Biomasse-Kraftwerk in Zwentendorf
ORF.at/Roland Winkler
Absolutes SPÖ-Veto

Bundesrat bringt Ökostromnovelle zu Fall

Normalerweise führt der Bundesrat ein Schattendasein hinter dem Nationalrat – doch am Donnerstag hat es eine bemerkenswerte Premiere gegeben. Erstmals in der Geschichte verhinderte der Bundesrat einen Gesetzesbeschluss. Abgelehnt wurde dort eine Novelle des Ökostromgesetzes – alle 21 SPÖ-Abgeordneten stimmten dagegen. Die SPÖ will „sofort“ neu verhandeln, ÖVP und FPÖ lehnen ab.

Bei der im Jänner im Nationalrat mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit (ÖVP, FPÖ und NEOS) beschlossenen Gesetzesnovelle wäre es um eine Übergangsregelung zum Ökostromgesetz gegangen. Diese sah vor, dass 47 Biomasseanlagen für die nächsten drei Jahre mit 140 Millionen Euro gefördert werden. Weil NEOS im Bundesrat nicht vertreten ist und die SPÖ kollektiv gegen die Novelle stimmte, ergab sich die Ablehnung.

Die SPÖ sah im Gesetzesvorschlag eine Art Körberlgeld für die Landwirtschaft – darum die Ablehnung. Dass die SPÖ die Novelle zu Fall bringen konnte, ist einem speziellen Umstand, nämlich einer Bestimmung im Bundesverfassungsgesetz, geschuldet: Wenn Verfassungsgesetze die Kompetenzen der Länder einschränken, ist eine Zustimmung von zwei Dritteln der Abgeordneten des Bundesrats nötig.

„Blankoscheck“ für Köstinger

Bei der Ökostromnovelle sperrte sich die SPÖ aber kollektiv mit allen Abgeordneten im Bundesrat (mit absolutem Veto), also mit mehr als einem Drittel der Stimmen. Darum konnte die Novelle im Alleingang verhindert werden. Die SPÖ kritisiert, dass die genaue Verwendung der im Gesetz verankerten Förderungen nicht fixiert sei, eine Zustimmung bedeute daher einen „Blankoscheck“ für Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP), das Geld zu verteilen, wie sie wolle.

Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger
APA/Georg Hochmuth
Köstinger im Bundesrat: Österreich brauche Kraftwerke, um seine Klimaziele zu erreichen

Ein Teil der erfassten Kraftwerke erfülle gar nicht die Voraussetzung, einen Wirkungsgrad von 60 Prozent zu erreichen, wie im Gesetz gefordert. Es gehe auch um sehr wenige Arbeitsplätze. Und heftig monierten die SPÖ-Vertreter, dass sie bei der Entstehung des Gesetzes nicht eingebunden worden seien. Die Regierungsparteien vermuten Parteitaktik und warfen der SPÖ Blockadepolitik vor.

„Wer Ökostrom abdreht, dreht Atomstrom auf“

Die Argumentation von ÖVP und FPÖ: Das Gesetz bedeute nur eine Verlängerung der bestehenden Bestimmungen – bisherige Förderungen würden um drei Jahre verlängert. Diesen habe die SPÖ ursprünglich zugestimmt, die Verlängerung sichere den Biomassekraftwerken das Überleben. Untermalt von türkisen Taferln mit der Aufschrift „Wer Ökostrom abdreht, dreht Atomstrom auf“ wiesen sie auf die heimische Wertschöpfung dieser regional verankerten Kraftwerke und damit verbundene Tausende Jobs hin.

Nach der Abstimmung hagelte es Kritik von ÖVP und FPÖ an der SPÖ. ÖVP-Klubobmann August Wöginger sprach von einem „Tag der Enttäuschung“. Die SPÖ „dreht den Ökostrom ab und den Atomstrom an“. Es sei völlig unverständlich, dass die SPÖ die im Gesetzesvorschlag enthaltene Entlastung über 15 Mio. Euro für einkommensschwache Haushalte zu Fall gebracht habe. „Leider kam die SPÖ nicht zur Vernunft“, so Wöginger. Auch Wirtschaftskammer und Land üben heftige Kritik. Für 17 Anlagen ist die Zukunft ungewiss – mehr dazu in noe.ORF.at

„Schwarzer Tag für die Biomasse“

Köstinger sprach von einem „schwarzen Tag für die Biomasse und die Ökostromerzeugung in Österreich“. Sie sei „entsetzt, dass die SPÖ tatsächlich Parteitaktik vor Ökostrom, vor Biomasse, vor Arbeitsplätze und vor Klimaschutz gestellt hat. Diese Ablehnung bedeutet auch, dass die SPÖ dafür verantwortlich ist, wenn mehr Atom- oder Kohlestrom nach Österreich importiert werden muss.“

Der freiheitliche Agrarsprecher Maximilian Linder warf der SPÖ vor, sie habe sich mit ihrem Veto „ganz eindeutig gegen den Klima- und Umweltschutz und die betroffenen Bauern gestellt (…). Die SPÖ bringt damit Tausende Arbeitsplätze in Forstwirtschaften, Heizanlagen und holzverarbeitenden Betrieben in Gefahr. Es ist einfach erschütternd, dass die Genossen hier ihre billige Parteipolitik vor eine Sachpolitik zum Wohle der Menschen stellt“.

„Schändliche Vorgehensweise“

FPÖ-Umweltsprecher Walter Rauch schrieb in einer Aussendung: „Die SPÖ nimmt alles und jeden zur Zielscheibe, um ihre regierungsfeindliche Linie durchzuziehen. Diese Vorgehensweise ist schändlich und ein Angriff auf Landwirte, Mensch und Umwelt. Wer derartige umweltfördernde Maßnahmen abdreht, dreht Atom- und Kohlestrom aus dem Ausland auf.“

„Besorgt“ äußerte sich auch Felix Montecuccoli, Präsident der Land&Forst Betriebe Österreich. „Mit dieser Entscheidung gegen grüne Energiequellen macht Österreich im Kampf gegen den Klimawandel nun leider einen großen Schritt zurück“, schrieb er.

„Angriff auf Wien“

Der eigentliche Streitgrund dürfte aber mit der Novelle nichts zu tun haben, wie der „Kurier“ zuletzt berichtete. In Wahrheit gehe es um einen Abgabenrabatt für die Wiener Verkehrsbetriebe von laut SPÖ neun Millionen Euro bzw. einen Gesamtrabatt für die Stadt Wien von laut ÖVP 40 Millionen Euro, der im Zuge eines anderen Regierungsvorhabens abgeschafft werden soll.

Die SPÖ orte demnach einen „Angriff auf Wien“ – verübt von ÖVP und FPÖ. Die ÖVP argumentiert, die Ökostromnovelle habe mit dem anderen Regierungsvorhaben nichts zu tun, die SPÖ wolle mit dem Veto im Bundesrat bloß einen Kuhhandel erzwingen. Jörg Leichtfried (SPÖ) dementierte das gegenüber dem „Kurier“ zwar, doch gibt es Hinweise, dass es doch einen entsprechenden Hintergrund geben könnte: So streicht das SPÖ-Magazin „Kontrast“ eben jenen „Angriff auf Wien“ heraus.

SPÖ will neu verhandeln, ÖVP und FPÖ lehnen ab

Bereits im Vorfeld der Ablehnung stellte die SPÖ fünf Forderungen auf, die sie in einem künftigen Gesetz verwirklicht sehen will – inklusive rascher neuer Verhandlungen, gleich „ab morgen“, wie es nach der Abstimmung hieß. Doch eine Neuaufnahme der Verhandlung zeichnet sich nicht ab, da das ÖVP und FPÖ ablehnen.

Tatsächlich verfügt die SPÖ im Bundesrat über weitere Möglichkeiten, die Muskeln spielen zu lassen: Ein Drittel der Abgeordneten im Bundesrat kann Gesetze vor den Verfassungsgerichtshof (VfGH) bringen und auf deren Verfassungskonformität prüfen lassen. Gegenwärtig geschieht das im Falle des „Bundestrojaners“.

Kein neues Phänomen, wie Parlamentsexperte Werner Zögernitz gegenüber dem Ö1-Morgenjournal erklärte: „In der Ära Gusenbauer wurden sehr viele Gesetze vor dem VfGH angefochten, allerdings vom Nationalrat. Damals war das Drittel im Nationalrat gegeben. Nunmehr ist es nur mehr im Bundesrat gegeben, darum wählt man den Weg über den Bundesrat“, so Zögernitz.

Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz Peter Kaiser
APA/Georg Hochmuth
Kaiser trat im Bundesrat für rasche Neuverhandlungen ein

Kaiser „hofft inständig“ auf Lerneffekt

Ebenfalls im Vorfeld des Votums hielt der derzeitige Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, Kärntens Peter Kaiser (SPÖ), ein Plädoyer für das Miteinanderreden und Verhandeln: Er führte die Ökostromnovelle als ein Beispiel an, dass Gespräche auf Augenhöhe der bessere Weg seien. Er „hoffe inständig“, dass man daraus lernt, rasch verhandelt und dann doch noch zu einem breit getragenen Beschluss komme, sagte Kaiser – mehr dazu in kaernten.ORF.at.