Frau sitzt in Zug
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GPS-Ticket

Nächste Stufe des Bahnfahrens

In der Schweiz ist die nächste Phase des Bahnfahrens eingeläutet: Tickets werden seit letztem Jahr von einer Handy-App automatisch gelöst. In Österreich gibt es dazu eine erste regionale Lösung – landesweit bisher aber nur erste Überlegungen. Auch aufs Schwarzfahren könnte sich das auswirken.

In Sachen öffentliche Verkehrsmittel gilt die Schweiz nicht nur als Musterland, sondern auch als Vorreiter. Nun gibt es eine weitere Neuerung, die über kurz oder lang wohl auch in anderen Ländern zum Einsatz kommen dürfte: In der Schweiz können seit letztem Jahr landesweit alle, die „Öffis“ benützen, ihr Ticket noch bequemer lösen.

Hat man das Handy eingesteckt und die entsprechende App aktiviert, kann man in einen Zug oder Bus einsteigen, ohne etwas tun zu müssen. Die App registriert automatisch die Fahrt – und rechnet auch erst nach dem Aussteigen ab. Dabei wird laut Angaben der Betreiber automatisch der günstigste Preis berechnet. Bei Kontrollen können Fahrgäste einen QR-Code als Nachweis vorzeigen, dass sie die App aktiviert haben.

Österreich hinkt hinterher

Hierzulande hinkt man da hinterher: In Österreich ist ein ähnliches System landesweit noch nicht in Sicht, wie eine Nachfrage von ORF.at bei den ÖBB ergab. Es gebe Studien und Arbeitsgruppen, in denen ein solches GPS-Ticketsystem österreichweit überlegt werde. Der Vorarlberger Verkehrsverbund bietet – auf Basis der Schweizer Software – allerdings bereits seit dem Vorjahr die App-Anwendung an – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at. Und Tausende nutzten diese bereits nach einem Monat – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at. Aus dem Verkehrsministerium hieß es, dass GPS-Ticketing derzeit keine Priorität sei. Und die Einführung eines solchen Systems liege jedenfalls im Ermessen der Verkehrsbetriebe.

Reisende bei der Benutzung eines Ticketschalters
ORF.at/Carina Kainz
In Österreich bleiben Automaten auf absehbare Zeit unersetzlich

Das Ministerium selber arbeitet vielmehr an der Realisierung des seit vielen Jahren geplanten Österreich-Tickets, also der Einführung von in allen Bundesländern einheitlichen Tarifen. Das Ministerium arbeite „intensiv“ daran, den Tarifdschungel zu vereinheitlichen. Würde es dazu noch Handy-Apps für den einfachen Ticketkauf geben „wie in der Schweiz“, wäre das ein „Durchbruch“, befand der Fahrgastverband probahn bereits 2017. Tatsächlich sind in der Schweiz die Tarife längst stärker vereinheitlicht als hierzulande.

Wetteifern um „EasyRide“

Die Schweizer App Lezzgo gibt es als eigene App – die GPS-Ticketing-Funktion wird aber auch von Verkehrsverbünden wie dem Zürcher ZVV und der Schweizer Bahn (SBB) in ihren eigenen Apps angeboten. Bei den SBB etwa kann die Funktion „EasyRide“ mit einem einfachen Wischer aktiviert oder deaktiviert werden. Auch Abos und Dauerpässe erkennt das System automatisch – und verrechnet entsprechend weniger oder gar nichts. Die verschiedenen „Öffi“-Betreiber wetteifern mittlerweile um User, damit die Tickets über ihre App gelöst werden, wie der Schweizer „Tagesanzeiger“ zuletzt berichtete.

Mitte Februar zogen die SBB eine erste positive Bilanz: Seit Oktober aktivierten 15.000 Kundinnen und Kunden die „EasyRide“-Funktion. Insgesamt nahmen in den ersten vier Testmonaten 18.000 Personen teil, 6.000 davon nutzten die „EasyRide“-Funktion regelmäßig – das heißt, sie lösten mindestens ein Ticket pro Monat auf diese Weise. 18.000 Tickets wurden in der Zeit insgesamt so gelöst. Das ist derzeit nur ein Bruchteil aller verkauften Tickets. Doch das könnte sich ändern.

Einen kleinen Hinweis darauf geben die Zahlen des Zürcher Verkehrsverbunds ZVV – dieser integrierte die GPS-Ticketing-Funktion bereits vor einem Jahr in seine App. Mit dem Ergebnis, dass sich mit Stand Jänner 25.000 für das „Check-in-Ticket“, wie es beim ZVV heißt, registrierten. Und die regelmäßigen Benützer und die verkauften Fahrten sind mit 7.200 bzw. 54.600 auch deutlich höher. Rund ein Viertel der Tickets im ZVV wird entweder online, mobil oder per Check-in gelöst. Der ZVV erklärt den vergleichsweise geringen Anteil der Check-in-Funktion auch damit, dass es noch in der Testphase ist und bisher nicht beworben wurde.

Züge in Genf
Reuters/Denis Balibouse
Züge der SBB im Bahnhof Genf

Beim Aussteigen dran denken

Die App muss man allerdings nicht nur beim Einsteigen aktivieren – man muss beim Aussteigen auch daran denken, sie wieder zu deaktivieren. Sonst kann es passieren, dass weitere – etwa per Rad oder Auto zurückgelegte – Strecken ebenfalls verrechnet werden. Das erfordert eine Umstellung in den Gewohnheiten: Denn bei normalen Tickets, ob am Schalter, Automaten oder online gekauft, muss man sich nur vorher darum kümmern.

Gelöst werden könnte das theoretisch, indem die App im Hintergrund immer läuft. Das würde aber am Akku saugen – und das begrenzte Durchhaltevermögen von Handyakkus ist für viele im Alltag ohnehin bereits ein Ärgernis. Laut Nutzungsbestimmungen sind die Kunden dafür verantwortlich, dass der Akku während der Reise nicht leer wird. Vor allem aber muss die App immer den Standort registrieren. Das aber ist datenschutzrechtlich wohl problematisch. Allerdings gibt es in den Apps eine Art Erinnerungsfunktion – wenn man die App seine häufigen Wege speichern lässt. Die App meldet sich dann automatisch, wenn man an einem üblichen Ausstiegsort angekommen ist, die App aber nicht abdreht.

Datenschutz vs. Komfort

Um die zurückgelegte Strecke abrechnen zu können, muss die App ohnehin die Bewegungsdaten erfassen – aber eben nur, solange die App aktiviert ist. Das geht mit dem Schweizer Datenschutzrecht konform. Zum Vergleich: Wer Google Maps offen hat, wird genauso erfasst. Alle, denen Datenschutz wichtig ist, werden einer solchen App wohl eher kritisch gegenüberstehen. Verrechnet wird der im Laufe eines ganzen Tages angefallene Betrag am Folgetag in der Früh. Wird eine falsche Strecke, sprich zu viel, verrechnet, gibt es eine Beschwerdemöglichkeit.

In Österreich gab es in der digitalen grauen Vorzeit einst das SMS-Ticket. Diese Funktion wurde vor wenigen Jahren durch eine App abgelöst. Der nächste Sprung wird wohl noch etwas auf sich warten lassen, aber der Bequemlichkeitsfaktor ist aus Sicht von Bahnfahrerinnen und -fahrern sicher ein wichtiges Argument. Die „Öffi“-Betreiber wiederum könnten mittelfristig Kosten sparen, da weniger Ticketautomaten nötig wären. Schwarzfahren wird durch das GPS-Ticketing auf den ersten Blick einfacher, da man kurz vor einer Kontrolle noch ein Ticket lösen kann. Um das zu verhindern, gibt es laut ZVV aber ohnehin bereits technologische Lösungen. Möglicherweise ist es auch umgekehrt: Wenn das Bezahlen so einfach wird, könnte es vielleicht die Zahl von Schwarzfahrten verringern.