Maut-Schild
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Pkw-Maut

Deutsche Kritik an Österreichs „Maulerei“

Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat am Mittwoch die Ablehnung der Klage Österreichs gegen die geplante deutsche Pkw-Maut empfohlen. In einigen Wochen wird das EuGH-Urteil vorliegen. Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) erwägt, im Falle einer Niederlage das deutsche Modell für Österreich zu übernehmen. Aus Bayern kommen scharfe Töne.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sieht nach der positiven Einschätzung des EuGH-Generalanwalts zur Rechtmäßigkeit der Pkw-Maut keinen Anlass mehr für Widerstand aus Österreich. „Die Maut-Maulerei der Österreicher muss jetzt endlich ein Ende haben“, sagte Dobrindt am Mittwoch der dpa.

Der angestrebte Systemwechsel von der Steuer- zur Nutzerfinanzierung nach dem Prinzip „Wer nutzt, der zahlt, aber keiner zahlt doppelt“ werde vom Generalanwalt voll bestätigt. Dobrindt hatte das Mautmodell – ein Prestigeprojekt der CSU – als deutscher Verkehrsminister durchgesetzt.

„Grundlegendes Missverständnis“

In seiner Empfehlung hatte der für das Verfahren zuständige Generalanwalt Nils Wahl betont, dass das Vorbringen Österreichs, das sich auf eine angebliche Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit stützt, auf einem grundlegenden Missverständnis des Begriffs Diskriminierung beruhe.

Europarechtler Obwexer zur deutschen Pkw-Maut

Walter Obwexer (Universität Innsbruck) zeigt sich erstaunt über die Reaktion auf Österreichs Klage.

Der Umstand, dass Haltern von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen eine Steuerentlastung bei der deutschen Kfz-Steuer zugutekomme, die dem Betrag der Infrastrukturabgabe entspreche, stelle „keine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit dar“.

Deutsches Modell für Österreich?

„Die Letztentscheidung liegt bei den Richtern“, so Verkehrsminister Hofer in einer Aussendung. Wenn der EuGH aber erlaube, bei der deutschen Pkw-Maut ausländische Verkehrsteilnehmer stärker finanziell zu belasten und gleichzeitig deutsche Autofahrer zu entlasten, dann „sollte auch Österreich das tun“, sagte Hofer, der im Falle eine Niederlage vor dem EuGH das deutsche Modell erwägt. Dieses Modell könne man auch auf andere Bereiche anwenden, etwa bei Unistudiengebühren.

Nach Ansicht der österreichischen Regierung werden ausländische Autofahrer durch die Abgabe schlechtergestellt. Man argumentiert, dass diese „Infrastrukturabgabe“ ausländische Fahrer verbotenerweise diskriminiert, weil Besitzer von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen über die Kfz-Steuer voll für die Maut entlastet werden. Die Pkw-Maut ist ein Prestigeprojekt der CSU aus dem Bundestagswahlkampf 2013 und soll auf Bundesstraßen und Autobahnen kassiert werden.

Geringere Abgabe

Der Generalanwalt räumte ein, dass die Höhe der Kfz-Steuer, die von den Fahrzeughaltern inländischer Fahrzeuge zu entrichten sei, dank der Steuerentlastung geringer sein werde als in der Vergangenheit.

Aber selbst wenn die Steuerentlastung eine „Nullreduzierung“ der Kraftfahrzeugsteuer zur Folge hätte, was laut Anwalt nicht der Fall sei, wäre jeder ausländische Fahrer verpflichtet, für die Benutzung deutscher Autobahnen einen Beitrag zu zahlen, der höchstens so hoch wäre wie jener, der von den Haltern inländischer Fahrzeuge zu zahlen wäre.

Nicht bindend, aber richtungsweisend

Die EU-Kommission hatte 2016 nach langem Ringen grünes Licht für die deutsche Maut gegeben, Österreich klagte im Jahr 2017 beim EuGH (Rechtssache C-591/17). Die Einschätzung des Gutachters ist für die obersten EU-Richter nicht bindend, in vier von fünf Fällen folgen sie ihr aber. Ein Urteil wird frühestens in einigen Wochen erwartet. Bei dem Verfahren wird Österreich von den Niederlanden unterstützt, Deutschland von Dänemark.

Alexander Dobrindt
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Dobrindt (CSU) setzte als deutscher Verkehrsminister die Mautpläne durch

Zudem ist der Generalanwalt der Ansicht, dass die deutschen Behörden „völlig zu Recht die Ansicht vertreten (hätten), dass erstens die Kosten des Autobahnnetzes, die bisher hauptsächlich von den Steuerzahlern getragen würden, gleichmäßig auf alle Nutzer, einschließlich der Fahrer ausländischer Fahrzeuge, aufgeteilt werden müssten“. Zudem würden die Halter inländischer Fahrzeuge einer „unverhältnismäßig hohen Besteuerung unterworfen, wenn sie sowohl der Infrastrukturabgabe als auch der Kfz-Steuer unterlägen“.

Zu deutschen Kontroll- und Vollzugsmaßnahmen wie stichprobenartiger Überwachung, Erhebung einer Sicherheitsleistung, Untersagung der Weiterfahrt vertritt der Generalanwalt die Auffassung, dass Österreich seiner Beweislast dafür, dass diese Maßnahmen zu einer mittelbaren Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit führen würde, nicht nachgekommen sei.

Abgabe im Einklang mit zwei EU-Verkehrspolitik-Dogmen

Zur behaupteten Verletzung des freien Warenverkehrs und des freien Dienstleistungsverkehrs stellt der Generalanwalt fest, dass Österreich im Hinblick auf eine mögliche Auswirkung der Infrastrukturabgabe auf den grenzüberschreitenden Handel keinerlei Nachweise erbracht habe. Es gebe keine Anhaltspunkte, die auf eine Behinderung des Marktzugangs hindeuten könnten. Eine Auswirkung auf die Verkehrsfreiheiten scheine daher ungewiss bzw. allenfalls mittelbar zu sein.

Darüber hinaus stehe die deutsche Infrastrukturabgabe mit zwei anerkannten Dogmen der EU-Verkehrspolitik in Einklang, wonach die Kosten im Zusammenhang mit der Benutzung von Verkehrsinfrastrukturen auf dem „Benutzerprinzip“ und dem „Verursacherprinzip“ beruhen. Österreich habe auch keine weniger günstige Behandlung darlegen können, die die in Rede stehenden Maßnahmen für die Fahrer ausländischer Fahrzeuge bedeuten würden.

Deutscher Verkehrsminister: „Maut europarechtskonform“

Der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) reagierte erleichtert auf die positive Einschätzung des EU-Generalanwalts. Dieser bestätige klar die Rechtsauffassung, dass es keine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit gebe, sagte Scheuer. „Die Maut ist europarechtskonform.“ Die Einschätzung des Gutachters sei ein nächster wichtiger Schritt, um das Mautsystem im Oktober 2020 zum Laufen zu bringen. Die Nutzerfinanzierung durch alle, die die Straßen nutzten, sei richtig und schaffe Gerechtigkeit.

Österreich hat mit seiner Klage gegen die deutsche Pkw-Maut am Mittwoch beim EuGH eine Niederlage erlitten. Der EuGH-Generalanwalt schlug vor, die Klage Österreichs abzuweisen. Die geplante Entlastung deutscher Fahrzeugbesitzer bei der Kfz-Steuer stelle keine Diskriminierung dar, hieß es.

Maut soll im Herbst 2020 starten

Nach derzeitigem Stand soll die Pkw-Maut auf deutschen Straßen im Oktober 2020 starten. Ein entsprechender Vertrag wurde Ende des vergangenen Jahres unterschrieben. Ein deutsch-österreichisches Konsortium hatte ebenfalls zum Jahreswechsel den Zuschlag für die Erhebung der Pkw-Maut in Deutschland erhalten. Es besteht aus der oeticket-Mutter, dem deutschen Konzertveranstalter und Ticketverkäufer CTS Eventim sowie dem österreichischen Mautsystem-Anbieter Kapsch TrafficCom.