Deutsche Kanzlerin Angela Merkel und US-Vizepräsident Mike Pence
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Kaum Einigkeit

Verhärtete Fronten auf Sicherheitskonferenz

Ungewöhnlich kritisch äußerte sich am Samstag die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in Richtung USA. Sowohl das Thema Handel als auch Sicherheits- und Außenpolitik gaben auf der Münchner Sicherheitskonferenz Gesprächsstoff, der kaum Gleichklang erzeugte. Unmittelbar nach Merkel sprach US-Vizepräsident Mike Pence, der vor allem Warnungen für Deutschland im Gepäck hatte.

Am zweiten Tag der hochrangigen Konferenz in Bayern traten die großen Spannungen zwischen Deutschland und den USA offen zutage. Merkel rügte die Alleingänge von US-Präsident Donald Trump scharf. Trumps Vize Mike Pence forderte Europa hingegen auf, dem Kurs der USA in Wirtschaft und Politik zu folgen. Dabei wurde kaum ein Thema ausgelassen, das Differenzen mit sich bringt. Deutlich wurde das etwa beim Streit um das deutsch-russische Pipelineprojekt „Nord Stream 2“. Pence richtete gar eine offene Warnung an Berlin: „Wir können die Verteidigung des Westens nicht garantieren, wenn unsere Bündnispartner sich vom Osten abhängig machen.“

Pence warnte vor „Bemühungen“, das Bündnis durch die Energiepolitik „zu spalten“. Die USA wollten ausdrücklich allen NATO-Partnern danken, die sich gegen das Projekt positioniert hätten. Merkel hatte kurz zuvor „Nord Stream“ gegen Kritik aus den USA und innerhalb der EU verteidigt: „Es ist richtig und wichtig, dass Europa in gewisser Weise die Hoheit über seine Gasversorgung und die Diversität seiner Gasversorgung behält.“

Russland „nicht bewusst ausschließen“

Gegen die Kritik aus den USA sagte Merkel: „Die vergangenen 67 Jahre seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland war kein amerikanisches Erdgas vorhanden.“ Wenn es künftig „bezahlbar“ und „vernünftig“ sei, spreche alles dafür, „dass wir auch amerikanisches Gas kaufen“, sagte Merkel. „Aber bewusst Russland auszuschließen, das halte ich auch für falsch.“ Geostrategisch könne Europa kein Interesse daran haben, Beziehungen nach Russland zu kappen.

Trump hatte den Ausbau der Gaslieferungen aus Russland nach Deutschland kritisiert und sogar Sanktionen angedroht. Das Pipelineprojekt stößt vor allem in den Energietransitländern in Osteuropa auf Widerstand. Die Gegner warnen vor einer noch größeren Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen.

Mahnung zu mehr Verteidigungsausgaben

Der US-Vizepräsident wiederholte in seiner Münchner Rede auch die Forderung der USA nach höheren Verteidigungsausgaben. „Viele unserer NATO-Partner müssen noch viel mehr tun“, sagte er und verlangte „glaubwürdige Pläne“, wie sie das Zweiprozentziel bis 2024 erreichen wollten.

Merkel warnt vor Zerfall der Staatenordnung

Die Nachkriegsordnung, an der sich die weltweite Zusammenarbeit jahrzehntelang orientiert habe, sei „unglaublich unter Druck geraten“, sagte Merkel in München.

Die NATO-Staaten hatten 2014 vereinbart, die Verteidigungsausgaben bis 2024 „Richtung zwei Prozent“ zu steigern. Zum Ärger von Trump liegen aber viele europäische Staaten, darunter auch Deutschland, weit unter dieser Zielmarke.

Unterschiedliche Vorstellungen zu Iran

Auch in der Syrien- und Iran-Politik zeigte sich Uneinigkeit: Zwar verfolgten die USA und Europa in der Region eigentlich das gleiche Ziel – nämlich „die schädlichen Wirkungen des Iran einzudämmen“, sagte Merkel. Der angekündigte einseitige Abzug der USA aus Syrien sowie Washingtons Rückzug aus dem Atomabkommen mit dem Iran drohe aber genau das Gegenteil zu erreichen. „Ist denn nun gut, aus Syrien sofort und schnell abzuziehen vonseiten der Amerikaner? Oder ist es nicht auch wieder eine Stärkung der Möglichkeiten des Iran und Russlands, dort Einfluss zu nehmen?“, so Merkel.

Pence hingegen verschärfte den Druck der USA gegen den Iran: „Die Zeit für unsere europäischen Partner ist gekommen, an unserer Seite zu stehen“, sagte er. Gleichzeitig warf er der iranischen Regierung erneut vor, einen neuen Holocaust zu planen. „Das iranische Regime befürwortet einen Holocaust und versucht ihn auch zu erreichen“, sagte er. „Antisemitismus ist nicht nur falsch, er ist böse.“ Der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif nannte die Anschuldigungen am Samstag „lächerlich“.

Die Sicherheitskonferenz

Über das Wochenende treffen sich rund 30 Staats- und Regierungschefs und etwa 90 Minister mit sicherheitspolitischen Experten. Dabei geht es etwa um die Zukunft Europas, das transatlantische Verhältnis, China, den Iran und Krisenherde wie Nahost und Afghanistan. Rund 4.000 Polizisten sichern das stets von Protesten begleitete Treffen.

Ruf nach Kooperation

Merkel warnte generell vor einem Zerfall der internationalen politischen Strukturen: „Wir dürfen sie nicht einfach zerschlagen“, sagte sie und plädierte für einen Ausbau der internationalen Zusammenarbeit. „Wir müssen in vernetzten Strukturen denken“, sagte sie. Deutschland sei im Übrigen ein verlässlicher Partner.

Ohne die USA zu nennen, betonte Merkel, dass Sicherheit nicht auf Verteidigungsausgaben reduziert werden dürfe. Deutschland habe gleichzeitig zu den Rüstungsausgaben auch die für Entwicklungshilfe erheblich gesteigert. Nur wenn man auch für die Entwicklung von Ländern etwa in Afrika sorge, könne man auch Stabilität erreichen.

Autos als „Gefahr“ für nationale Sicherheit

Merkel drückte auch die Sorge vor einer Eskalation im Handelsstreit aus: Es sei schwierig hinzunehmen, dass das US-Handelsministerium europäische Autos nun als Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA ansehe. Merkel verwies darauf, dass das größte BMW-Werk in South Carolina stehe und von dort Fahrzeuge nach China geliefert würden. „Wenn diese Autos (…) plötzlich eine Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA sind, dann erschreckt uns das“, sagte sie.

Das Handelsministerium liefert an diesem Wochenende seinen Prüfbericht über die Bedrohung der nationalen Sicherheit durch Autoimporte an das Präsidialamt ab. Es gilt als sicher, dass das Ministerium diese Einstufung vornimmt. Auf dieser Basis wird Präsident Donald Trump entscheiden, ob er Zölle von bis zu 25 Prozent auf Autoimporte verhängt. Für die Entscheidung hat er 90 Tage Zeit. Die EU hat im Falle von Strafzöllen bereits mit Gegenmaßnahmen gedroht.