Hände tippen auf der Tastatur eines Laptops
ORF.at/Zita Klimek
Überwachungspaket

„Bundestrojaner“ wird Fall für den VfGH

Das im Frühjahr 2018 von der Regierung beschlossene „Sicherheitspaket“ kommt vor den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Die SPÖ hat am Freitag bekanntgegeben, am Montag ihren Drittelantrag einzubringen. Rückendeckung bekommt sie von NEOS.

Der „Bundestrojaner“ ebne den Weg in eine „unerträgliche Überwachungsgesellschaft, in der die Grundrechte der Bürger schwer missachtet werden“, kritisierte SPÖ-Bundesrätin Elisabeth Grimling am Freitag in einer Pressekonferenz, bei der der Antrag für die SPÖ-Verfassungsklage präsentiert wurde.

Die SPÖ wird ihren im Bundesrat einbringen, wo sie selbst über genügend Stimmen verfügt. NEOS hingegen bringt seinen Antrag im Nationalrat ein und hofft auf die – für ein Drittel der Stimmen nötige – Zustimmung der SPÖ. Für eine Prüfung durch den VfGH ist eine Unterstützung von einem Drittel der Abgeordneten nötig.

„Beginn exzessiver staatlicher Gedankenkontrolle“

Die SPÖ lehnte schon in der rot-schwarzen Koalition die jetzt ab 2020 vorgesehene Onlineüberwachung vehement ab, weil sie einen tiefen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte darstelle – und zwar nicht nur Verdächtigter, sondern auch aller, die mit ihnen in Kontakt treten, betonte Justizsprecher Hannes Jarolim. Der „Bundestrojaner“ wäre der Anfang „exzessiver staatlicher Gedankenkontrolle“, kritisierte Jarolim am Freitag. Den NEOS-Drittelantrag des Nationalrats werde man „sicher konstruktiv mittragen“.

Johannes Jarolim
APA/Hans Punz
Jarolim kritisiert das „Unterlaufen von Grund- und Freiheitsrechten“ durch die ÖVP/FPÖ-Regierung

Ausnützen der Sicherheitslücken „trifft alle“

„Das wird uns alle treffen“, warnte Rechtsanwalt Ewald Scheucher vor einem Einstieg in die „Gedankenkontrolle“. Der Zugriff auf verschlüsselte Messenger-Dienste mittels auf Handys und Computer installierter Software erlaube dem Staat die Überwachung aller über WhatsApp oder Skype getätigten privaten Lebensäußerungen.

Dafür müsse der Staat Sicherheitslücken ausnützen – und diese bewusst offen halten, erläuterte der Experte Alexander Czadilek. Und „das trifft alle“. Denn diese Lücken wüssten Kriminelle zu nützen – während sich Terrororganisationen mit „falschen Spuren“ vor der polizeilichen Bespitzelung leicht schützen könnten.

Sicherheitsenquete im Parlament

Die SPÖ plädiert in ihrem Antrag an den VfGH deshalb auch für ein Grundrecht auf die Integrität von IT-Systemen. Eigentlich sei es Aufgabe des Staates, dafür zu sorgen, dass Computer, Handys oder Tablets sicher sind – seien sie doch „eine Art ausgelagertes Gehirn“, auf dem „permanent personenbezogene Daten produziert“ werden, erläuterte Czadilek.

SPÖ klagt gegen Bundestrojaner

Die SPÖ bekämpft eine Spionagesoftware vor dem Verfassungsgerichtshof, welche die Regierung bei Verdacht von schweren Verbrechen wie Terrorismus einsetzen will.

Außerdem wird die SPÖ eine Sicherheitsenquete im Parlament abhalten, um festzustellen, welche Überwachungsmöglichkeiten der Staat jetzt schon hat – und was die Polizei wirklich brauchen würde. Jedenfalls nicht den „Bundestrojaner“, merkte Jarolim an, sondern Personal und „die primitivsten Dinge“ wie Kopierer. Wenn in Wien Polizeipersonal abgebaut werde und die Justiz totgespart, „braucht man über Sicherheit nicht zu reden“, kritisierte der SPÖ-Justizsprecher die Sicherheitspolitik der Regierung.

„Bundestrojaner“ als Vorratsdatenspeicherung light

Das Überwachungspaket der Regierung hat eine deutliche Ausweitung der Überwachung im öffentlichen und im privaten Bereich gebracht. Mit der Novelle erhält die Polizei Zugriff auf einen Großteil der Überwachungskameras im öffentlichen Raum, werden anonyme Wertkartenhandys verboten, wird ein „Bundestrojaner“ ermöglicht und eine Art Vorratsdatenspeicherung light etabliert.

Zum Zugriff auf verschlüsselte Messenger-Dienste die WhatsApp und Skype ist die Installation von Überwachungssoftware auf den Handys und Computern verdächtiger Personen geplant. Dieser „Bundestrojaner“ soll ab 2020 zum Einsatz kommen – und zwar bei Verdacht auf Straftaten, die mit mehr als zehn Jahren Haft bedroht sind (bzw. fünf Jahre, wenn Leib und Leben oder sexuelle Integrität gefährdet sind sowie bei Verdacht auf terroristische Straftaten).

Vom Gegner zum Befürworter

Beschlossen hat die Regierung die Ausweitung der staatlichen Überwachungsmöglichkeiten im April vergangenen Jahres. Dabei hatte die FPÖ die diesbezüglichen Pläne der ÖVP im Wahlkampf noch massiv bekämpft, Generalsekretär Herbert Kickl sprach von „autoritären Denkmustern“ und Stasi-Methoden.

Nach seiner Bestellung zum Innenminister mutierte Kickl zum Befürworter der Überwachungsmaßnahmen. Er begründete seine Zustimmung unter anderem damit, dass das „Sicherheitspaket“ nach drei Jahren evaluiert werden soll.

Maßnahme „kaum angreifbar“

Der „Bundestrojaner“ dürfte jedoch verfassungsrechtlich standhalten. Für den Juristen Bernd-Christian Funk ist die Maßnahme, die im Überwachungspaket der Regierung enthalten ist, „kaum angreifbar“. Er verwies aber auf mögliche technische Fragen. So erhielten Ermittler zu umfangreiche, schwer einzuschränkende Möglichkeiten mit Missbrauchsgefahr.

IT-Experte Otmar Lendl befürchtet, dass die Möglichkeiten bei der Fernüberwachung von Computersystemen kaum einschränkbar seien, was in einzelnen Fällen auch zu Missbrauch führen könnte: „Der Staat nimmt ein großes Schweizer Messer und sagt, du darfst aber nur die kleine Klinge nutzen.“ In der Praxis sei das nur schwer nachvollziehbar. Die vorgesehenen Rechtsschutzbeauftragten seien nur für juristische Fragen, nicht aber für technische zuständig.