Ein Alstom-Zug
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Verbot von Bahngigant

Weichenstellung auch im Match EU – China

Die EU hat am Mittwoch Pläne für einen europäischen Bahngiganten platzen lassen. Die oberste Wettbewerbshüterin Margarethe Vestager erteilte einer geplanten Fusion von Siemens und Alstom eine Absage. Der Grund: eine drohende Übermacht. Die Entscheidung befeuert die Debatte über die EU-China-Politik im Industriebereich.

Sie hätte eine Art „Airbus der Schiene“ hervorbringen sollen: die Fusion der Bahnkonzerne Siemens und Alstom. Der französische TGV-Hersteller und der deutsche ICE-Produzent wollten laut eigenen Angaben einen europäischen „Champion“ schaffen, der sich in Zukunft auf dem Weltmarkt gegen den chinesischen Bahnriesen CRRC behaupten kann. Der Staatskonzern ist die unangefochtene Nummer eins in China und streckt seine Fühler zunehmend auch in den Rest der Welt aus. So finden sich Züge von CRRC etwa bereits in den USA und Tschechien.

Dass der Konzern dominanter Player auf dem Weltmarkt werden könnte, schloss Vestager bei der Pressekonferenz in Brüssel nicht aus. Für die EU gebe es derzeit allerdings keinen Grund, den Riesen zu fürchten: Siemens und Alstom seien bei Hochgeschwindigkeitszügen und Signalsystemen so stark, dass ihnen laut Evaluierungen in den kommenden Jahren keine Konkurrenz aus China drohe. In beiden Bereichen sei CRRC in Europa entweder äußerst schwach oder nicht existent.

Ein in Berlin ausgestellter Zug der chinesischen Firma CRRC
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Leistungsschau chinesischer Technologie: Der Pekinger Konzern CRRC bei der Branchenmesse InnoTrans in Berlin

Die liberale Kommissarin Vestager schmetterte damit also das Argument China ab und verwies auf die geltenden EU-Kartellregeln. Die Fusion hätte bedeutet, dass Siemens und Alstom in gewissen Bereichen auf dem EU-Markt nahezu konkurrenzlos geworden wären. Die Zugeständnisse der beiden Konzerne seien nicht ausreichend gewesen. Letztlich hätte der Zusammenschluss zu Mehrkosten für Steuerzahler und Kundschaft geführt. Die Unternehmen haben nun keine Chance mehr für eine Übernahme. Sie kritisierten die Entscheidung scharf – Siemens-Chef Joe Kaeser sprach etwa von „rückwärtsgerichteten Technokraten“.

„Brauchen andere Werkzeuge“ gegen China

Die Kommissarin stellte sich mit der Entscheidung nicht nur gegen Berlin und Paris. Brüssel signalisiert damit auch, wie die EU mit chinesischen Ambitionen umgehen will – bekanntlich hat China in den vergangenen Jahren Milliarden in die EU gepumpt und sich auch in mehrere strategisch wichtige Unternehmen eingekauft. Dabei unterstrich die Kommission nun die Relevanz geltender EU-Wettbewerbsregeln, die sich aber vor allem auf die Verhältnisse auf dem europäischen Markt konzentrieren. „Ein Unternehmen wird im Ausland nicht wettbewerbsfähig sein können, wenn es nicht auch zu Hause Wettbewerb hat“, sagte Vestager dazu.

Margrethe Vestager
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Vestager hat sich am Mittwoch wohl keine Freunde in Deutschland und Frankreich gemacht

Um gegen chinesische Ambitionen auf dem europäischen Markt bestehen zu können, brauche es stattdessen „andere Werkzeuge“, so Vestager. Die EU müsse einen Dialog mit China zum Thema staatliche Subventionen führen und sich vor unfairem Wettbewerb schützen. Zudem brauche es gegenseitigen Zugang zu geschützten Märkten. Sie verwies auf das neue EU-System zum Investitionsschutz. Mit diesem sollen ausländische Investition in kritische Infrastrukturen oder wichtige Technologien geprüft werden. Die Entscheidung, ob und wie sie bei fremden Übernahmen einschreiten, bleibt allerdings den Ländern selbst überlassen.

Paris und Berlin wollen EU-Recht ändern

Doch diese Linie wird bereits angefochten, und zwar von Paris und Berlin. Die beiden Staaten wollen nach der Fusionsentscheidung nun am EU-Wettbewerbsrecht schrauben – und angesichts der EU-Wahl und der damit einhergehenden Umbildung der Kommission könnten sich tatsächlich entsprechende Entwicklungen ergeben.

Man werde jedenfalls eine entsprechende deutsch-französische Initiative für eine „zeitgemäße Anpassung des Wettbewerbsrechts“ gründen, so Deutschlands Wirtschaftsminister Peter Altmaier. „Der relevante Markt für die Analyse von Wettbewerb ist der Weltmarkt, und nicht der europäische Markt“, sagte sein französischer Kollege Bruno Le Maire bereits im Vorfeld.

Im globalen Wettbewerb mit China und den USA sei es wichtig, dass europäische Branchengrößen entstehen und mithalten können, sagte Altmaier. Er bekam nicht nur von der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer Rückendeckung, sondern auch von Manfred Weber (CSU) – seines Zeichens Spitzenkandidat der EVP und möglicher nächster EU-Kommissionspräsident.

Die deutsche Regierung wolle die EU-Präsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 für eine Überarbeitung der fast 30 Jahre alten Vorschriften nutzen, hieß es am Mittwoch in Regierungskreisen. Auch die österreichische Wirtschaftsministerin Margarethe Schramböck (ÖVP) nannte die Entscheidung nicht nachvollziehbar: „Mit solchen Entscheidungen darf Europa sich nicht wundern, wenn Asien und die USA die Weltmärkte dominieren.“