TGV, ICE
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Siemens-Alstom

EU-Kommission untersagt Bahnfusion

Die Fusion der Schienenverkehrssparten von Siemens und dem französischen Zugshersteller Alstom ist gescheitert. EU-Wettbewerbshüter untersagten am Mittwoch ein geplantes Vorhaben. Ein Zusammenschluss würde sich negativ auf den Binnenwettbewerb und letztlich auch auf die Verbraucher auswirken, sagte EU-Kommissarin Margrethe Vestager. Die Entscheidung löst in Paris und Berlin Unmut aus.

Der ICE-Hersteller Siemens und der TGV-Hersteller Alstom wollten ihre Bahnsparten zusammenlegen, um zu Europas größtem Produzenten aufzusteigen und im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Der Blick richtete sich dabei auf den weltweit größten Zugshersteller aus China, CRRC, der seine Fühler mittlerweile nach Europa ausstreckt. Die französische und deutsche Regierung befürworteten den „Airbus der Schiene“. Doch mehrmals hatten sich die EU-Wettbewerbshüter – allen voran EU-Kommissarin Vestager – skeptisch zum Vorhaben geäußert.

Am Mittwoch teilte Vestager mit, dass Siemens und Alstom „Champions im Schienenverkehrssektor“ seien. Aber die geplante Fusion hätte die Konkurrenzsituation auf den Märkten für Eisenbahnsignalanlagen und Höchstgeschwindigkeitszüge beeinträchtigt. Auch weltweit stünden beide Unternehmen an der Spitze ihrer Branche. Die von den beiden Unternehmen angebotenen Abhilfemaßnahmen hätten auch nicht ausgereicht, um diese Bedenken auszuräumen.

Maßnahmen reichten nicht aus

Um negative Auswirkungen auf den europäischen Wettbewerb zu minimieren, verlangten die EU-Wettbewerbshüter von Siemens und Alstom vor der Entscheidung weitreichende Zugeständnisse, wie etwa Veräußerungen bei der Signaltechnik sowie langjährige Lizenzierungen von Technik für Hochgeschwindigkeitszüge. Ende Jänner legten die beiden Unternehmen noch einmal in einem ungewöhnlichen Schritt Zugeständnisse nach. Da wurde jedoch bereits gemutmaßt, dass diese möglicherweise nicht ausreichen könnten.

Margrethe Vestager
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Für EU-Kommissarin Vestager und der Wettbewerbsbehörde würde eine Fusion den Wettbewerb beeinträchtigen

„Ohne ausreichende Abhilfemaßnahmen hätte der Zusammenschluss zu höheren Preisen für Signalanlagen, die die Sicherheit der Fahrgäste gewährleisten, und für die nächsten Generationen von Höchstgeschwindigkeitszügen geführt“, erklärte Vestager. Doch dazu seien Siemens und Alstom nicht bereit gewesen. Außerdem glaubte die Kommissarin den europäischen Unternehmen auch nicht, dass die Chinesen den Deutschen und Franzosen in Europa bald ernsthaft Konkurrenz machen werden.

„In Bezug auf Höchstgeschwindigkeitszüge hält die Kommission es für höchst unwahrscheinlich, dass neue Wettbewerber aus China in absehbarer Zukunft Wettbewerbsdruck auf die beteiligten Unternehmen ausüben werden“, sagte sie. Bei Signaltechnik seien Chinesen in Europa noch nicht aufgetreten. Der größte Konkurrent, die kanadische Bombardier, begrüßte die Entscheidung der EU-Kommission.

Kein zweiter Anlauf geplant

Einen neuen Anlauf hatte Alstom-Chef Henri Poupart-Lafarge am Dienstag bereits ausgeschlossen. „Es wird keine zweite Chance geben.“ Am Mittwoch beurteilte Alstom die Entscheidung aus Brüssel als einen „klaren Rückschlag für die Industrie in Europa“.

Siemens erklärte, man nehme sich „nun die Zeit, um alle Optionen für die Zukunft von Siemens Mobility zu prüfen und die beste Option für Kunden, Mitarbeiter sowie Aktionäre zu wählen“. Der Konzern soll erwägen, die bereits ausgegliederte Zugssparte Mobility allein an die Börse zu bringen. Sie erlebt einen Auftragsboom.

Deutsche Regierung bedauert Entscheidung

Siemens-Chef Joe Kaeser kritisierte Vestager für ihre Ablehnung scharf. Er sprach am Mittwoch vom „Schlusspunkt hinter ein europäisches Leuchtturmprojekt“. Die Entscheidung der Kommission zeige, „dass Europa dringend eine Strukturreform benötigt, um wirtschaftlich in einer global vernetzten Welt in Zukunft bestehen zu können“.

Die deutsche Regierung nehme die Entscheidung mit Bedauern zur Kenntnis, so Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Eine global wettbewerbsfähige Bahnindustrie sei ein wichtiges industriepolitisches Anliegen für Deutschland und Europa. Deutschland setze sich dafür ein, das Kartellrecht mit Blick auf Globalisierung und Digitalisierung zu modernisieren. Seibert verwies auf eine Kommission, die bis zum Herbst entsprechende Vorschläge vorlegen solle.

Kritik an absehbarer Entscheidung

Im Februar verdichteten sich die Hinweise, dass ein Zusammenschluss an der EU-Kommission scheitern wird. „Die Europäische Kommission dürfte die Fusion Alstom-Siemens ablehnen“, sagte Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire am Mittwoch dem TV-Sender France 2. Le Maire kritisierte die absehbare Entscheidung. Die EU-Behörde müsse die wirtschaftlichen Interessen Europas verteidigen: „Die Ablehnung der Fusion Alstom-Siemens wird den wirtschaftlichen und industriellen Interessen Chinas nutzen“, bemängelte der Ressortchef.

Indirekte Kritik an der EU-Politik kommt auch von Deutschlands Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Nach dem Fusionsstopp sagte er, dass man die Entscheidung respektiere, aber nun versuchen werde, eine Änderung des EU-Wettbewerbrechts herbeizuführen. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte zuvor für eine Reform des Wettbewerbsrechts ausgesprochen, weil Europa den Wettbewerb heute mit China und anderen Regionen der Welt austrage.

EU-Wettbewerbskommissarin Vestager widersprach der Kritik aus Berlin und Paris sowie von Siemens-Chef Kaeser am Mittwoch. Die EU-Regeln seien dazu da, um fairen Wettbewerb in Europa zu gewährleisten. „Ein Unternehmen wird im Ausland nicht wettbewerbsfähig sein können, wenn es nicht auch zu Hause Wettbewerb hat“, sagte Vestager.