Indischer Mirage-2000 Jet
APA/AFP/Prakash Singh
Indien – Pakistan

Kriegsgefahr in Kaschmir steigt

Mit Sorge blickt die Weltöffentlichkeit auf die von Indien wie Pakistan beanspruchte Unruheprovinz Kaschmir. Ein in der Nacht auf Dienstag erfolgter Militärschlag Indiens als Reaktion auf einen Selbstmordanschlag heizt den jahrzehntealten Konflikt gefährlich an.

China drängte Indien und Pakistan dazu, „Zurückhaltung zu üben“. Beide Länder müssten bei der Stabilisierung der Situation in der Region helfen und ihre Beziehungen verbessern, erklärte ein Sprecher des Außenministeriums. Auch die EU forderte die beiden verfeindeten Staaten zu „maximaler Zurückhaltung“ auf. Pakistans Ministerpräsident Imran Khan mahnte seine Streitkräfte und Landsleute, auf alle Möglichkeiten vorbereitet zu sein. Das Nationale Sicherheitskomitee kam in einer Dringlichkeitssitzung zu dem Schluss, dass Indien eine ungerechtfertigte Aggression begangen habe.

Indien hatte nach eigenen Angaben ein Terroristencamp in Pakistan angegriffen. Dabei sei „eine sehr große Anzahl“ Angehöriger der islamistischen Terrorgruppe Jaish-e-Mohammed (JEM) getötet worden, darunter auch einige Anführer. Pakistan wies diese Angaben zurück: Es gebe kein „Terrorcamp“, zudem sei bei dem Angriff niemand getötet worden. Pakistans Außenminister Shah Mehmood Qureshi verurteilte die Verletzung des Luftraums aber als „ungerechtfertigte Aggression, auf die Pakistan zu gegebener Zeit und an gegebenem Ort antworten wird“. Am Dienstag sollen bei Gefechten mehrere Menschen ums Leben gekommen sein.

Ein Soldat feuert Tränengas bei Protesten
Reuters/Danish Ismail
Indien machte Pakistan für den Anschlag von vor zwei Wochen verantwortlich und kündigte eine „gebührende Antwort“ an

In Indien war dagegen von einem erfolgreichen Schlag gegen den Terrorismus die Rede. Bei dem Angriff seien „Terroristen, Ausbilder, hochrangige Befehlshaber“ sowie potenzielle Selbstmordattentäter „eliminiert“ worden. Die Aktion gilt als Antwort Indiens auf das verheerende Selbstmordattentat vom 14. Februar, bei dem 40 Inder ums Leben kamen. Ziel des Anschlags bei Srinagar im Norden des Landes war eine Einheit der indischen paramilitärischen Polizeitruppe CRPF. Indien machte Pakistan dafür verantwortlich und hatte eine „gebührende Antwort“ angekündigt.

Schwerstes Attentat seit Jahrzehnten

Zu dem Attentat, dem schwersten seit 30 Jahren, bekannte sich die aus Pakistan stammende JEM. Diese ist zwar in der Islamischen Republik seit 2002 offiziell verboten, doch gehen die indische und die US-Regierung davon aus, dass Pakistan die Extremistentruppe toleriert. Auch soll sich ihr Anführer, der Kleriker Masood Azhar, auf pakistanischem Boden aufhalten und von dort aus Kämpfer anwerben. Indien habe Pakistan wiederholt aufgefordert, etwas gegen die Terrorgruppe zu unternehmen, das Nachbarland habe aber keine konkreten Schritte ergriffen, klagte Delhi.

Umkämpfte Region

Seit der Unabhängigkeit des früheren Britisch-Indien und seiner Trennung in Indien und Pakistan im Jahr 1947 beanspruchen beide Länder Kaschmir für sich. Sie kontrollieren jeweils einen Teil der im Norden nahe der chinesischen Grenze gelegenen Region. Die heutigen Nuklearmächte führten bereits zwei Kriege um das Kaschmirtal.

International löste der Militärschlag ernste Sorgen aus: Mit einem direkten Angriff jenseits der De-Facto-Grenze zwischen den zwei verfeindeten Atommächten erreicht der seit Jahrzehnten schwelende Kaschmirkonflikt eine neue Eskalationsstufe. Truppen beider Seiten stehen sich in der Region in stark ausgebauten Stellungen gegenüber. Allein Indien hat im Kaschmirtal rund 500.000 Soldaten stationiert.

In jüngerer Zeit beschränkten sich die Spannungen in der Region auf gelegentliche Gefechte und einem eher symbolischen Austausch von Artilleriegeschossen. Luftschläge gab es seit vielen Jahren nicht mehr. Mit dem Einsatz indischer Kampfjets im pakistanischen Luftraum überschreitet das indische Militär auch politisch eine Grenze: Welche Formen eine offizielle Reaktion aus Pakistan annehmen könnte, ist noch unklar.

Karte zeigt Kaschmir
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Wasser als Druckmittel

Von einem anderen Plan Indiens, Pakistan für den jüngsten Selbstmordanschlag zu bestrafen, berichtete am Wochenende die „Neue Zürcher Zeitung“ („NZZ“): Vergangene Woche habe die Regierung von Narendra Modi erwogen, drei Zuflüsse des Indus umzuleiten. Statt nach Pakistan solle Wasser an das indische Volk in den Teilstaaten Punjab sowie Jammu und Kaschmir umgeleitet werden. Mit einer Nutzung der Indus-Zuflüsse Sutlej, Ravi und Beas träfe Indien seinen Erzrivalen an einem heiklen Punkt.

Den 200 Millionen Pakistanern, berichtete die „NZZ“, stehen jährlich nur rund 1.000 Kubikmeter Wasser pro Kopf zur Verfügung. Es herrscht akuter Wassermangel, darüber hinaus ist die Nutzungsbilanz vernichtend: 90 Prozent des verfügbaren Wassers fließen in den Agrarbereich. Bereits vor drei Jahren drohte Indien in Reaktion auf einen islamistischen Terrorangriff damit, die Zuflüsse nach Pakistan einzuschränken. Wasser und Blut vertrügen sich nicht, ließ Modi damals wissen.