Kinder auf einem Zebrastreifen
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Verkehrssicherheit

Die Gefahr lauert auf dem Zebrastreifen

Vor dem Lkw-Sicherheitsgipfel am Dienstag geht die Debatte um Abbiegeassistenten für Lastwägen – ausgelöst durch den Tod eines Buben in Wien – in die nächste Runde. Dass Zebrastreifen besonders für Kinder alles andere als sicher sind, zeigen auch aktuelle Zahlen des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KFV). Fachleute pochen deshalb auf Tempo-30-Zonen.

Stadt Wien und Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) machten im Vorfeld des von Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) einberufenen Gipfels Druck: Die WKÖ sprach sich gegen die verpflichtende Nachrüstung von Lkws mit Abbiegeassistenten, die den Blick in den toten Winkel ermöglichen sollen, aus. Vielmehr werde auf eine freiwillige Nachrüstung gesetzt. Außerdem freue man sich, „wenn die Stadt Wien hier eine kleine Förderung in Aussicht stellt“, so Alexander Klacska, Obmann der Bundessparte Transport und Verkehr in der WKÖ.

Er forderte zudem „ein Gesamtpaket zur Förderung der Kindersicherheit“ und sprach sich für Bewusstseinsbildung aus. Auch Schulen seien gefordert: „Wir fordern, dass bei der Verkehrserziehung an den Schulen verstärkt auf das Problem des toten Winkels aufmerksam gemacht wird“, so Klacska. Wien kündigte wiederum an, die Lkw-Nachrüstung mit Abbiegeassistenten mit einer Mio. Euro zu fördern – vorausgesetzt, der Bund zieht mit – mehr dazu in wien.ORF.at. Das KFV begrüßt den Einsatz von Abbiegeassistenzsystemen.

Robatsch: „Am Schutzweg ist oft Schutz weg“

Auslöser der Debatte war der Tod eines neunjährigen Buben, der beim Überqueren eines Schutzwegs (umgangssprachlich Zebrastreifen) von einem Lkw-Fahrer im toten Winkel übersehen wurde. Im Schnitt sterben in Österreich jedes Jahr acht Kinder unter 14 Jahren bei Verkehrsunfällen, drei davon sind als Fußgänger unterwegs. Rund 2.800 Kinder werden zudem jährlich bei Unfällen verletzt. 27 Prozent bzw. rund 750 Kinder pro Jahr verunglückten als Fußgänger – jedes vierte Kind auf dem Zebrastreifen. Das geht aus den Erhebungen des KFV hervor, das die Unfallzahlen der Jahre 2013 bis 2017 analysiert hat – mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

„Am Schutzweg ist leider oft der Schutz weg“, sagte Klaus Robatsch, Leiter des Forschungsbereichs im KFV gegenüber ORF.at. Gründe dafür gibt es laut Robatsch mehrere: so würden zahlreiche Autolenkerinnen und Autolenker beim Schutzweg schlichtweg nicht anhalten. Zudem gebe es sehr viele Zebrastreifen, die den Richtlinien nicht entsprechen. Das heißt, dass die Sichtweite auf den Fußgängerübergang nicht ausreicht und Autofahrer diesen also gar nicht rechtzeitig wahrnehmen können. Ein weiterer Grund sei auch, dass manche Autofahrer generell zu schnell unterwegs sind und die Kinder beim Schutzweg nicht mehr rechtzeitig sehen können.

Sinkende Anhaltebereitschaft bei wenigen Fußgängern

„Wenn man mit 50 km/h unterwegs ist, braucht man 45 Meter Sichtfeld, um zu sehen, ob sich jemand von links oder rechts annähert; wenn das nicht gegeben ist, weil Autos parken oder aber eine Hecke oder ein Baum im Weg ist, dann kann ich als Autofahrer gar nicht rechtzeitig reagieren“, so Robatsch weiter. Entscheidend sei aber auch, wie viele Fußgänger den Zebrastreifen regelmäßig überqueren. Denn wenn wenige Fußgänger einen Schutzweg überqueren, so sinkt die Anhaltebereitschaft der Lenker.

Im Toten Winkel – mehr Schutz für Kinder

Der Schock sitzt tief. Ende Jänner wird ein neunjähriger Bub auf dem Schulweg in Wien von einem Lkw erfasst und getötet. Jeder siebente Unfall mit Lkw-Beteiligung endet tödlich, und oft sind Kinder die Opfer.

Der Zebrastreifen soll Fußgängern das ungehinderte und ungefährliche Überqueren von Straßen ermöglichen. Die Richtlinien zu Anbringung und Beschaffenheit sind zwar bundesländerspezifisch, jedoch überall ähnlich. Während der Autofahrer dazu verpflichtet ist, sich dem Schutzweg nur so zu nähern, dass er rechtzeitig anhalten kann, so ist der Fußgänger verpflichtet, diesen nicht unmittelbar vor einem herannahenden Fahrzeug überraschend zu überqueren. Bei Verstößen drohen Geldstrafen.

Experten wollen Tempo 30, Schwellen und höhere Strafen

„Das Problem ist, dass Fußgeher auf dem Streifen verunfallen, weil dieser einen gewissen Schutz suggeriert, den es in der Praxis nicht gibt“, so Ulrich Leth vom Institut für Verkehrswissenschaften an der TU Wien gegenüber ORF.at. Wie auch das KFV, das flächendeckende Tempo-30-Zonen in der Stadt fordert, glaubt er, dass „geschwindigkeitssenkende Maßnahmen auf jeden Fall am wirkungsvollsten“ sind. Denn mit niedriger Geschwindigkeit steige die Aufmerksamkeit, und auch das Blickfeld würde weiter.

Verkehrssicherheit soll erhöht werden

Neben Abbiegeassistenten gibt es auch andere Optionen, den Verkehr sicherer zu machen, etwa Tempobeschränkungen wie in Graz.

Bei einem Aufprall mit 30 km/h stirbt einer von zehn Fußgängern. „Ein Unfall bei 60 km/h endet so gut wie immer tödlich“, so Robatsch in einer Aussendung. Das KFV pocht in der Aussendung zudem auf höhere Strafen bei Verkehrsdelikten, wenn Kinder involviert sind. Laut Leth könnten zudem auch Schwellen wirksam sein, „damit der Fahrzeugverkehr auch wirklich gebremst wird und die Aufmerksamkeit von Autolenkern erhöht wird“. Solche Schwellen gibt es stellenweise zwar bereits, diese seien allerdings zu flach.

KFV: Kinder oft nicht Hauptunfallverursacher

Die Auffassung, dass die Kinder die Hauptunfallverursacher seien, sei aber falsch: „In drei von vier Fällen sind die Kinder nicht die Hauptunfallverursacher“, so Robatsch. Die häufigsten Hauptunfallursachen seien in Österreich wiederum Ablenkung und Unachtsamkeit. Diese sind gemeinsam für rund ein Drittel aller Unfälle ursächlich, wie ein KFV-Bericht aus dem Jahr 2017 verdeutlicht. Verantwortlich dafür sind alle Verkehrsteilnehmer: der Autofahrer, der ohne Freisprechanlage telefoniert, der Radfahrer, der Musik hört, aber auch der Fußgänger, der Nachrichten schreibt.