Jesus am Kreuz
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Karfreitag

Rechtliche Hürden bei „halbem Feiertag“

Arbeitsrechtler haben hinsichtlich der Pläne, am Karfreitag einen „halben Feiertag" für alle einzuführen, Bedenken. Die Regierung warb für ihr Modell. Doch vor allem von Arbeitnehmerseite kam weiter harsche Kritik, und der ÖGB stellte eine neuerliche Klage in den Raum.

„Die Kollektivvertragsautonomie ist verfassungsrechtlich gewährleistet, auch durch die Grundrechtecharta gewährleistet“, sagte etwa der Arbeitsrechtler Franz Marhold von der Wirtschaftsuniversität Wien. Er habe Bedenken, wenn der einfache Gesetzgeber in konkrete Kollektivvertragsregelungen eingreift, sagte Marhold. „Die gesetzliche Regelung kann nicht den Kollektivvertrag schlagen“, betonte er.

Sollte die Regierung ihre Pläne durchziehen, so würde die Problematik vor den Arbeitsgerichten landen. „Und wenn das Arbeitsgericht verfassungsrechtliche Bedenken hat, legt es dann die Fälle dem Verfassungsgerichtshof vor.“ Er gehe davon aus, dass ein rechtliches Vorgehen gegen derartige Bestimmungen Erfolg haben würde, so Marhold.

Wieder vor europäisches Gericht?

Letztlich würden die Fälle beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte landen, denn die Kollektivvertragsfreiheit sei im Art. 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert, ebenso in der EU-Grundrechtecharta (wofür wiederum letzten Endes der Europäische Gerichtshof zuständig wäre). Tatsächlich deutete der ÖGB am Mittwoch bereits an, notfalls auch eine Klage zu prüfen.

Freilich könne der Gesetzgeber sagen, die Differenzierung in den Kollektivverträgen zwischen den einzelnen Religionszugehörigen sei unzulässig. „Welche Rechtsfolge sich daraus ergibt – weg mit dem Karfreitag für die Evangelen oder Feiertag für alle – das obliegt den Kollektivvertragspartnern.“

Probleme ortet auch der Arbeitsrechtler Wolfgang Mazal: „Die (geplante, Anm.) Regelung ist juristisch sehr komplex und politisch problematisch, weil sie viel Unzufriedenheit auslöst“, sagte er laut einem Bericht des Ö1-„Mittagsjournals“ – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Plädoyer für vollständigen Tausch

Eine auch für Marhold rechtlich gangbare Variante wäre, wenn die Wirtschaftskammer als Sozialpartner den Karfreitag-Kollektivvertrag aufkündigt. Der KV würde dann zwar weiter nachwirken – diese Nachwirkung könnte die Regierung aber dann per Gesetz aufheben. Marhold plädiert jedoch als Lösung einmal mehr für einen Abtausch: „Gebt den Karfreitag allen (als Feiertag, Anm.) und spart den 26. 12. ein.“ Beide Termine liegen in den Schulferien, darüber hinaus stehe der 26. Dezember nicht im Konkordat.

Der Arbeitsrechtler Franz Marhold
APA/Helmut Fohringer
Der Arbeitsrechtler Marhold warnt vor einer neuen juristischen Auseinandersetzung.

Arbeitsrecht kennt keinen halben Feiertag

Das ist wohl nicht, was die Arbeitnehmerseite befürwortet. Diese fordert weiter einen zusätzlichen ganzen Feiertag. Entsprechend erneuerten Arbeiterkammer, Gewerkschaft und die Opposition am Mittwoch die Kritik. AK-Präsidentin Renate Anderl verwies in einer Aussendung auf „viele rechtliche Probleme“, die sich noch ergeben würden, denn es gebe keine halben Feiertage im System des österreichischen Arbeitsrechts.

So stelle sich etwa die Frage, was passiere, wenn man den ganzen Karfreitag freihaben will, so Anderl. „Da an Feiertagen kein Urlaubsverbrauch stattfinden darf, wäre man darauf angewiesen, dass der Arbeitgeber dem Verbrauch von Zeitguthaben zustimmt“, so die AK-Präsidentin. Habe man kein Zeitguthaben, dann sei ein freier Karfreitag „im Gegensatz zu bisher eigentlich nicht möglich“.

Eine neue Gleichheitswidrigkeit könnte laut Anderl u. a. bei Schichtdienst oder anderer Lage der Arbeitszeit stecken. „Menschen, die planmäßig Frühdienst haben, oder in Teilzeit nur am Vormittag arbeiten, wären schlechtergestellt als Menschen, die am Nachmittag Dienst hätten.“

Kritik auch von Christgewerkschaftern

Kritik kam auch von der Fraktion der Christgewerkschafter: „Die nunmehr verordnete völlig unheilige Karfreitagslösung der Regierung bringt mehr Probleme, als sie löst“, erklärte Fritz Pöltl, FCG-ÖAAB-Spitzenkandidat bei der kommenden Wiener AK-Wahl. „Nicht nur, dass die völlig überzogene Forderung nach dem Gleichheitsgrundsatz nunmehr Beschäftigte mit einem evangelischen oder altkatholischen Religionsbekenntnis sogar schlechterstellt als davor, würden nun in den Lohnverrechnungen noch zusätzlich ungeahnte Probleme entstehen“, meinte er.

Lösung über Karfreitag-Regelung

Die Regierung verteidigte am Mittwoch nach dem Ministerrat die Karfreitag-Lösung. Nach der Entscheidung des EuGH habe man eine schnelle Lösung gesucht und gefunden.

„Die Details der Halbfeiertagslösung müssen in Kollektivverträgen grundsätzlich festgelegt werden“, forderte Pöltl. Es sei „notwendig, dass der Karfreitag in allen Kollektivverträgen als ganzer Feiertag festgelegt wird, wie dies in einigen Branchen schon der Fall ist“.

SPÖ: „Irrsinn“ der Regierung

Kritik kam am Mittwoch auch neuerlich von der Opposition: „Ein ganzer gesetzlicher Feiertag für alle ist die einzig faire Lösung“, sagte SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch. „Der Irrsinn, den die Regierung vorgelegt hat, muss mit allen Möglichkeiten gestoppt werden.“ Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) habe mit seiner Aussage, wonach „niemandem etwas weggenommen werden soll“, schlichtweg gelogen: „Was ist mit denjenigen, die jetzt schon einen ganzen Tag frei hatten?“, fragte Muchitsch und sprach von einem „Regierungspfusch“.

Auch NEOS-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn bezeichnete die geplante Regelung als eine „Pfuschregelung“. Sie sei „ein Freifahrtschein für Prüfer und eine Quälerei für Klein- und Mittelbetriebe“.

Bruno Rossmann von Jetzt ortete eine „typisch ‚österreichische Lösung‘“ und einen „faulen Kompromiss“. Der Vorschlag der Regierung würde das EuGH-Urteil ad absurdum führen, denn die Ungleichbehandlung von Religionsbekenntnissen werde gegen eine Ungleichbehandlung von Früh- und Spätschicht getauscht.

Kritik von Wiener Wirtschaft

Auch die Wiener Wirtschaftskammer hält nichts vom Vorschlag der Regierung. „Aus wirtschaftlicher Sicht finde ich das nicht gut“, sagte Präsident Walter Ruck im Rahmen einer Pressekonferenz. „Wir haben in Österreich schon ohne den Karfreitag 13 Feiertage. Ich sehe nicht ein, warum wir gerade da Vorreiter spielen sollen.“