Fahnen der österreichischen Bundesländer
ORF.at/Roland Winkler
SPÖ-Vetodrohung

Bundesrat im Bann von Ökostrom

Die in dieser Woche im Bundesrat anstehende Abstimmung über die Ökostromgesetzesnovelle lässt weiter die Wogen hochgehen. Hintergrund ist eine Vetodrohung der SPÖ, weswegen in der zweiten Parlamentskammer erstmals ein im Nationalrat beschlossenes Gesetz noch zu Fall gebracht werden könnte.

„Wenn die ÖVP auf uns zukommt, werden wir natürlich reden, aber es gibt im Bundesrat nur mehr zwei Möglichkeiten: Runter von der Tagesordnung oder wir lehnen es ab“, sagte die Vorsitzende der SPÖ-Bundesratsfraktion, Inge Posch-Gruska, am Montag in einer Pressekonferenz. Der SPÖ-Abgeordneten zufolge gibt es im Bundesrat „auch nicht die Möglichkeit, diesen Gesetzesentwurf noch zu ändern“.

„Es werden alle da sein“

Die SPÖ hat im Bundesrat genug Stimmen, um Gesetze, die in der Länderkammer eine Zweidrittelmehrheit brauchen, zu blockieren. Von den 21 roten Bundesräten darf aber keiner fehlen oder von der Parteilinie abweichen. Posch-Gruska geht in diesem Zusammenhang aber „von einer Disziplin aus“ und erwartet auch vollständiges Erscheinen: „Es werden alle da sein.“

Laut dem Parlamentsexperten Werner Zögernitz wäre es das erste Mal, dass ein Gesetz am absoluten Vetorecht des Bundesrates scheitert. Ein absolutes Veto habe die negative Beendigung des Gesetzgebungsverfahrens zur Folge. Normalerweise kann der Nationalrat die Länderkammer mit einem Beharrungsbeschluss überstimmen, nicht allerdings bei Verfassungsgesetzen oder Bestimmungen, durch die Kompetenzen der Länder eingeschränkt werden.

Gemeinsamer Brief von ÖVP, FPÖ und NEOS

Bei der im Jänner im Nationalrat mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit (ÖVP, FPÖ und NEOS) beschlossenen Gesetzesnovelle geht es um eine Übergangsregelung zum Ökostromgesetz. Diese sieht vor, dass mit 140 Millionen Euro 47 Biomasseanlagen für die nächsten drei Jahre gefördert werden. Ihre Förderungen wären zwischen Anfang 2017 und Ende 2019 ausgelaufen. Mit der Übergangsregelung soll ihr Fortbestand bis zu einer grundsätzlichen Neufassung der Ökostromförderung gesichert werden. Insgesamt werden derzeit 134 Biomassekraftwerke gefördert.

Angesichts der drohenden Blockade im Bundesrat sind Regierungsparteien ÖVP und FPÖ mit Unterstützung von NEOS weiter um Umstimmung der SPÖ bemüht. Neben einem gemeinsamen Brief an die SPÖ haben die drei Parteien unter dem Titel
„Wer Ökostrom abdreht, dreht Atomstrom auf“ für Dienstag zudem zu einer gemeinsamen Pressekonferenz geladen.

Von Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) gibt es nach Angaben der Zeitung „Österreich“ (Montag-Ausgabe) zudem ein Schreiben an die SPÖ-Landeshauptleute von Wien, Kärnten und dem Burgenland. Das Schreiben an den Wiener Bürgermeister Michael Ludwig enthalte den Angaben zufolge auch die Warnung, dass auch das Biomassekraftwerk in Simmering keine Förderung mehr erhielte.

Biomasse Kraftwerk Simmering gefährdet

Angesichts der nun im Bundesrat zur Abstimmung stehenden Ökostromnovelle wurde zuletzt auch die Zukunft des Biomassekraftwerks Simmering infrage gestellt.

SPÖ und Jetzt schrieben an Bundesräte

Mit einem Appell an ÖVP und FPÖ, zur umstrittenen Biomasseförderung an den Verhandlungstisch zurückzukehren, wollen SPÖ und Jetzt Bewegung in den festgefahrenen Disput bringen. Dienstagfrüh richteten sie ein Schreiben an alle Bundesratsmandatare. Im Rahmen des Erneuerbaren-Ausbaugesetzes sollten die Regierungsparteien mit der SPÖ und Jetzt „eine tragfähig Lösung für die Biomasse erarbeiten“, um das Ziel von 100 Prozent erneuerbarer Stromerzeugung, bilanziell über ein ganzes Jahr, bis 2030 erreichen zu können. Zugleich wird in dem Schreiben, das der APA vorliegt, aber erneut betont, dass die im Nationalrat am 30. Jänner von ÖVP, FPÖ und NEOS beschlossene Novelle abzulehnen sei.

Für SPÖ und Jetzt würden sich bei der Novelle eine Reihe von Fragen stellen, heißt es weiter: welche Anlagen in den Genuss der Biomasse-Nachfolgetarife kommen, wie hoch die Tarife für die einzelnen Anlagenkategorien seien, wie hoch die Gesamthöhe des Fördervolumens sei und welche Anreize für besonders effiziente Anlagen gesetzt würden, so der Brief. Die Beantwortung dieser Fragen habe man immer eingefordert, ehe es zu einer Beschlussfassung im Parlament komme. Ohne Zustimmung der SPÖ sei im Bundesrat kein Beschluss möglich – dennoch hätten bisher seit der Beschlussfassung im Nationalrat keine Gespräche mit der SPÖ-Fraktion stattgefunden. Die behauptete Rettung von 47 Biomasseanlagen durch den vorliegenden Gesetzesentwurf sei nicht gewährleistet, kritisieren SPÖ und Jetzt in dem Brief weiter – denn viele der Anlagen würden die gesetzlich vorgeschriebenen Anforderungen gar nicht erfüllen.

Gegen „Scheinlösungen“ und „Gesetzespfusch“

In der SPÖ hieß es am Montag weiter, man habe mit den Ländern Kontakt aufgenommen, „und bei diesen Gesprächen sind wir draufgekommen, dass es Kraftwerksbetreiber gibt, die selbst sagen: ‚Nein, dieses Gesetz brauchen wir nicht, dieses Gesetz hilft uns in unserer Arbeit nicht‘“, sagte Posch-Gruska. Kern der SPÖ-Kritik bleiben die im Gesetz vermissten konkreten Einspeistarife. Zudem sei unklar, welche der rund 140 Anlagenbetreiber von diesen garantierten Abnahmepreisen profitieren sollen.

Geht es nach dem stellvertretenden SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried gelte beim Thema erneuerbare Energien auch bei der SPÖ grundsätzlich das Motto „je mehr desto besser“. Man sei allerdings gegen „Scheinlösungen und Gesetzespfusch“, so Leichtfried, der zudem befürchtet: „So wie das Gesetz vorliegt und wie die Tarife nach dem Entwurf der ÖVP-Umweltministerin sein werden, werden sehr viele Betreiber von Biomasseanlagen nicht weitermachen können.“

Verweis auf 2017 beschlossenes Gesetz

Dem trat am Montag die ÖVP entgegen. Bei dem Gesetz handle es sich um eine Überbrückungsmaßnahme, also lediglich um die Verlängerung des bestehenden Gesetzes – eines, dass zuletzt 2017 unter der rot-schwarzen Regierung von der SPÖ mitbeschlossen wurde, wie Energiesprecher Josef Lettenbichler sagte. „Die vorliegende Novelle ist im Großen und Ganzen deckungsgleich damit.“ Für Verhandlungen und ein neues Gesetz mit Begutachtungsfrist bleibe Lettenbichler zufolge keine Zeit mehr.

Gegen das Gesetz ist neben der SPÖ auch Jetzt (früher Liste Pilz). „Die Regierung hat es verabsäumt, rechtzeitig eine vernünftige und umfassende Lösung auf den Weg zu bringen und will nun in mittlerweile schon gewohnter ‚Husch-Pfusch-Manier‘ ein paar unwirtschaftliche Anlagen mit Steuermillionen künstlich am Leben erhalten“, kritisierte Energiesprecher und Klubobmann Bruno Rossmann.

Grüne kritisieren Klimastrategie – stimmen aber zu

Die Grünen, die zwei der 61 Bundesräte stellen, werden der Novelle hingegen zustimmen. Angesichts der laufenden Klimakrise sei die Klima- und Energiestrategie zwar noch weit von der hier erforderlichen radikalen Energiewende entfernt, wie der Grüne Bundesrat David Stögmüller dazu mitteilte, ohne eine Novellierung würden aber 47 Ökostromanlagen vor dem Aus stehen, so Stögmüller. Aus diesem Grund „werden die Grünen der vorliegenden Ökostromnovelle mit einer Verlängerung der Förderungen im Bereich der Biomasse im Bundesrat zustimmen“.

„Biomasse ist planbar“

Für die Biomasseförderung ist auch die Stromwirtschaft. „Wenn wir die Ziele 2030 erreichen wollen, und das sind nur mehr knapp zehn Jahre, dann müssen wir alle verfügbaren Technologien einsetzen, das ist natürlich im ganz wesentlichen Maße Wasserkraft, das ist Windkraft, das ist auch die Photovoltaik, aber die Biomasse hat einen wesentlichen Vorteil, sie ist planbar“, sagte Leonhard Schitter von Oesterreichs Energie am Montag im Ö1-Mittagsjournal – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Der Österreichische Biomasseverband kritisierte unter anderem die von der SPÖ georderte gesetzliche Festlegung der Ökostromtarife als „absolutes Novum“. Zudem habe die Regierung bereits einer nachträglichen Anpassung der Folgetarife per Verordnung zugesichert. „Ohne eine Ökostromgesetznovelle fallen die betroffenen Werke aber auf jeden Fall aus der Förderung“, wie der Biomasseverband dazu noch anmerkte.