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EU-Urheberrecht

Die Reform und ihre Folgen für das Netz

Das neue EU-Copyright befindet sich auf der Zielgeraden. Während nun die einen das Ende von „Wildwest im Internet“ feiern, tragen andere das freie Netz bereits zu Grabe. Es spießt sich an zwei Punkten – und deren potenziellen Folgen.

Jahrelanges Tauziehen, dann Ende Februar der Durchbruch: Nach langen Verhandlungen hat sich die EU auf einen Entwurf für das neue EU-Copyright geeinigt. Dessen erklärtes Ziel ist es, das Urheberrecht ins Internetzeitalter zu heben.

Medien, Verlage und Kunstschaffende sollten dadurch eine faire Vergütung bekommen, wenn ihre Inhalte im Netz geteilt werden. Doch die von einer Lobbyingschlacht geprägte Umsetzung sorgt seit Jahren für verbissene Debatten und heftigen Widerstand. Denn die neuen Regeln könnten vieles im Netz durchaus umkrempeln.

Zwei Artikel und die „Zensurmaschinen“

Konkret sind es die beiden Artikel 11 und 13, die für Wirbel sorgen – und sich nun auch in der finalen Entscheidung wiederfinden. Ersterer sieht unter anderem vor, dass Verlage mehr für ihre Inhalte bekommen. Suchmaschinen wie Google dürfen künftig nicht mehr ohne Weiteres kleine Artikelausschnitte oder Überschriften anzeigen – etwa bei Google News. Vielmehr sollen sie die Verlage um Erlaubnis bitten und gegebenenfalls dafür zahlen. Streitfrage ist laut Kritikern, wer von dieser Maßnahme tatsächlich profitiert.

Der zweite große Zankapfel sind die Uploadfilter. Laut der Einigung sollen Portale künftig belangt werden, wenn sie Urheberrechtsbrüche ihrer Nutzer nicht unterbinden. Geschützte Werke müssten lizenziert werden, bevor sie auf den Plattformen landen – oder dürften nicht hochgeladen werden. Urheberrechtsverletzung müssten damit bereits beim Hochladen verhindert werden. Den meisten Plattformen dürfte dabei nichts anderes überbleiben, als Uploadfilter einzusetzen. Diese werden von Kritikerinnen und Kritikern unter anderem auch „Zensurmaschinen“ genannt, und zu ihrem Einsatz gibt es zahlreiche offene Fragen.

„Werden sehr, sehr viele Dinge aus dem Netz fegen“

Kritikwürdig findet diese Filter auch der Journalist Alexander Fanta, der für das Fachportal Netzpolitik.org seit Monaten über die Reform berichtet. „Das Prinzip des Filters an sich ist schon sehr umstritten. Wenn ich filtere, besteht die Möglichkeit, dass auch Dinge rausgeworfen werden, die einfach nur Parodie oder Satire sind“, so Fanta gegenüber ORF.at. Daran würde auch eine kolportierte Ausnahmeregelung nichts ändern: „Filter können den Unterschied zwischen Ironie und Nichtironie nicht erkennen. Sie werden sehr, sehr viele Dinge aus dem Netz fegen, die so aussehen, als wären sie urheberrechtlich geschützt, es aber nicht sind.“

Journalist Alexander Fanta
ORF.at/Saskia Etschmaier
Alexander Fanta berichtet für Netzpolitik.org aus Brüssel

Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit hält er ebenfalls für möglich: „Wenn ich als Nutzer nichts hochladen kann, was ein urheberrechtlich geschütztes Bild, aber auch meine Meinung enthält, werde ich schon eingeschränkt.“ Künftig könnten Meinungen vielfach als „Beifang“ aus dem Netz gefegt werden, wenn sie mit Inhalten kombiniert werden, auf die jemand sein Recht anmeldet. Hiobsbotschaften über ein vermeintliches Ende des Netzes hält er für überzogen, er glaubt aber durchaus, dass es zu einer Verschiebung und Veränderung der Inhalte auf großen Plattformen kommen wird.

Aufstand auf YouTube

Deutlich pessimistischer sehen das übrigens zahlreiche YouTuber und Social-Media-Persönlichkeiten, von denen einige ja bekanntlich eine beachtliche Reichweite besitzen. Sie fürchten nun um ihre Geschäftsgrundlage. In Videos machten sie am Mittwoch und Donnerstag gegen die Filter und für eine Demonstration mobil, und auf dem Kurznachrichtendienst Twitter braute sich unter dem Hashtag „#NieWiederCDU“ ein Shitstorm gegen die deutsche CDU-SPD-Regierung zusammen. Diese hatte sich die Ablehnung von Uploadfiltern in ihr Koalitionsprogamm geschrieben.

Uploadfilter „stärken Silicon Valley“

Der endgültige Text zur Einigung ist noch nicht öffentlich. Dementsprechend sind nach wie vor noch viele Fragen offen, darunter zum Einsatz der Filter und zu etwaigen Ausnahmen. Im Vorfeld hatte es geheißen, dass nur sehr kleine und sehr neue Unternehmen von der Pflicht ausgenommen werden sollen – nämlich wenn sie seit weniger als drei Jahren bestehen, ihr Jahresumsatz weniger als zehn Millionen Euro beträgt und die Nutzerzahl unter fünf Millionen pro Monat liegt.

Und auch zum praktischen Einsatz ist noch vieles unklar. Fanta sieht dabei die Gefahr einer „rechtlichen Grauzone, in der Firmen einen Filter anwenden müssen, aber noch nicht völlig klar ist, wie dieser den Anforderungen genügt“. Er schließt sich aber Kritikern an, die glauben, dass die Filterpflicht vor allem Unternehmen aus dem Silicon Valley stärken – denn diese hätten die Finanzkraft und das Know-how, um solche Filter zu entwickeln und zu lizensieren.

„Verpflichten keinen zu irgendwas“

Bei Befürwortern prallte die Kritik am Donnerstag weitgehend ab. Berichterstatter Axel Voss (CDU) freute sich über die Einigung und lobte ein Ende von „Wildwest“ im Internet. Die Kritik wies er zurück: „Die Kampagne wird weiterlaufen, der Unsinn über Filter wird weiterlaufen“, sagte er. „Wir verpflichten keinen zu irgendwas.“ Die Plattformen, die ein Geschäftsmodell mit schweren Urheberrechtsverletzungen hätten, müssten nun aber die Verantwortung übernehmen.

Es sei gelungen, einzelne Nutzerinnen und Nutzer von der Haftung auszunehmen, so Voss und auch Digitalkommissar Andrus Ansip. „Sie können ohne Furcht vor Strafe hochladen“. Verleger, Autoren und Musiker bekämen mehr Verhandlungsmacht gegenüber Plattformen und Suchmaschinen, um für ihre Werke besser entlohnt zu werden, betonte Ansip. „Es geht um faire Bezahlung.“ Qualitätsmedien würden damit gestärkt.

Für Österreich begrüßte Medien- und EU-Minister Gernot Blümel (ÖVP) die Einigung. „Der Schutz geistigen Eigentums und die entsprechende Vergütung von Leistungen Dritter ist eine Frage der Gerechtigkeit“, erklärte er in einer Aussendung. Die Verlagsbranche zeigte sich im Großen und Ganzen ebenfalls erfreut. Google gab sich zurückhaltend und kündigte eine eingehende Prüfung an.

Parlament muss noch zustimmen

Der Kompromiss wird nun dem Plenum des Europaparlaments zur Abstimmung vorgelegt. Nach Angaben aus dem Parlament könnte das noch Ende März oder im April geschehen – vor der Europawahl Ende Mai. Auch der Europäische Rat muss dem Kompromiss noch zustimmen. In der Regel stimmt das Parlament einem bereits ausgehandelten Deal zu – doch angesichts der aufgeladenen politischen Debatte könnte es möglicherweise auch knapp werden.