Honigbienen auf einer Wabe
Getty Images/Riorita
Artensterben

Lebensmittelproduktion „stark bedroht“

Die UNO-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) sieht die weltweite Lebensmittelproduktion durch die schwindende Artenvielfalt bedroht. Ursachen dafür gibt es viele – doch fast alle lassen sich auf den Menschen zurückführen.

Es gebe „zunehmende Belege dafür, dass die Biodiversität weltweit abnimmt“, heißt es in einem am Freitag veröffentlichten Bericht der FAO. Das sei eine „starke Bedrohung“ für die Versorgung mit Nahrungsmitteln und für die Umwelt. Denn: „Einmal ausgestorben, können Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen, die entscheidend für unsere Nahrung sind, nicht mehr wiederbelebt werden“, stellte die FAO fest.

Durch Artenvielfalt sei die Landwirtschaft stärker gegen Schocks wie Krankheiten und Epidemien sowie gegen die Folgen der Klimakrise gewappnet, heißt es in dem Bericht weiter. Die Autoren verwiesen auf schlimme Hungersnöte wie etwa in Irland im 19. Jahrhundert wegen der Kartoffelfäule.

Viele Ursachen für schwindende Artenvielfalt

Ursachen für die zurückgehende Artenvielfalt seien die Veränderungen bei der Land- und Wassernutzung, die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, die Umweltverschmutzung und die Klimakrise. Besonders betroffen seien Lateinamerika und die Karibik. Dort sei die Artenvielfalt besonders groß – und eben auch die Zahl der bedrohten Arten.

Biene auf einer Blume
ORF.at/Carina Kainz
Wenn die Bienen aussterben, gefährdet das nicht zuletzt den Menschen, warnt Greenpeace

Zu einem ähnlichen Ergebnis wie die UNO kam der erst kürzlich veröffentlichte „Biological Conservation“-Bericht zum Thema Insektensterben. In diesem heißt es etwa: „Die seit sechs Jahrzehnten praktizierte intensive Landwirtschaft, der Einsatz von Pestiziden, die Zerstörung von Lebensraum – all das trägt zum Insektensterben, zur Gefährdung der Vogelwelt und der Natur insgesamt bei.“

Laut einer Studie der Radbound-Universität in Nijmegen in den Niederlanden von 2017 hat die gesamte Biomasse aller Insekten in den vergangenen 30 Jahren um 75 Prozent abgenommen. Die Schlussfolgerung der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen ist eindeutig: „Wenn wir unsere Art der Nahrungsmittelproduktion nicht ändern, werden die Insekten in einigen Jahrzehnten den Weg der Auslöschung gegangen sein.“

Existenzielle Gefahr für Menschen

Ähnlich sieht das Sebastian Theissing-Matei, Landwirtschaftsexperte bei Greenpeace in Österreich: „Wenn es immer weniger von fleißigen Blütenbesuchern wie Hummeln oder Bienen gibt, dann gefährdet das am Ende auch uns Menschen. Denn drei Viertel unserer Nahrungsmittel sind entweder zur Gänze oder teilweise auf die Bestäubung durch diese wichtigen Insekten angewiesen. Der aktuelle Bericht der Vereinten Nationen muss jetzt endlich ein Umdenken einleiten. Wir brauchen flächendeckend eine bienenfreundliche biologische Landwirtschaft."

Weltbevölkerung

Bis 2050 wird nach UNO-Berechnungen die Weltbevölkerung von derzeit 7,7 auf nahezu zehn Milliarden Menschen wachsen. Aktuell leiden weltweit rund 821 Millionen Menschen dauerhaft an Hunger.

Zu einem radikaleren Schluss kommt eine umfassende Studie des Weltbiodiversitätsrats (IPBES) von März 2018: Die Menschheit riskiere durch die Ausbeutung der Natur ihren derzeitigen Lebensstandard und sogar ihr eigenes Fortbestehen. Die Biodiversität nehme in allen Regionen der Welt ab – eine Entwicklung, die Wirtschaftsräume, Existenzgrundlagen, Nahrungsversorgung und Lebensqualität bedrohe. Sollte sich nichts ändern, werde das erste von Menschen verursachte massenhafte Artensterben weitergehen, sagte der IPBES-Vorsitzende Robert Watson.

Klimakrise trägt zu Rückgang der Biodiversität bei

An vielen Orten der Welt trägt vor allem die Erderwärmung zum Rückgang der Biodiversität bei, schlussfolgert der Bericht. „Der Klimawandel beeinflusst die Biodiversität, Veränderungen in unserer natürlichen Vegetation beeinflussen den Klimawandel“, sagte Watson.

In besonders artenreichen Gebieten wie dem Amazonas und auf Madagaskar seien bis zum Jahr 2080 25 bis 50 Prozent der Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht, heißt es etwa in einer im März vergangenen Jahres in der Zeitschrift „Climatic Change“ veröffentlichten Studie des WWF. Es wären bei einer Erderwärmung um 4,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter 48 Prozent der Arten vom Aussterben bedroht. Immer noch halb so groß wäre das Risiko, wenn der durchschnittliche Temperaturanstieg auf zwei Grad begrenzt würde, wie es im Pariser Klimaschutzabkommen vereinbart ist.

„Noch nicht zu spät“

Die FAO lobte zwar, dass zahlreiche Länder bereits für den Erhalt der Artenvielfalt kämpften – jedoch müsse mehr getan werden, forderte die Organisation. Regierungen und die internationale Gemeinschaft müssten sich deutlich mehr anstrengen.

Trotz aller schlechten Nachrichten haben die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen Hoffnung, dass das Artensterben maßgeblich gebremst werden kann. Dafür müssten mehr Schutzgebiete geschaffen, zerstörte Gebiete wiederhergestellt und Landwirtschaftssubventionen überdacht werden. Für verschiedene Regionen werde es verschiedene Lösungen geben müssen, sagte Watson. „Es ist noch nicht zu spät.“