Oscar-Statue neben einem goldenen Vorhang
Reuters/Lucy Nicholson
Duell an der Spitze

Oscar-Nacht verspricht Spannung

Diese Oscar-Nacht verspricht in mehrerlei Hinsicht Spannung. Erstmals seit dreißig Jahren gibt es keine durchgehende Moderation. Schon im Vorfeld gab es Streit über die Ausrichtung der Show. Und als Favoriten gelten der Netflix-Film „Roma“ und der schrille Historienfilm „The Favourite“. Experten sehen in dem Match fast schon so etwas wie eine Entscheidungsschlacht zwischen Kino und Streamingdiensten.

Ein aufregendes, spannendes und vielfältiges Trophäenspektakel haben die Produzenten der Oscar-Gala versprochen. Doch im Vorfeld der 91. Academy Awards gab es jetzt schon mehr ungewolltes Drama als geplant. Bis zuletzt häuften sich die Schlagzeilen, Stars liefen Sturm.

Prominente Filmschaffende wie Quentin Tarantino, Glenn Close und George Clooney protestierten lautstark gegen Pläne der Filmakademie, einige Trophäen in den Werbepausen der Gala zu verleihen, um die Show damit kürzer zu halten. Nach einem zähen Hin und Her lenkten die Oscar-Bosse ein – alles werde im „traditionellen Format“ über die Bühne gehen, so das Versprechen.

Das Moderatorendrama

Von wegen Tradition: Erstmals seit 30 Jahren fehlt ein Gastgeber, der mit witzigen Einfällen die Show lenkt. US-Komiker Kevin Hart war nach einer Kontroverse um frühere schwulenfeindliche Bemerkungen im Dezember abgesprungen. Bis zuletzt wurde über einen Nachfolger spekuliert. Der fand sich nicht, jetzt sollen Starpräsentatoren – darunter Charlize Theron, Javier Bardem und Daniel Craig – die Lücke füllen.

Zweikampf um den besten Film?

Spannung ist garantiert, denn bei den Gewinnern ist vieles offen. Im vorigen Jahr dominierte das Fantasy-Märchen „Shape of Water – Das Flüstern des Wassers“ mit 13 Nominierungen – am Ende gab es vier Oscars, auch in den Topsparten „Bester Film“ und „Beste Regie“. Diesmal scheint es auf ein enges Rennen mit vielen Überraschungen hinauszulaufen.

Die Favoriten sind „Roma“ und „The Favourite – Intrigen und Irrsinn“ mit je zehn Gewinnchancen, beide räumten auch schon bei den britischen BAFTA Awards ab. Der Gegensatz zwischen den Werken könnte nicht größer sein.

Oscar-Liveticker in ORF.at

ORF.at wird unterstützt von FM4 in der Nacht auf Montag live berichten – mit Kommentaren, Videos, Fotos und Social-Media-Inhalten vom roten Teppich bis zur Verleihung des Preises für den besten Film.

In dem von Netflix produzierten Schwarz-Weiß-Drama „Roma“ erzählt Oscar-Preisträger Alfonso Cuaron die sehr persönliche Geschichte einer Familie im Mexiko der 70er Jahre. Alleine Cuaron könnte am Sonntag vier Trophäen stemmen – als bester Regisseur, für Kamera, Originaldrehbuch und als Produzent des besten Films. „Roma“ würde Hollywood-Geschichte schreiben, falls es den Preis für den besten Film und zugleich den Auslandsoscar holt. Das hat zuvor kein nicht englischsprachiger Film geschafft.

Die Netflix-Frage

Schrill und bunt geht es dagegen in der Historiengroteske „The Favourite – Intrigen und Irrsinn“ über Intrigen am Hof der britischen Queen Anne zu. Der griechische Regisseur Yorgos Lanthimos setzt auf schräge Charaktere und sein handverlesenes Frauentrio Olivia Colman, Rachel Weisz und Emma Stone.

Die eigentliche Frage zum Spitzenduell ist aber nicht, ob die Jury eher einen grellen, artifiziellen Historienfilm oder ein ruhiges Schwarz-Weiß-Sozialdrama lieber hat – sondern ob Netflix mit der Auszeichnung zum besten Film der Triumph über das Kino gelingt. Die „New York Times“ zitierte Norman Kaplan, einen Professor für Unterhaltung und Medien an der Universität von Südkalifornien, mit den Worten: Sollte Netflix gewinnen, „the game changes forever“ – kein Stein bliebe auf dem anderen.

TV-Hinweise

ORF eins berichtet ab 0.45 Uhr. Um 2.00 Uhr wird die Oscar-Verleihung übertragen, die für drei Stunden anberaumt ist, aber auch länger dauern kann. Am Montag um 21.05 Uhr folgen „And the Oscar goes to – Die Highlights aus Los Angeles 2019“ in ORF eins und um 22.30 Uhr in ORF2 „kulturMontag“.

Verwöhnte Jurymitglieder

Ein Signal wäre es vor allem an die Kinos. In den USA weigerten sich viele Multiplex-Ketten, „Roma“ zu zeigen, weil Netflix den Film nur für drei Wochen und nicht für die üblichen drei Monate verliehen hätte. Die Kinos kämen an Netflix im Falle eines Oscar-Gewinns kaum vorbei. Und ein noch größerer Faktor: Die Stars würden dann bei Netflix endgültig Schlange stehen.

Das weiß man natürlich bei Netflix und hat dort eine eigene Abteilung für Filmpreispromotion eingerichtet. Die Jurymitglieder der Academy wurden in eigens gemietete Kinos eingeladen, wurden dabei mit feinem Essen versorgt, konnten sich – zum Mit-nach-Hause-Nehmen – als Filmfigur in einzelne Szenen des Films hineinschneiden lassen und so fort. Bei einigen Jurymitgliedern sorgte dieses Überengagement für Augenrollen.

Die weiteren Favoriten

Insgesamt haben acht Werke Chancen auf den Toppreis „Bester Film“. Gute Karten hat etwa die Tragikömodie „Green Book – Eine besondere Freundschaft“ mit Viggo Mortensen und Mahershala Ali. Die Filmbiografie holte kürzlich den renommierten US-Produzentenpreis, dessen Sieger gewinnen oft auch den Oscar.

Oder ist es das Jahr der schwarzen Superhelden? Mit dem Blockbuster „Black Panther“ brachte es zum ersten Mal in der Oscar-Geschichte eine Comicverfilmung zu einer Nominierung in der Spitzenkategorie, wo auch „A Star Is Born“, „Bohemian Rhapsody“, „Vice: Der zweite Mann“ und „BlacKkKlansman“ mitmischen.

Weiß, schwarz, männlich – nicht weiblich

Noch vor drei Jahren stand mit dem Twitter-Hashtag „#OscarsSoWhite“ die mangelnde Vielfalt der Nominierten am Pranger, jetzt gibt es keine Empörung über „weiße“ Oscars. Das schwarze Multitalent Spike Lee (61, „Jungle Fever“, „Malcom X“) holte mit „BlacKkKlansman“ seine erste Oscar-Nominierung als Regisseur. Diese Sparte ist aber auch in diesem Jahr wie so oft reine Männersache. Mit Lee sind unter anderen Cuaron, Lanthimos und der Pole Pawel Pawlikowski („Cold War“) im Rennen.

Christian Konrad (ORF) über die Oscar-Gala ohne Moderator

ORF-Reporter Christian Konrad berichtet, wie die Oscar-Gala ohne Moderation funktionieren kann und wie man die daraus resultierende Krisenstimmung in Hollywood überwinden will.

Glenn Close’ große Stunde – vielleicht

Hollywood-Legende Glenn Close (71) sollte auf alle Fälle eine Dankesrede parat haben. Mit ihrer bewegenden Hauptrolle in „Die Frau des Nobelpreisträgers“ gilt sie als klare Favoritin – es wäre ihr erster, längst überfälliger Oscar-Triumph. Der scheint auch Rami Malek (37) fast sicher, nachdem der US-Schauspieler mit seiner verblüffenden Verwandlung in den Queen-Sänger Freddie Mercury in „Bohemian Rhapsody“ bereits bei den Golden Globes und BAFTA-Preisen abgeräumt hat.

Kurz, knackig und von Herzen gesprochen sollen die Dankesreden sein, das legte die Akademie den Anwärterinnen und Anwärtern nahe. Wenn ihr Name fällt, haben sie 90 Sekunden Zeit, vom Gang auf die Bühne bis zum letzten „Thank you“. Fast vier Stunden zog sich die Show im vergangenen März hin, eine der längsten der letzten Jahrzehnte. Diesmal soll es straffer zugehen, die TV-Ausstrahlung werde auf drei Stunden begrenzt, sagten die Veranstalter vorab.