der von vielen Medien als „Schicksalswahl“ für die EU beschriebene Urnengang scheint – zumindest, was die Köpfe betrifft – aber wenig Neues zu bringen. Die ÖVP schickt Othmar Karas als Listenersten ins Rennen. Die SPÖ stellte Andreas Schieder auf.

Einstellung der Österreicher zur EU

Soll es mehr oder weniger EU geben? Sollen die Nationalstaaten mehr Kompetenzen erhalten? Soll Brüssel härtere Strafen verhängen dürfen, wenn sich Mitgliedsstaaten nicht an EU-Regeln halten?

Als einzige der Parlamentsparteien hat die FPÖ ihren Spitzenkandidaten noch nicht offiziell gekürt, so weit sein soll es am 25. Februar. Als ausgemacht gilt allerdings, dass Generalsekretär Harald Vilimsky eine weitere Periode in Brüssel bleibt. Bei den Grünen bewirbt sich Bundessprecher Werner Kogler auch als Spitzenkandidat bei der Europawahl.

Grafik zu Spitzenkandidaten für die EU-Wahl
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA, Fotos: APA/AFP

Der langjährige Grün-Politiker Johannes Voggenhuber tritt als Spitzenkandidat für Jetzt bei der EU-Wahl an – für die Grünen, die 2014 noch mehr als 14 Prozent hatten, könnte das zum Problem werden. NEOS stellte die 30-jährige Nationalratsabgeordnete Claudia Gamon auf.

Brexit lässt noch Fragen offen

Spannung verspricht jedenfalls die Brexit-Frage. Denn wird der Austritt Großbritanniens, geplant für den 29. März, noch verschoben, könnte Großbritannien noch mitwählen. Nach einer aktuellen APA-Prognose für die EU-27 liegt die EVP mit 182 zu 132 Mandaten praktisch uneinholbar vor den Sozialdemokraten im EU-Parlament. Findet die Europawahl auch in Großbritannien statt, wäre die EVP aber nur noch mit 178 zu 156 Mandaten vorn.

Der Grund: Die EVP würde nämlich bei der Verteilung der 73 britischen EU-Mandate leer ausgehen, weil die Konservativen von Premierministerin Theresa May der europaskeptischen Fraktion ECR angehören. Dagegen würde die Labour Party den Sozialdemokraten 28 zusätzliche Mandate bescheren, gleich viel wie die deutschen und spanischen Sozialdemokraten gemeinsam auf die politische Waagschale bringen.