Verfassungsschutz-Chef Peter Gridling
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Gridling im U-Ausschuss

„Verlockende direkte Wege“ ins BVT

BVT-Chef Peter Gridling ist am Mittwoch zum zweiten Mal in den U-Ausschuss zur Untersuchung der Vorgänge im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) geladen gewesen. Die Opposition stürzte sich bei der Befragung insbesondere auf den Werdegang des Ex-BVT-Spionageabwehrchefs P., der als Beispiel für Querverstrebungen zwischen ÖVP und dem BVT gilt.

Thema war eingangs eine E-Mail von Gridling an Ex-BVT-Chef Wolfgang Zöhrer und alle Abteilungsleiter mit durchaus vielsagendem Inhalt: Darin enthalten war nämlich eine Anweisung, dass Kommunikation der Dienststellen nicht direkt mit dem Kabinett zu erfolgen hat, ohne dass die Amtsleitung davon Kenntnis erlangt.

„Manche Mitarbeiter haben sich von der Pflicht, die Amtsleitung zu informieren, entbunden gefühlt“, führte Gridling aus – es handle sich um Mitarbeiter mit persönlichen guten Beziehungen zum Minister und zu dessen Entourage. Es habe sich um ein immer wieder auftretendes Problem gehandelt und sei von mehreren Personen ausgegangen.

Spionageabwehrchef P. wieder im Fokus

Insbesondere der damalige Spionageabwehrchef P. sei aufgrund seiner Vergangenheit sehr gut vernetzt gewesen, kein anderer Referatsleiter habe derartige Kontakte gehabt. P. habe sich sehr unzufrieden darüber geäußert, dass Daten nach einer gewissen Zeit zu löschen waren, sagte Gridling – ob P. Kopien von Datensätzen angefertigt habe, entziehe sich seiner Kenntnis. „Man kann nicht im großen Stil von der Datenbank Daten herauskopieren“, so Gridling, „das könnte nur die IKT-Abteilung oder die Softwarefirma.“ Man könnte aber Dokumente ausdrucken.

Anweisung brachte „ein bisschen“ Verbesserung

Mit der Zeit bilde sich in den Ministerbüros „ein Wissen“ heraus, wer im BVT wofür zuständig ist, schilderte Gridling, „und da ist die Verlockung groß, den direkten Weg zu gehen und den Dienstweg nicht einzuhalten“, aber das sei natürlich inakzeptabel. „Hat sich nach Ihrer Anweisung etwas verbessert?“ – „Ein bisschen“, sagte Gridling. Der BVT-Chef bejahte indirekt, dass P. einer jener gewesen sei, die besonders viele Direktkontakte pflegten.

Verfassungsschutz-Chef Peter Gridling
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Gridling bei seiner Ankunft vor dem Ausschusslokal

P. sei auch nicht der Einzige gewesen, der von einer Gesetzesänderung profitierte, so Gridling. Dabei ging es um eine Novelle, über die P. dann mit Exekutivgewalt ausgestattet wurde und somit Waffen tragen und Observationen anleiten und Informanten führen durfte. Auf entsprechende Frage von ÖVP-Fraktionsführer Werner Amon durfte Gridling ausführen: Es sei manchmal wichtig, Personen ohne Polizeiausbildung mit Exekutivgewalt auszustatten, die Personen müssten aber bestimmte Kenntnisse vorweisen.

Gridling hatte wegen P. „Bedenken“

Dass sich P. besonders für die Novelle eingesetzt habe, sei ihm nicht bekannt, so Gridling. Auch sei er nicht der Einzige gewesen, der von der Novelle profitiert habe. Wie P. ins BVT kam, entziehe sich seiner Kenntnis, so Gridling – zu dieser Zeit habe er noch bei Europol gearbeitet. Doch bestätigte Gridling, dass sich der damalige ÖVP-Sicherheitssprecher Günter Kößl für P.s Beförderung eingesetzt hatte.

BVT-Chef Gridling neuerlich Zeuge im U-Ausschuss

Der Chef des Verfassungsschutzes hatte keine Wahrnehmung über kriminelle Netzwerke im BVT. Sehr wohl habe es aber durchaus fragwürdige Postenbesetzungen gegeben.

„Er hat bei mir vorgesprochen und gesagt, P. wäre ein guter Kandidat. Ich war nicht seiner Meinung, weil P. weder Polizist noch Jurist war und ich Bedenken hatte, ihn auf einer Stelle zu verwenden, wo es womöglich dazu kommt, Befehls- und Zwangsgewalt auszuüben. Ich habe meine Bedenken Kößl, der Generaldirektion und dem Kabinett mitgeteilt. Aber wir entscheiden das nicht, das macht die Sektion I.“

Eindrücke vom BVT-U-Ausschuss
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Gridling wollte im Ausschusslokal nicht fotografiert werden – der Kameraschwenk fand ohne ihn statt

P. wurde trotz Gridlings Bedenken eingestellt – er habe wegen seiner Befürchtung, dass es der Arbeit des Referats schaden könnte, BVT-Vize Zöhrer gebeten, ein Auge auf das Referat zu haben und notfalls abfedernde Maßnahmen zu treffen. Schließlich habe P. keinen Hehl aus seinem politischen Hintergrund gemacht. Es sei „im BVT durchaus bekannt, dass er gute Kontakte zu Abgeordneten gepflegt hat und zu Ministern“.

„Keine Wahrnehmungen zu kriminellem Netzwerk“

Ob es Interventionen des damaligen Kabinettschefs des Innenministeriums, Michael Kloibmüller, gegeben habe, entziehe sich seiner Kenntnis, so Gridling. Im Konvolut, also in den gesammelten Anschuldigungen gegen das BVT, werde Kloibmüller als „Kopf dieses kriminellen Netzwerks“ bezeichnet. „Ich habe keine Wahrnehmungen zu einem kriminellen Netzwerk“, so Gridling. Es habe gehäuft direkte Anfragen Kloibmüllers an Dienststellen im BVT gegeben. Ob das Interventionen waren, wisse er nicht, so Gridling.

„Dingendes Treffen“ zwischen Amon und P.

P., mit Kloibmüller eng verbunden, soll einen Akt so manipuliert haben, dass er quasi nicht mehr auffindbar gewesen sei, so Jetzt-Parlamentarierin Alma Zadic: „Klar ist, dass er ursprünglich nicht aufgefunden werden konnte“, sagte Gridling: Im Endeffekt habe man den Fall „ganz normal“ abwickeln können. P. habe damals den ursprünglichen Sachbearbeiter abgezogen, warum, wisse er nicht, sagte Gridling.

Verfassungsschutz-Chef Peter Gridling
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Keine Interviews zum Abgang – Gridling sauste an den Journalisten vorbei

Auch die Rolle von ÖVP-Fraktionsführer Amon wollte die Opposition herausarbeiten. Am 25. März 2017 habe Gridling aus anonymer Quelle den USB-Stick mit Daten des SPÖ-nahen Anwalts Gabriel Lansky erhalten. Einen Tag später gab es laut Zadic ein „dringendes Treffen“ zwischen Amon und Spionagechef P.: Gridling erkannte „ein zeitliches Naheverhältnis“. Ob sich ihm die Dringlichkeit erschließe, fragte Zadic. „Tut mir leid“, so Gridling.

Auch Bundesheermajor F. war Thema

Auch der Umbau im BVT und von der Opposition vermutete laufende Interventionen waren Thema: Drei Abteilungsleitungen wurden ja neu ausgeschrieben, unter anderem die (neu geschaffene) Abteilung VI, in der es auch um Quellenbewirtschaftung und um verdeckte Ermittlungen geht. Jetzt-Mandatarin Zadic thematisierte die Personalie des – angeblich von der FPÖ protegierten – Bundesheermajors F., der angeblich momentan beim BVT anheuern will.

Zadic wollte wissen, was er denn von F. halte. Gridling ließ erkennen, dass er nicht glaube, dass der Kandidat die Kriterien erfülle. „Gesucht wird ein Polizeioffizier. Major F. kommt vom Bundesheer“, so Gridling. Ob F. beim Abwehramt durchgefallen sei, könne er nicht sagen. Auch eine Intervention von Reinhard Teufel, Kabinettschef von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), sei ihm nicht bekannt, so Gridling.

Das Gerücht, F. sei in Afghanistan in die Foltermethode „Waterboarding“ involviert gewesen, wurde von NEOS-Mandatarin Stephanie Krisper thematisiert. Er, Gridling, habe im Ministerium gebeten, dieses Gerücht zu überprüfen, weil es hier um einen Straftatbestand geht. Ein laufendes Disziplinarverfahren wurde vom Verteidigungsministerium bestätigt. Dabei scheint F. bereits mit einem Bein im BVT zu stehen, denn derzeit fungiere er als Teil der Arbeitsgruppe zur Reform des BVT. Welche Kenntnisse F. dafür mitbringe, konnte Gridling nicht bewerten.

Neuer Berater für Kickl

Auch Klaus-Dieter Fritsche war aus Bestreben von SPÖ-Fraktionschef Kai Jan Krainer Thema: Gridling schilderte, dass der ehemalige, damals für die Geheimdienste zuständige deutsche CSU-Staatssekretär gegenwärtig Innenminister Kickl berät. Fritsche sitze seit dieser Woche in einem Büro im BVT. Die SPÖ bezeichnet Fritsche als „am rechten Auge blind“ – das habe Fritsches Vernehmung im Ausschuss um die Neonazi-Terrorgruppe NSU des deutschen Bundestags im Oktober 2012 gezeigt. Er war zum Zeitpunkt der NSU-Mordserie Vizepräsident des deutschen Verfassungsschutzes.

Nur ÖVP und FPÖ an Causa Maurer interessiert

Nur am Rande und insbesondere im Zuge von Nachfragen der Regierungsparteien waren die Entwicklungen der ÖH-Protestaktion im Parlament Thema: Er sei als Chef des BVT „nicht involviert“ gewesen, so Gridling. Das Wiener Landesamt Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT Wien) habe daraufhin einen Bericht vorgelegt, dieser sei entgegengenommen und ausgewertet worden.

Das BVT habe nicht ermittelt, man habe lediglich als Zentralstelle agiert. Dann sei ein falscher Rechtsgrund ausgewählt worden, eine Körperverletzung sei ja nicht angezeigt worden. Als Extremisten seien die Personen nicht geführt worden, nur Daten wurden gespeichert. Die Referatsbezeichnung „Ex“ sei hier wohl irreführend verstanden worden, mutmaßte Gridling. Der Schluss von „Ex“ auf Extremismus aller erfassten Personen sei unzulässig.