Eisbär
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Sibirische Insel

Notstand wegen „aggressiver Eisbären“

Wegen einer „Invasion aggressiver Eisbären“ haben die Behörden der sibirischen Arktis-Insel Nowaja Semlja den Notstand ausgerufen. Dutzende Bären seien in Wohnhäuser und öffentliche Gebäude eingedrungen, hieß es am Samstag zur Begründung. Regionale Behörden setzten bereits einen Hilfsappell ab.

In einem Bericht an die für Nowaja Semlja zuständigen Behörden in Archangelsk hieß es, dass seit dem vergangenen Dezember bereits 52 Polarbären regelmäßig in Beluschja Guba, der Hauptsiedlung der Insel, aufgetaucht seien. Einige von ihnen hätten Menschen angegriffen. Eltern würden Angst haben, ihre Kinder in den Kindergarten und in die Schule gehen zu lassen. Einige Bären würden Menschen „regelrecht jagen“, sagte der Chef der örtlichen Behörde, Schiganscha Musin.

Er lebe seit 1983 auf der Insel, aber „einen Einmarsch so vieler Bären“ habe er noch nie erlebt. Die beschleunigte Eisschmelze in der Arktis als Folge des Klimawandels führt dazu, dass Eisbären sich länger an Land aufhalten. Dort liefern sie sich einen Wettstreit um Nahrung. Eisbären gehören aber zu den gefährdeten Tierarten und dürfen in Russland nicht erlegt werden.

Behörde: Erschießen nicht ausgeschlossen

Eine Abordnung von Fachleuten wollte sich auf den Weg zu der Insel mit ihren rund 3.000 Einwohnern und Einwohnerinnen machen, auf der sich russische Luftstreitkräfte und Luftverteidigungstruppen befinden. Eine Genehmigung zur Erschießung der Bären wurde zunächst nicht erteilt, hieß es. Die Regionalbehörden in Archangelsk erklärten aber, sollten alle anderen Mittel fehlschlagen, könne das Erschießen der Tiere nicht mehr ausgeschlossen werden.

Laut WWF ist der Lebensraum der Eisbären im vergangenen Jahr wieder geschrumpft. Im vergangenen Oktober erreichte das Packeis des zugefrorenen Polarmeeres seine drittgeringste Ausdehnung seit 1979. Somit verblieb den Eisbären auch heuer wenig Zeit, um auf dem Eis zu jagen und sich Fettreserven für den Sommer anzufressen. Abhilfe könnten laut WWF nur eine starke Reduktion der CO2-Emissionen und ein strenger Schutz der Arktis schaffen.

Auf der Suche nach Fressbarem kamen Eisbären im vergangenen Jahr auch auf Grönland den Menschen immer häufiger nahe. Binnen weniger Monate habe es allein im ostgrönländischen Ort Ittoqqortoormiit mindestens 21 Zwischenfälle gegeben, berichtete die dänische Nachrichtenagentur Ritzau unter Berufung auf die Eisbärpatrouille von WWF. Verletzt sei niemand geworden. Vor zehn Jahren waren in einem ganzen Jahr nur neunmal Eisbären im Ort gemeldet worden. Die WWF-Patrouille wird gerufen, wenn ein Eisbär Häusern zu nahe kommt. Sie soll die gefährlichen Tiere abschrecken.

Vorfall auf Spitzbergen: Kritik an Reise

Zuletzt sorgte ein Vorfall auf der norwegischen Inselgruppe Spitzbergen im Nordatlantik für Aufregung. Ein Eisbär griff im Juli vergangenen Jahres ein deutsches Crewmitglied des Kreuzfahrtschiffes „Bremen“ an und verletzte den Mann, der als „Eisbärenwächter“ für Touristen und Touristinnen tätig ist, am Kopf. Der Eisbär wurde von anderen Wächtern „aus Gründen der Notwehr“ erschossen. Kritik wurde am Reiseveranstalter Hapag-Lloyd Cruises geübt, der mit Eisbärensichtungen wirbt.

Unter dem Hashtag „#BoycottHapagLlloydCruises“ riefen etliche Nutzer und Nutzerinnen in Sozialen Netzwerken zum Boykott des Unternehmens auf. „Nur wegen dem Geschäft mit den Touristen wurde ein Eisbär abgeschossen …“, hieß es zum Beispiel auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Die Behörden in Spitzbergen warnen regelmäßig vor der Gefahr, die von Eisbären ausgeht. Die letzte tödliche Attacke eines Eisbären geschah 2011, als ein britischer Student ums Leben kam.

Ein vom Fotografen Paul Nicklen aufgenommenes Video eines hungernden Eisbären wurde Ende 2017 als mahnendes Beispiel für die Folgen des Klimawandels gedeutet. Seit dem Jahr 2008 befindet sich der Eisbär auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Tierarten. Neben dem Klimawandel stellen Jagd und Handel große Gefahren für die Population der Tierart dar. In der Wildnis leben nach Angaben der Umweltorganisation WWF nur noch 22.000 Eisbären. Geht die Eisschmelze weiter wie bisher, rechnen Fachleute mit einem schnellen und starken Rückgang der Population.