Archivbild aus dem jahr 2017: Joaquin „El Chapo“ Guzman wird von zwei DEA-Agenten abgeführt
AP/U.S. law enforcement
Lebenslange Haft erwartet

Drogenboss „El Chapo“ schuldig gesprochen

Der mexikanische Drogenboss Joaquin „El Chapo“ Guzman ist in seinem Strafprozess am Dienstag schuldig gesprochen worden. Die Jury in New York sah die Schuld des 61-Jährigen in allen zehn Anklagepunkten als erwiesen an. Das Strafmaß steht noch aus – Guzman muss mit lebenslanger Haft rechnen.

Mit der Verkündung des Strafmaßes wird am 25. Juni gerechnet, schrieb die „New York Times“. Richter Brian Cogan verkündete nach dem elfwöchigen Prozess am Dienstagnachmittag das Urteil. Für den schwersten Anklagepunkt, die Beteiligung an einer Verbrecherorganisation, schreibt das Strafgesetzbuch der USA lebenslange Haft vor. Er kann keinen Antrag auf vorzeitige Entlassung stellen und dürfte damit bis zu seinem Tod im Gefängnis bleiben.

Die nach US-Bundesgesetz zulässige Todesstrafe war in dem Verfahren nach einer Einigung zwischen den USA und Mexiko, das Guzman nach seiner Festnahme ausgeliefert hatte, ausgeschlossen. Die weiteren der insgesamt zehn Anklagepunkte drehten sich um die Herstellung und internationale Verbreitung von Kokain, Heroin, Methamphetamin und Marihuana sowie den Gebrauch von Schusswaffen und Geldwäsche. Laut Anklage soll das Sinaloa-Kartell unter Führung von Guzman zwischen 1989 und 2014 fast 155 Tonnen Kokain und große Mengen anderer Drogen in die USA geschmuggelt haben.

Gerichtszeichnung zeigt Joaquin „El Chapo“ Guzman mit seiner Anwältin
AP/Elizabeth Williams/Elizabeth Williams
Der Prozess um „El Chapo“, auf Gerichtszeichnungen mit deutlich verändertem Aussehen, dauerte elf Wochen

Guzman, der wegen seiner Körpergröße von 1,64 Meter den Spitznamen „El Chapo“ („der Kurze“) trägt, hörte bei Verlesung des Urteils genau zu. Er blickte dabei durch den Saal zu seiner Frau Emma Coronel und hob den Daumen. Dann wurde er abgeführt. Cogan dankte der Jury für ihr Durchhaltevermögen in dem langen Verfahren, einem der größten Strafprozesse um Drogenkriminalität in der Geschichte der USA.

Sinaloa-Kartell

Das transnationale Sinaloa-Kartell, benannt nach dem Bundesstaat im Westen Mexikos, ist laut New Yorker Staatsanwaltschaft die „größte und produktivste Organisation des Drogenhandels der Welt“.

Geschworene berieten 35 Stunden

Rund 35 Stunden über sechs Tage hatte die zwölfköpfige Jury aus acht Frauen und vier Männern über Guzmans Schuld oder Unschuld diskutiert. Auch eine Verurteilung in nur einem oder einigen der Anklagepunkte hätte für Guzman ebenfalls eine jahrelange oder lebenslange Haftstrafe bedeutet. Ein Freispruch schien angesichts der teils erdrückenden Beweislast sehr unwahrscheinlich.

Die Staatsanwaltschaft hatte in dem Prozess über zweieinhalb Monate massenhaft Beweismaterial vorgelegt und mehr als 50 Zeugen aufgerufen. Guzmans Anwälte riefen dagegen nur einen einzigen Zeugen auf und beendeten ihre Verteidigung des Falls innerhalb von 30 Minuten. Ihre Strategie bestand im Wesentlichen darin, die Zeugen der US-Regierung als Lügner darzustellen, die durch Aussagen gegen Guzman lediglich eigene Haftstrafen verringern wollten. Guzman selbst hatte darauf verzichtet auszusagen.

die Ehefrau von Joaquin „El Chapo“ Guzman, Emma Coronel Aispuro
AP/Elizabeth Williams/Elizabeth Williams
Guzmans 29 Jahre alte Frau Emma Coronel, eine ehemalige Schönheitskönigin, war immer wieder zum Prozess erschienen

US-Regierung zufrieden

Nach dem Schuldspruch feiert die US-Regierung „El Chapos“ Verurteilung als großen Erfolg. Guzmans „kriminelles Unternehmen flutete die Straßen der Vereinigten Staaten mit Hunderten Tonnen Kokain sowie enormen Mengen anderer gefährlicher Drogen wie Heroin und Methamphetamin“, so der amtierende US-Justizminister Matthew Whitaker nach dem Urteil am Dienstag.

Guzman habe unaufhörlich versucht, den Einfluss des von ihm geführten Sinaloa-Kartells auszubauen und an Macht zu gewinnen, so Whitaker. Das habe zu einer „Welle der Korruption und Gewalt“ in Mexiko sowie in den USA geführt. Das Urteil zeige die „herausragende Reichweite der US-Regierung“ und sei in dem Kampf gegen Drogenschmuggel eine „unwiderlegbare Botschaft an die in Mexiko verbleibenden Hauptakteure, dass sie letztlich festgenommen und verurteilt werden“. Die USA und Mexiko würden weiter mit allen Mitteln gegen Drogenschmuggler und deren Organisationen kämpfen.

Experten: Sinaloa-Kartell weiterhin stark

Staatsanwalt Richard Donoghue sagte, Guzmans „blutige Herrschaft an der Spitze des Sinaloa-Kartells ist beendet, und der Mythos, dass er nicht zur Rechenschaft gezogen werden könne, ist widerlegt“. Unter anderem lobten auch Heimatschutzministerin Kirstjen Nielsen und die Spitzen der Drogenbekämpfungsbehörde DEA und der Bundespolizei FBI das Urteil.

Nach Ansicht von Experten wird Guzmans Verurteilung dem Sinaloa-Kartell aber nicht wirklich schaden. Die kriminelle Organisation sei so wichtig, dass sie den Verlust eines bekannten Mitglieds gut verkraften könne, sagte Javier Oliva, Analyst für Sicherheitsthemen in Mexiko. Die Präsenz des Kartells sei ungebrochen.

Laut dem nationalen Bericht der US-Strafverfolgungsbehörde für Drogendelikte aus dem vergangenen Jahr hält das Sinaloa-Kartell immer noch den größten Anteil am Geschäft in den Vereinigten Staaten. Konkurrenz bekommt die Organisation in den USA aber vonseiten des Kartells Jalisco Nueva Generacion (CJNG), das dem Syndikat auch in Mexiko immer mehr Druck macht.

Anwalt kündigte Berufung an

„El Chapos“ Anwalt Jeffrey Lichtman kündigte umgehend an, Berufung einzulegen. „Natürlich werden wir in Berufung gehen“, sagte er vor Journalisten. „Der Kampf ist noch nicht vorbei“, sagte Lichtman. Über den äußerst harten Gerichtsprozess sagte er: „Wir haben wie die Teufel gekämpft.“

Verteidiger Eduardo Balarezo kritisierte den Prozess als „"Show“, um „amerikanisches Können und Macht zu demonstrieren“. „Die US-Regierung weiß sehr wohl, dass sich mit El Chapos Verurteilung nichts geändert hat und nichts ändern wird“, schrieb Balarezo auf Twitter. Guzman nahm den Schuldspruch seinen Anwälten zufolge „positiv“ hin. „Wir waren ganz ehrlich gesagt mehr verärgert als er“, sagte Anwalt Lichtman. „Er ist ein sehr optimistischer Typ, er hat uns wieder bessere Laune gemacht.“

Ort für Verbüßung von Haft noch offen

Guzman ist derzeit in einem Hochsicherheitsgefängnis in New Yorks Stadtteil Manhattan eingesperrt. Offen ist, ob er seine Strafe dort absitzen soll oder in eine andere Haftanstalt verlegt wird. In Mexiko gelang es Guzman bereits zweimal, aus dem Gefängnis auszubrechen: 2001 entkam er in einem Wäschekorb und 2015 durch einen Tunnel, den Komplizen bis unter seine Zelle gegraben hatten.

Guzman könnte in ein Gefängnis im US-Bundesstaat Colorado überführt werden. Wegen der nahegelegenen Rocky Mountains hat es den Beinahmen „Alcatraz der Rockies“ und gilt als eine der sichersten Haftanstalten der USA.