Frachthafen von Palermo
Reuters/Tony Gentile
Wirtschaftswachstum

EU-Prognose verschärft Sorge um Italien

Die EU-Kommission blickt weit weniger optimistisch in die nähere Zukunft als noch vor wenigen Monaten. In der am Donnerstag vorgelegten neuen Wirtschaftsprognose erwartet Brüssel für 2019 nur noch ein Wachstum von 1,5 Prozent – im Herbst waren es noch 1,9 Prozent. So wie für nahezu alle EU-Mitgliedsstaaten wird auch in Österreich eine Abschwächung des Wachstums erwartet. Großes Sorgenkind bleibt aber Italien.

Bei keinem anderen Land hat die EU-Kommission ihre Wachstumsprognose für 2019 derart weit nach unten korrigiert – konkret von 1,2 auf nur noch 0,2 Prozent. Damit untermauert die EU-Kommission wohl auch ihre anhaltenden Zweifel an der Wirtschaftspolitik der populistischen italienischen Regierungskoalition, die nach wie vor mit einem Wachstum von einem Prozent rechnet.

Man sehe dieses Wachstum nicht, hieß es dazu am Donnerstag aus Brüssel. So wie die italienische Regierung rechnet zwar die EU-Kommission nun mit einer spürbaren Erholung ab dem zweiten Halbjahr. Mit prognostizierten 0,8 Prozent Wachstum bleibt Italien aber auch 2020 weiter deutlich unter dem EU-Schnitt.

„Beobachten Italien sehr genau“

„Wir beobachten die wirtschaftlichen und fiskalischen Entwicklungen weiter sehr genau“, sagte dazu Wirtschafts- und Währungskommissar Pierre Pierre Moscovici. Eine Bewertung, wie sich die Wachstumsschwäche auf die Staatsfinanzen auswirke, ist dem EU-Kommissar zufolge aktuell zwar noch kein Thema, „das wird aber später kommen“. Deutlicher wurde der Vizechef der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, der von Italien „tiefe Strukturreformen und entschlossenes Handeln“ einforderte.

Nur so könne Italien das hohe Niveau der öffentlichen Schulden senken, so Domkrovskis. Es gehe um eine verantwortliche Politik, die für Stabilität und Vertrauen sorge sowie Investitionen stärke. In der Euro-Zone hat nur Griechenland eine noch höhere Verschuldungsquote. Italiens Regierung plant unterdessen keine Korrekturmaßnahmen, um das Haushaltsdefizit einzudämmen. Gleichwohl räumte der parteilose Finanzminister Giovanni Tria Schwierigkeiten seines Landes ein, an frühere Wachstumszeiten anzuknüpfen.

Es sei aber eher ein konjunktureller Rückschlag als „eine echte Rezession“, sagte Tria vor dem Parlament. Volkswirte sprechen allerdings von einer technischen Rezession, wenn die Wirtschaftsleistung zwei Quartale in Folge schrumpft. Das war in Italien im zweiten Halbjahr 2018 der Fall.

„Luft ausgegangen“

Nach dem Wachstumshöhepunkt im Jahr 2017 hat sich laut Moscovici aber nicht nur in Italien, sondern in beinahe allen EU-Mitgliedsstaaten ab dem zweiten Halbjahr 2018 ein verstärkter Abwärtstrend abgezeichnet. Die EU-Kommission rechnet ab 2020 zwar wieder mit einer spürbaren Erholung – im laufenden Jahr werde sich der Abwärtstrend aber weiter fortsetzen.

Europas Wirtschaftsmotor ist nach den Worten Moscovicis derzeit ein wenig „die Luft ausgegangen“. Die erwartete Abschwächung des Wachstums sei zudem stärker als noch im Herbst angenommen, vor allem in der Euro-Zone, was vor allem auf globale Handelsprobleme, aber auch hausgemachte Schwierigkeiten in den größten Wirtschaften der Währungsunion bedingt seien.

Deutliche Korrektur auch für Deutschland

Den Kommissionszahlen zufolge wird für die gesamte Euro-Zone für heuer nur noch ein Wachstum von 1,3 Prozent erwartet. Die Frühjahrsprognose von 1,9 Prozent wurde damit um fast ein Drittel gekappt. Neben den anhaltenden Problemen für Italien verweist Moscovici hier auch auf die sozialen Spannungen in Frankreich, aber auch die Lage in Deutschland, das die EU-Kommission bei der Wachstumsprognose nun auf dem vorletzten Platz unmittelbar vor Italien listet.

Für dieses Jahr erwartet Brüssel demnach nur noch 1,1 Prozent Wirtschaftswachstum anstatt wie zuvor 1,8 Prozent. Ein wesentlicher Faktor für Deutschland sei die „Verlangsamung seiner Autoproduktion“, der teils Sonderfaktoren wegen der Einführung neuer Emissionsstandards zugrunde lagen.


   Prognose BIP-Wachstum 2019 und 2020 in EU-Ländern – Säulengrafik
Grafik: APA/ORF.at, Quelle: APA/EU-Kommission

„Man weiß nicht, wie es weitergeht“

Eine Wachstumskorrektur nach unten gibt es auch für Österreich. Dort erwartet die Kommission für das laufende Jahr statt der zuvor erwarteten zwei Prozent nur noch 1,6 Prozent. Daran dürfte sich dann auch 2020 nichts ändern – auch für dieses Jahr rechnet die Kommission in Österreich mit einem Wachstum von 1,6 Prozent, was in diesem Jahr auch der Wachstumsprognose für den gesamten Euro-Raum entspricht.

Die EU-Kommission streicht unterdessen hervor, dass es in allen 28 EU-Staaten weiterhin ein Wachstum gebe. In einigen wenigen Ländern sei Moscovici zufolge zudem die Prognose nach oben korrigiert worden. Neben Griechenland gelte das auch für Großbritannien. Angesichts des anstehenden EU-Austritts und der ungelösten Fragen über die Brexit-Folgen seien das allerdings „rein technische Annahmen“, wie Moscovici dazu bemerkte: „Man weiß nicht, wie es weitergeht.“

Für die EU und die Euro-Zone gebe es auch andere „Unwägbarkeiten“, darunter die offenen Handelsfragen mit den USA und China, aber auch eine Zurückhaltung von Investoren. Die EU sei mit einem Wandel mit seinem internationalen wirtschaftlichen Umfeld konfrontiert. Hinter Moscovicis betontem Optimismus steckt indes nicht nur die Hoffnung auf baldige Erholung bei den Wachstumszahlen – gute Prognosen gibt es weiterhin für Europas Arbeitsmarkt. „Gut“ stehe es zudem um Europas privaten Konsum.