Hochleistungszugstrecke Berlin – München
www.picturedesk.com/Martin Schutt
Deutschland

Güterzüge zu schwer für Prestigestrecke

Seit Dezember 2017 gibt es eine schnelle Zugsverbindung zwischen Berlin und München, die nicht nur für Passagiere, sondern auch als intensiv genutzte Güterstrecke gedacht war. Doch schwere Güterzüge können die zehn Milliarden Euro teure Strecke laut einem Bericht gar nicht nutzen.

Das Problem, so die „Süddeutsche Zeitung“: Als Kostenersparnis wurden an vier Signalstellen Steigungen von fast zwei Prozent eingeplant. Daher dürften auf der Strecke nur Güterzüge fahren, die nicht schwerer als 1.200 Tonnen sind, da schwerere Züge an den Signalen nicht mehr selbstständig anfahren könnten. Doch die meisten Güterzüge seien schwerer, so die Zeitung, schon aus wirtschaftlichen Gründen, und würden in der Regel meist 1.600 Tonnen wiegen.

Dabei gibt es sichtlich Bedarf an der Strecke, wie zumindest die hohen Nutzungszahlen aus dem Personenverkehr zeigen. 2018 wurden laut Angaben der deutschen Regierung 4,9 Mio. Fahrgäste auf der Strecke gezählt, fast doppelt so viele wie auf der alten Route. Dazu trägt wohl auch die deutliche verkürzte Reisezeit mit einem ICE Sprinter von sechs auf vier Stunden bei. Regulär braucht der ICE auch nur 4,5 Stunden.

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Die Zugsfahrt von der Fahrerkabine aus

Der große Erfolg im Personenverkehr behindert den Güterverkehr allerdings zusätzlich, schrieb die „Süddeutsche“ weiter. Denn aus Sicherheitsgründen dürfen die bis zu 300 km/h schnellen ICEs der Deutschen Bahn nicht in einem Tunnel an einem Güterzug vorbeifahren. Auf der Strecke gebe es allerdings nur wenige Überholmöglichkeiten, daher könnten Güterzüge die Strecke nur in der Nacht befahren.

Milliardenschweres Prestigeprojekt

Das Projekt galt einst als Vorzeigeprojekt mit einem Investitionsvolumen von zehn Milliarden Euro, doch angesichts der fehlenden Auslastung im Güterverkehr dürften sich die hohen Investitionen nicht mehr rechnen, schreibt die Zeitung. Seit der Eröffnung war kein einziger Güterzug auf der Strecke unterwegs, obwohl eigentlich 70 je Richtung geplant waren, und zwar täglich.

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Die Saale-Elster-Talbrücke auf der Zugsstrecke

In der Beantwortung einer Anfrage der deutschen Grünen schrieb das deutsche Verkehrsministerium, dass es 2018 genau zwei Anmeldungen für Güterzüge auf der Kernstrecke gegeben hat, die allerdings vom Eisenbahnunternehmen wieder storniert wurden. Für heuer gibt es ebenfalls nur zwei Anmeldungen, allerdings nur für eine Lok, ganz ohne Waggons.

Wirtschaftlichkeit infrage gestellt

Es sei fraglich, ob die Strecke ohne die hohen Nutzungsprognosen für den Güterverkehr überhaupt gebaut worden wäre, zitierte die Zeitung Vertreter der deutschen Grünen. Zumindest hätte der deutsche Staat womöglich nicht so viel Geld dafür in die Hand genommen. Dass die angepeilten Nutzungszahlen überhaupt noch erreicht werden können, bezweifeln die deutschen Grünen zudem.

Die deutsche Regierung hat zwar Nachbesserungen angekündigt, so soll durch Änderungen bei den Signalen eine Grenzlast von 1.500 Tonnen bei Zügen möglich sein. Alle Probleme wie die fehlenden Überholmöglichkeiten werden aber wohl nicht beseitigt werden können.

Kritik an Verspätungen und Servicemängeln

Die Deutsche Bahn steht in jüngster Zeit wegen Verspätungen und Servicemängeln zunehmend in der Kritik. Der deutsche Rechnungshof wirft der Bahn und dem Deutschen Staat wegen des Zustands des Schienenverkehrs und des mittlerweile milliardenschweren Schuldenbergs Versagen vor: Die Ziele der Bahnreform vor 25 Jahren seien verfehlt worden, die Schiene habe in den vergangenen Jahren kaum nennenswert Marktanteile von der Straße gewonnen, heißt es.

Nur drei von vier Fernzügen seien in letzter Zeit pünktlich gewesen, so der Rechnungshof in seiner Kritik Mitte Jänner weiter. Bahnchef Richard Lutz versprach für die nächsten Monate erste Verbesserungen. Neue Züge sowie Akutprogramme gegen Störungen sollen die Bahn Schritt für Schritt pünktlicher machen, wie Lutz bei einer Branchentagung in Berlin sagte. Im Sommer stehen bei einem „Schienengipfel“ Themen wie Kapazität, weniger Lärm, modernere Technik und ein Taktfahrplan auf dem Programm.