Bundeskanzler Sebastian Kurz
Reuters/Francois Walschaerts
Im Weißen Haus

Trump empfängt Kurz

Es ist wohl das prestigeträchtigste außenpolitische Treffen in der bisherigen Karriere für Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP): Am Mittwoch empfängt US-Präsident Donald Trump Kurz zu einem Vieraugengespräch im Weißen Haus. Es ist der erste Besuch eines österreichischen Kanzlers bei einem US-Präsidenten seit 13 Jahren.

Neben möglichen inhaltlichen Punkten wird vor allem spannend, wie Trump und Kurz miteinander „können“. Eine Pressekonferenz, um das – wie etwa beim Besuch der deutschen Kanzlerin Angela Merkel live beobachten zu können – ist allerdings nicht vorgesehen. Bei einem für beide Politiker zentralen Thema, der Flüchtlings- und Migrationspolitik, gibt es jedenfalls viele Gemeinsamkeiten. Die erklärte „Hauptmission“ der Reise ist für Kurz aber das Thema Handelsstreit.

Kurz, der sich vorab auch mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in der Sache absprach, betonte gegenüber der „Presse am Sonntag“, Trumps Handelspolitik sei „der problematischste Punkt“. Protektionismus sei „brandgefährlich“. Österreichs Wirtschaft ist stark exportorientiert, insbesondere Strafzölle auf europäische Autos, wie sie derzeit drohen, wären ein schwerer Schlag.

IS-Rückkehrer wohl auch Thema

Kurz rechnet nach eigenen Angaben auch damit, dass die US-Seite die Frage der Zurücknahme von in Syrien gefangenen IS-Kämpfern ansprechen werde. „Wir sind da sehr zurückhaltend, für uns geht der Schutz der österreichischen Bevölkerung natürlich vor.“ Es gebe einige Fälle, die Österreich „natürlich prüfen“ werde. Trump hatte die europäischen Staaten aufgefordert, in Syrien gefangene IS-Kämpfer zurückzunehmen und widrigenfalls mit ihrer Freilassung gedroht.

Beim Abflug hatte der Kanzler betont, dass das Treffen mit Trump „ein interessanter Termin ist, das gebe ich schon zu“. Inhaltlich habe er sich auf die Themen vorbereitet, betonte allerdings: „Ich glaube, auf einen Termin bei Donald Trump kann man sich nicht wirklich vorbereiten.“

Kein Staatsbesuch

Der Besuch sei „überfällig“, räumte US-Botschafter Trevor Traina im Vorfeld der Visite ein. Auch Kurz monierte in der „Presse am Sonntag“, die USA hätten Österreich „in der Vergangenheit eher wenig Aufmerksamkeit geschenkt“. Unter Trumps Vorgänger Barack Obama gab es keine persönlichen Treffen auf höchster Ebene, für Irritationen sorgten immer wieder Enthüllungen über US-Spionageaktivitäten in Österreich. Trotz Kritik an Trumps Außenpolitik kam es unter der ÖVP-FPÖ-Regierung zu einer Intensivierung der Kontakte mit mehreren Ministerbesuchen in den USA.

„Wir haben (einen Besuch) organisiert, der in Zeiten wie diesen so nahe es geht an einen Staatsbesuch in den USA heranreicht“, sagte Botschafter Traina mit Blick auf das Dienstagabend (Ortszeit) stattfindende Abendessen mit US-Außenminister Mike Pompeo. Gleich nach seinem Eintreffen in einem Hotel in der Innenstadt von Washington war das Essen mit Pompeo Kurz’ erster offizeller Programmpunkt.

Treffen mit Trump am Mittwoch als Höhepunkt

Höhepunkt der Visite ist das Treffen mit US-Präsident Trump, das am Mittwoch um 13.50 Uhr Ortszeit (19.50 Uhr MEZ) im Oval Office stattfinden soll. Nach dem für 20 Minuten angesetzten Vieraugengespräch soll der Kanzler in größerer Runde auch das „Kernteam“ Trumps treffen, darunter den Nationalen Sicherheitsberater John Bolton.

Kurz hatte bereits im Herbst mit Bolton telefoniert, um den Besuch vorzubereiten. „Ich glaube, dass es eine gute Chemie zwischen dem Präsidenten und dem Kanzler geben wird“, sagte Traina. Kurz repräsentiere „die Zukunft Europas als ein junger, verantwortungsvoller, nüchterner politischer Führer auf dem Kontinent, der wahrscheinlich eine lange Zukunft haben wird“.

Abendessen mit Ivanka Trump und Kushner

Am Mittwochabend will Traina den Kanzler auch zu einem privaten Abendessen mit der einflussreichen Präsidententochter Ivanka Trump und ihrem Ehemann Jared Kushner in deren Haus begleiten. Dabei solle detailliert über die österreichisch-amerikanischen Beziehungen gesprochen werden. Der US-Botschafter hat gute Kontakte zu dem Paar und dürfte diese genutzt haben, um das Treffen mit Trump zustande zu bringen.

Der Besuch wurde mehrere Monate vorbereitet. Wie aus Diplomatenkreisen verlautete, fiel ein erster Termin dem Regierungsstillstand in den USA („Shutdown“) zum Opfer. Nachdem Trump am Freitag im Streit über den Mauerbau den nationalen Notstand ausgerufen hat, ist die innenpolitische Lage weiterhin äußerst gespannt. „Wir hoffen auf einen langweiligen Tag“, sagte Traina mit Blick auf die politischen Verpflichtungen Trumps am Tag des Kanzlerbesuchs.

„Hauptmission“: Handelskrieg vermeiden

Im Vorfeld der Visite waren beide Seiten bemüht, ihre politischen Differenzen in den Hintergrund zu spielen. Es gebe zwar Differenzen, etwa beim Multilateralismus und der Klimapolitik, doch diene der Besuch dazu, „die guten bilateralen Beziehungen zu stärken“, hieß es aus dem Bundeskanzleramt gegenüber der APA. Beide Seiten hoben im Vorfeld die ökonomischen Aspekte des Treffens hervor.

Schwierige Punkte Randthemen

Neben dem für Kurz zentralen Thema Handelsstreit dürften in der kurzen Zeit auch zahlreiche andere Themen zumindest angesprochen werden. Beim Iran-Atomdeal seien Wien und Washington unterschiedlicher Meinung, betonte Kurz vorab gegenüber der „Presse“. „Doch Trumps Engagement für eine friedliche Lösung auf der koreanischen Halbinsel oder auch seine klare Unterstützung für Israel sehe ich sehr positiv.“ Traina wiederum ließ durchblicken, dass die USA die Frage der umstrittenen deutsch-russischen Gaspipeline „Nord Stream 2“, an deren Finanzierung Österreich beteiligt ist, nicht offensiv ansprechen werden.

Kurz, der für seine israelfreundliche Haltung auch in den USA viel Anerkennung bekommen hat, wird am Mittwoch auch den Präsidenten des American Jewish Committee, David Harris, treffen. Für Donnerstag sind Gespräche mit der Präsidentin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, und Weltbank-Präsidentin Kristalina Georgiewa geplant.

In Vergangenheit auf Distanz

Nach Trumps Amtsantritt hatte sich Kurz wie zahlreiche europäische Politiker besorgt über die Politik Trumps geäußert. Die ersten Wochen gäben „definitiv Anlass zur Sorge“, sagte der damalige Außenminister im Februar 2017. So meinte er, dass er ein Aufkündigen des Iran-Atomabkommens „für extrem negativ erachten“ würde. Auch die Aufkündigung des Pariser Klimaabkommens durch Trump im Juni 2017 hatte Kurz als „unverantwortlich“ kritisiert.

Kritik an Kanzlers „Lob“ für Trump

Von der Opposition gab es schon im Vorfeld der Visite Kritik an Kurz. SPÖ-EU-Spitzenkandidat Andreas Schieder äußerte am Samstagabend „absolutes Unverständnis“ für das „Lob“ des Kanzlers für Trumps Außenpolitik. „Trump ist mit Sicherheit der schlechteste und für die Welt gefährlichste US-Präsident der jüngeren Geschichte“, so Schieder. „Kurz hat offensichtlich ausschließlich Interesse daran, seinen PR- und Selfie-Termin bei Trump reibungsfrei zu gestalten.“

Kurz: Keine Angst vor Vereinnahmung

Spekulationen, wonach der Empfang im Weißen Haus ultrarechten Beratern Trumps zu verdanken sei, trat Botschafter Traina vehement entgegen. Der Trump-Kenner David Cay Johnston hatte zuvor im APA-Gespräch gesagt, Trump habe „keine Ahnung“. „Trump trifft Kurz, weil Leute in seinem Stab Trump gesagt haben, dass er ihn treffen muss“, Johnston nannte etwa Trumps ultrarechten Berater Stephen Miller.

Diese Leute hätten eine „klare Agenda“ und würden gemeinsame Sache mit europäischen Rechtspopulisten machen, sagte Johnston. Der „Kronen Zeitung“ sagte Kurz, er habe „keine Befürchtung, wegen der Schließung der Balkan-Route als Vorbild für eine Mauer an der Grenze zu Mexiko vereinnahmt zu werden“.

Der frühere US-Sicherheitsberater Ben Rhodes erklärt sich hingegen den Empfang von Bundeskanzler Kurz bei Trump mit dessen Schwierigkeiten mit größeren EU-Staaten. „Trump versucht, was schon George W. Bush getan hat, als es mit Frankreich und Deutschland nicht gut lief: Er sucht Regierungschefs kleinerer Staaten, um zu zeigen, dass er noch Freunde in Europa hat.“