Alexandria Ocasio-Cortez und andere Demokratinnen
APA/AFP/Getty Images/Alex Wong
Zur Lage der Nation

Protest in Weiß gegen Trump

Dutzende weibliche Abgeordnete haben am Dienstag (Ortszeit) gegen die Rede zur Lage der Nation von US-Präsident Donald Trump demonstriert. Ihr Protest war leise, aber deutlich: Als optisches Signal trugen sie die Farbe Weiß – ein Zeichen in Anlehnung an die Suffragettenbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA, als Frauen für ihr Wahlrecht demonstrierten.

In demokratischen Kreisen gilt Trump als Frauenverächter. Viele der Oppositionsfrauen sind neu im Kongress und verfolgten Trumps Rede vorwiegend mit versteinerten Gesichtern. Es wurde deutlich, dass sie dem Präsidenten den Aufruf zu Kompromissen zwischen Republikanern und Demokraten nicht abnahmen.

Unter den Weißgekleideten waren vorwiegend Demokratinnen, darunter etwa die New Yorker Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez und Trumps wichtigste Gegenspielerin Nancy Pelosi, Vorsitzende des Repräsentantenhauses. Sie saß Trump während seiner Rede nicht nur sprichwörtlich im Nacken.

US-Präsident Donald Trump
APA/AFP/Zach Gibson
Traditionellerweise saßen der Vizepräsident der USA, Mike Pence, und die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Pelosi, direkt hinter dem US-Präsidenten

Jubel über Anzahl der Frauen im Kongress

Nur an einer Stelle der 82 Minuten langen Rede jubelte die Menge der Abgeordneten in Weiß – als Trump von der Arbeitspolitik sprach und auch die Rekordzahl an Frauen im neu gewählten Kongress als positiv erwähnte. Die Freude der Abgeordneten dürfte sich dabei aber allerdings auf die eigene demokratische Beschäftigungspolitik bezogen haben. Für die Demokraten – die die Kammer seit Jänner kontrollieren – sitzen dort jetzt 89 Frauen, für die Republikaner nur 13.

Der Präsident zeigte sich amüsiert über die Jubelschreie. „Das hättet Ihr nicht tun sollen“, witzelte er. Ein pikantes Detail in puncto weiße Kleidung ist zudem, dass First Lady Melania Trump letztes Jahr bei der Rede zur Lage der Nation ganz in Weiß kam. Ob auch sie damals still protestierte – darüber darf freilich nur spekuliert werden. Dieses Jahr trug die First Lady jedenfalls Schwarz.

Weibliche Kongressabgeordnete in Weiß
APA/AFP/Zach Gibson
In Jubel brachen die Demokratinnen aus, als Trump von der Rekordzahl der Frauen im Kongress sprach

Abrams: „Amerika wird durch Migranten gestärkt“

Viel mehr als um Beschäftigungspolitik ging es in Trumps Rede aber erneut um sein größtes Wahlversprechen: die Grenzmauer zu Mexiko – die allerdings, und das gab sogar der US-Präsident zu, über die Distanz von 2.000 Meilen (rund 3.219 Kilometer) auch ein Zaun sein könnte. Das Milliardenprojekt wird von den Demokraten jedenfalls nach wie vor abgelehnt.

In der traditionellen Gegenrede wischte die Demokratin Stacey Abrams Trumps Argumente abermals beiseite: „Amerika wird gestärkt durch die Anwesenheit von Migranten, nicht durch Mauern“, sagte Abrams in Atlanta. Sie ist die erste Frau mit afroamerikanischen Wurzeln, die die Gegenrede hielt.

Analyse zu Trumps Rede

Andreas Pfeifer, Chef der Auslandsredaktion der Zeit im Bild, spricht über Trumps Rede, die geplante Grenzmauer zu Mexiko und das Verhältnis der USA zu Nordkorea.

Der Streit um die Mauer löste zuvor den längsten Regierungsstillstand („Shutdown“) der US-Geschichte aus. Eklats gab es in oder während Trumps Rede unterdessen keine. Auch der von manchen befürchtete Notstand, den der US-Präsident ausrufen hätte können, wurde nicht verhängt. Zuvor hatte Trump ob des „Shutdown“ nämlich bereits damit gedroht.

Trump ruft zu Kompromissen auf

Trump appellierte in seiner Rede aber vehement an die Demokraten, eine Einigung im erbitterten Streit um den Staatshaushalt und die Einwanderung zu ermöglichen. Wie ein Kompromiss aussehen könnte, zeigte er aber nicht auf. Derzeit ist der Regierungsstillstand zwar ausgesetzt, sollten sich die Republikaner und die Demokraten aber bis zum 15. Februar nicht auf ein Budgetgesetz einigen, könnte es zu einem neuen „Shutdown“ kommen. Auch ein Notstand steht immer noch im Raum.

Zuletzt gingen den Vereinigten Staaten durch den Regierungsstillstand ganze elf Milliarden US-Dollar (ca. neun Mrd. Euro) verloren. Davon seien, so US-Analysen, mindestens drei Milliarden Dollar (rund 2,6 Mrd. Euro) nicht wieder zu holen. Wegen des „Shutdown“ untersagte Pelosi Trump auch erst seine Rede im Kongress, indem sie letzte Woche von ihrem Hausrecht Gebrauch gemacht hatte.

Kontroversen zur geplanten Grenzmauer

Trump betonte in seiner Rede ein weiteres Mal die Absicht, eine Grenzmauer zu Mexiko zu errichten. Die Demokraten lehnen das strikt ab.

Ex-Hausmädchen auf Publikumstribüne

Die Demokraten sparten jedenfalls nicht mit deutlichen Zeichen gegen Trumps Rede. Ein weiterer „Trumpf“ der Oppositionellen saß per Einladung der Demokraten auf der Parlamentstribüne: Trumps ehemaliges Hausmädchen Victorina Morales. Die illegal in den USA lebende Frau aus Guatemala verfolgte als Gast der Demokraten vom Besucherbereich aus die Rede Trumps im Plenarsaal des Kapitols. Das demokratische Kalkül dahinter: Trump, der oft von einer Migranteninvasion an der Südgrenze spricht, griff selbst auf die billige Arbeitskraft einer illegalen Einwanderin zurück.

Victorina Morales
APA/AFP/Mandel Ngan
Morales (Bild) wurde von der demokratischen Abgeordneten Bonnie Watson Coleman auf die Publikumstribüne eingeladen

„Ich spreche nicht nur für mich selbst, ich spreche für all die anderen“, sagte Morales zur Nachrichtenagentur AFP in Washington. „Wir sind zwölf Millionen, und wir sind gekommen, um zu arbeiten, zu kämpfen – und nicht, um eine Invasion in dieses Land zu unternehmen.“ Wenn sie persönlich mit ihm sprechen könnte, würde sie Trump um eine Einwanderungsreform bitten, um den Status von Millionen Einwanderinnen und Einwanderern in den USA zu legalisieren, sagte sie der AFP.

Die heute 46 Jahre alte Morales war 1999 ohne Papiere über die Grenze in die USA gekommen. Schließlich fand sie eine Anstellung als Haushaltskraft in Trumps Golfclub in New Jersey. Diesen Job hat sie längst aufgegeben. Inzwischen setzt sie ihre ganze Zeit als Aktivistin für die Rechte illegaler Migrantinnen und Migranten ein. Mehrere andere illegal eingewanderte Angestellte des Golfclubs wurden inzwischen entlassen.