Flüchtlinge auf einem Boot vor der Weihnachtsinsel
AP
Australien

Berüchtigtes Flüchtlingslager öffnet wieder

Im Streit über Australiens Flüchtlingspolitik hat die rechtsliberale Regierung kürzlich eine schwere parlamentarische Niederlage erlitten. Wenige Wochen vor der Parlamentswahl reagiert der in Bedrängnis geratene Premierminister Scott Morrison mit der Wiedereröffnung eines berüchtigten Flüchtlingslagers.

Erst im Oktober hatte Australien das Flüchtlingslager auf der abgelegen Weihnachtsinsel südlich von Jakarta geschlossen, nachdem es dort wiederholt zu Todesfällen, Aufständen, mutmaßlichen Vergewaltigungen und Selbstverletzungen gekommen war. Einwanderungsminister David Coleman sagte damals, das Haftzentrum werde in einem Bereitschaftszustand gehalten, um es bei Bedarf schnell wieder öffnen zu können. Nun ist es so weit.

Mit der Wiedereröffnung des Lagers solle auf einen zu erwartenden Anstieg der Flüchtlingszahlen reagiert werden, sagte der konservative Premier Morrison am Mittwoch. Morrison hatte am Dienstag im Unterhaus eine herbe Niederlage erlitten. Die Abgeordneten stimmten mit knapper Mehrheit für einen Gesetzesentwurf der Opposition zur medizinischen Versorgung von Flüchtlingen, den seine konservative Minderheitsregierung abgelehnt hatte.

Australiens Premierminister Scott Morrison
APA/AFP/Saeed Khan
Premier Morrison kämpft um seine Wiederwahl – derzeit stehen die Chancen schlecht

Medizinische Behandlungen auf dem Festland

Nach dem Unterhaus stimmte auch der Senat der Neuregelung zu. Damit wird es für Asylsuchende, die in Flüchtlingslagern auf abgelegenen Inseln festgehalten werden, künftig erheblich einfacher, sich bei einer Erkrankung auf dem australischen Kontinent behandeln zu lassen – bisher war das nahezu unmöglich. Auf den Pazifikinseln Manus und Nauru bringt Australiens Regierung seit dem Jahr 2013 Flüchtlinge unter, die sie nicht einreisen lassen will. Derzeit sind es etwa tausend.

Morrison sagte am Mittwoch, diese Änderung gebe Menschen neue Anreize, die Überfahrt nach Australien zu wagen – weswegen er das Lager auf der Weihnachtsinsel wiedereröffnen wolle. Der Opposition warf der Premier vor, die Grenzen des Landes zu schwächen. Er sprach von einem „verrückten Gesetz“.

Schlechte Vorzeichen für Parlamentswahl

Es war das erste Mal seit Jahrzehnten, dass eine australische Regierung eine Abstimmung über ein wichtiges Gesetz verliert. 1929 hatte der damalige Premierminister Stanley Bruce nach einer entscheidenden Abstimmungsniederlage Neuwahlen ausgerufen und diese verloren. 1941 war Regierungschef Arthur Fadden zurückgetreten, nachdem sein Haushaltsgesetz im Parlament durchgefallen war.

In Australien muss bis Ende Mai gewählt werden, einen genauen Termin gibt es noch nicht. In den Umfragen liegt die sozialdemokratische Labor-Partei deutlich vorn. Die konservative Liberale Partei hatte im vergangenen Sommer ihren eigenen Premierminister Malcolm Turnbull gestürzt. Mit dessen Abschied aus dem Parlament verlor das Regierungslager auch die Mehrheit.

Vielfach kritisiert, teils bewundert

Australien steht wegen seiner harschen Politik zur Abschreckung von Flüchtlingen seit Jahren in der Kritik. Die Geflüchteten sitzen auf der zu Papua-Neuguinea gehörenden Insel Manus und im Inselstaat Nauru meist über Jahre fest, immer wieder gab es Berichte über gravierende Missstände. Erst im Dezember hatte Ärzte ohne Grenzen (MSF) eine Studie veröffentlicht, laut der unter den dort untergebrachte Menschen „extreme psychische Leiden“ herrschen. 30 Prozent von 208 untersuchten Flüchtlinge hätten bereits einen Suizidversuch hinter sich. 60 Prozent gaben an, unter Suizidgedanken zu leiden. Laut MSF war die Organisation kaum jemals mit derartig ausgeprägten mentalen Leiden konfrontiert.

Von einigen Staaten allerdings wird die australische Einwanderungspolitik immer wieder als Vorbild angeführt. „Mein Ziel ist das australische ‚No Way‘-Modell. Kein im Meer geretteter Migrant darf australischen Boden betreten, das soll auch für Italien gelten“, sagte etwa der italienische Innenminister Matteo Salvini im Sommer in einem Radiointerview. Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat wiederholt gefordert, dass sich die EU Teile der australischen Einwanderungspolitik zum Vorbild nehmen solle.