Spaniens Premierminister Pedro Sanchez
Reuters/Sergio Perez
Spanien vor Neuwahl?

Sanchez zunehmend mit Rücken zur Wand

Am Mittwoch steht im spanischen Parlament die mit Spannung erwartete Abstimmung über den Budgetplan des spanischen Premiers Pedro Sanchez auf dem Programm. Eine Mehrheit erscheint mehr als ungewiss. Im Vorfeld des Votums offenbart sich der immer enger werdende Spielraum, in dem sich die im Vorjahr für viele überraschend an die Macht gekommene Spanische Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) bewegt.

Der PSOE gelang Ende Mai 2018 das Kunststück, erstmals in der demokratischen Geschichte des Landes eine Regierung per Misstrauensantrag zu stürzen, womit PSOE-Chef Sanchez automatisch zum Nachfolger des konservativen Premiers Mariano Rajoy wurde. Allerdings verfügt die PSOE nach ihrer Schlappe bei der letzten Parlamentswahl im Jahr 2016 nur über 84 der insgesamt 350 Sitze im spanischen Parlament.

Die Regierung des 46-jährigen Sanchez stand somit von Anfang an auf wackligen Beinen – er konnte zur Mehrheitsfindung neben der linkspopulistischen Bewegung Podemos und der Baskischen Nationalistischen Partei (PNV) aber auch auf zwei separatistische Parteien aus Katalonien setzen. Auch beim erst im Jänner vom Kabinett beschlossenen Budget ist Sanchez nun auf die 17 Stimmen der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) und der Katalanischen Europäischen Demokratischen Partei (PDeCAT) angewiesen – diese kündigten an, der Regierung diesmal die Gefolgschaft zu verweigern.

„Geisel“ der Katalanen

Hintergrund ist der am Dienstag vor dem Obersten Gerichtshof in Madrid begonnene Prozess gegen zwölf führende Vertreter der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung. Der auf drei Monate angesetzte Prozess spaltet das Land. Umstritten ist unter anderem der Vorwurf der gewaltsamen „Rebellion“, aufgrund dessen den Angeklagten Haftstrafen von bis zu 25 Jahren drohen.

Prozessauftakt in Spanien
Reuters/J.J. Guillen
Zwölf führenden Vertretern der katalanischen Unabhängigkeitserklärung wird seit Dienstag in Madrid der Prozess gemacht

Vertreter der katalanischen Separatistenparteien fordern unter anderem, dass sich der Regierungschef gegen harte Urteile ausspricht und zudem einer Debatte über das Selbstbestimmungsrecht der Katalanen zustimmt. Wegen Forderungen wie diesen bezeichnete etwa die konservative Tageszeitung „El Mundo“ den spanischen Premier als „Geisel“ der Katalanen. Außer Frage steht: Sollte keine Seite einlenken und die Katalanen gemeinsam mit der konservativen Opposition gegen die Budgetpläne der Regierung stimmen, wird es für die Regierung Sanchez eng.

Parlamentswahl am 14. April?

Auch Sanchez schloss eine vorgezogene Parlamentswahl nicht mehr aus. Mit dem 14. April brachte er am Montag einen möglichen Termin der an sich erst 2020 antstehenden Parlamentswahl ins Spiel. Spanische Medien spekulierten zuvor über einen möglichen „Supersonntag“ am 26. Mai. Neben der Europawahl stehen an diesem Tag in Spanien auch mehrere regionale Urnengänge auf dem Programm.

Der Politologe Pablo Simon ortet im Vorstoß Sanchez’ indes eine klare Strategie. Der Premier versuche „den Separatisten Angst zu machen. Denn sollte bei Neuwahlen wie zu erwarten eine rechtskonservative Koalition zwischen Volkspartei und Ciudadanos die Macht übernehmen, ist es mit der bisher dialogbereiten Katalonien-Politik der Sozialisten vorbei, und es beginnt wieder die Politik der harten Hand“. Medienberichten zufolge könnte das Kataloniens Separatisten aber auch gelegen kommen, da sie bei einer wieder verschärften Konfrontation mit Madrid auch wieder auf mehr Wählerstimmen hoffen könnten.

Proteste in Spanien
AP/Andrea Comas
Zehntausende folgten am Sonntag dem Ruf der Opposition und forderten auf Madrids Straßen eine vorgezogene Neuwahl

„Sanchez hat uns belogen“

Sanchez wird unterdessen auch von einer immer lauter werdenden Neuwahlforderung der Opposition bedrängt. Erst am Sonntag folgten Zehntausende dem Aufruf der konservativen Volkspartei (PP), der liberalen Ciudadanos und der rechtspopulistischen Vox, in Madrid für eine Neuwahl auf die Straße zu gehen. Der Hauptvorwurf: Die Regierung sei den Separatisten gegenüber zu nachgiebig. Sanchez sei ein „Verräter“, der die Einheit des Landes aufs Spiel setze, sagen die politischen Gegner.

Sanchez sieht sich aber auch mit dem Vorwurf konfrontiert, dass er nach seinem Amtsantritt eine baldige Neuwahl in Aussicht gestellt und das nicht eingelöst hat. „Sanchez hat uns betrogen und gesagt, dass es Wahlen geben wird, aber das ist bis heute nicht der Fall. Jetzt wird er uns zuhören“, sagte Ciudadanos-Chef Albert Rivera. Die Abgeordneten von Ciudadanos hatten beim Misstrauensvotum im Juni 2018 für Rajoy gestimmt.

Jüngsten Umfragen zufolge könnte Sanchez’ PSOE bei einer vorgezogenen Parlamentswahl zwar stärkste Partei werden, für PP und Ciuadadanos gibt es mit Vox aber einen möglichen neuen Bündnispartner und somit eine größere Chance auf eine Regierungsmehrheit. Ein Vorbild für dieses Bündnis gibt es bereits in Andalusien, wo PP und Ciuadadanos mit Hilfe der Vox-Stimmen erst vor wenigen Wochen die Regierung bildeten.