Der kanadische Premierminister Justin Trudeau
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Engster Berater geht

Nächster Schlag für Trudeau

Die Luft für Kanadas Premierminister Justin Trudeau wird dünner: Inmitten der Vorwürfe der Einflussnahme auf ein Verfahren gegen den Bauriesen SNC-Lavalin hat Trudeaus rechte Hand Gerald Butts seinen Rücktritt bekanntgegeben. Einigen Beobachtern zufolge heizt der Rückzug die Krise rund um Trudeaus Regierungskabinett Monate vor der nächsten Wahl weiter an.

Mit Butts Rücktritt, der auf jenen der Generalstaatsanwältin Jody Wilson-Rayboulds folgt, hat die kanadische Regierungskrise einen neuen Höhepunkt erreicht. Denn Butts, der seit dem Studium eng mit Trudeau befreundet war, galt seit jeher als engster Vertrauter und oberster Berater des Premiers. Im Zuge der Wahl 2015 habe er maßgeblich zum Erfolg Trudeaus beigetragen. Acht Monate vor der Wahl tut sich in Trudeaus Kabinett damit eine große Lücke auf.

Auf den Rückzug folgten medial rasch Spekulationen, dass Butts damit auf die jüngste politische Krise rund um Trudeau reagierte. Trudeau bzw. seinem Kabinett wurde zuletzt vorgeworfen, Wilson-Rayboulds unter Druck gesetzt zu haben, um ein Verfahren gegen SNC-Lavalin mit Hauptsitz in Montreal abzuwenden. „Ich weise die Vorwürfe, dass ich oder jemand anderes im Kabinett Frau Wilson-Raybould unter Druck gesetzt habe, entschieden zurück“, so Butts in einem Statement. „Es ist aber Tatsache, dass diese Anschuldigung existiert. Sie kann und soll aber keinen Moment von der wichtigen Arbeit, die der Premier und sein Kabinett für alle Kanadier verrichtet haben, ablenken.“

Beobachterin: „Jemand musste gehen“

SNC-Lavalin wird in einer Klage aus dem Jahr 2015 vorgeworfen, in Libyen unter dem Regime des getöteten Machthabers Muammar Gaddafi Staatsbeamte bestochen zu haben, mit dem Ziel, an Aufträge zu gelangen. Dabei soll es um zig Millionen kanadische Dollar gegangen sein. In Trudeaus Büro soll dafür lobbyiert worden sein, die Causa mit einem Bußgeld und neuen Compliance-Regeln gegen unsaubere Geschäfte auf sich beruhen zu lassen. Wilson-Raybould habe eine „sanfte“ Lösung Berichten zufolge abgelehnt.

Vollkommen überraschend kommt Butts’ Rücktrittsankündigung somit nicht. „Das sind riesige, wenngleich auch nicht absolut unerwartete Nachrichten – in Anbetracht des Ausmaßes der politischen Krise. Jemand musste gehen“, schreibt die Kommentatorin Lori Turnbull in der kanadischen „Globe and Mail“. Seit die Geschichte jüngst bekanntgeworden ist, wurde in kanadischen Medien darüber spekuliert, wer das Kabinett verlassen wird. Turnbull zufolge ist sein Rücktritt eine Art Friedensangebot an die verärgerte Wählerschaft: „Wenn ich mich opfere, können wir dann vergessen, dass das alles passiert ist?“

Mehr neue Fragen als Antworten

Anstatt kritische Stimmen ruhigzustellen, gebe es nun neue unbeantwortete Fragen, etwa warum gerade er als Trudeaus rechte Hand zurücktritt. „Er (der Rücktritt) führt zu mehr Fragen, als er beantwortet. Hat er wirklich nichts damit zu tun, dass Jody Wilson-Raybould sich unerwünscht gefühlt hat? Ich glaube nicht, dass dadurch irgendetwas klarer wird“, so Patrick Gossage, der ehemalige Pressesprecher von Ex-Premier Pierre Elliott Trudeau, in der „New York Times“.

Gerald Butts
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Butts’ Rücktritt löste neuerliche mediale Spekulationen aus

Außerdem komme der Rücktritt vor der anstehenden Wahl zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt für den kanadischen Premier. „Das letzte Jahr vor einer Wahl lässt man seinen Boss nicht im Stich“, wird Gossage in der „NYT“ zudem zitiert.

Opposition will Antworten

Die Opposition will trotz mehrerer Dementis – darunter von Trudeau selbst – trotzdem Antworten von Trudeau und seiner Liberalen Partei. Die Ethikkommission des kanadischen Parlaments hat bereits vergangene Woche eine Untersuchung eingeleitet. Die zurückgetretene Ministerin kommentierte die ganze Sache unter Berufung auf ihre Verschwiegenheitspflicht nicht.

Trudeau habe schließlich eingeräumt, dass die Causa SNC-Lavalin Thema in seinem Kabinett gewesen sei, berichtete die Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg vor wenigen Tagen und zitierte den Premierminister nach einer Pressekonferenz mit den Worten, die Regierung nehme ihre Verantwortung für Arbeitsplätze sehr ernst, und der Konzern biete viele solche Arbeitsplätze. Allerdings achte man dabei das Gesetz und die Unabhängigkeit der Justiz.

Der kanadische Premierminister Justin Trudeau und die zurückgetretende Justizministerin Jody Wilson-Raybould
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Trudeau holte Wilson-Rayboulds 2015 als Ministerin in sein Kabinett

Mittlerweile hat auch das Image des „Sonnyboy“-Premiers („Süddeutsche Zeitung“, „taz“), der seinerzeit sein Kabinett zur Hälfte mit Frauen besetzte und sich für eine liberale Migrationspolitik starkmachte, gelitten. In einigen Umfragen liegen seine Liberalen mittlerweile nicht mehr deutlich vorn, sondern gleichauf mit den Konservativen. Die Nachrichtenseite Global News beruft sich etwa auf eine Ipsos-Umfrage, wonach die Konservativen sogar knapp vor den Liberalen liegen. Ein Sieg bei der Parlamentswahl im Oktober ist damit keinesfalls mehr sicher.