Premierministerin des Vereinigten Königreichs, Theresa May
AP/Matt Dunham
Großbritannien

May ebnet Weg für Brexit-Verschiebung

Die britische Premierministerin Theresa May will dem Parlament den Weg für eine Verschiebung des Brexits ebnen. May sagte in einer Erklärung am Dienstag im Unterhaus, das Parlament werde bis zum 12. März über den EU-Austrittsvertrag abstimmen. Bei einer Abstimmungsniederlage könne ein Votum über eine Verlängerung stattfinden.

Ein „kurzer und begrenzter“ Aufschub sei möglich, wenn sich bis Mitte März im Unterhaus keine Mehrheit für eine andere Lösung abzeichne, sagte May am Dienstag vor den Abgeordneten in London. „Das macht es aber nicht leichter, ein Abkommen zu erzielen“, fügte sie hinzu. Der bisher für den 29. März geplante EU-Austritt könne aber allenfalls bis Ende Juni aufgeschoben werden, so May.

Voraussetzung für einen Aufschub sei, dass das Unterhaus sowohl gegen den mit Brüssel ausgehandelten Brexit-Vertrag als auch gegen einen ungeregelten Brexit ohne Austrittsvertrag stimme, sagte May. Durch die Ankündigung, die Abgeordneten auch über einen EU-Austritt ohne Vertrag abstimmen zu lassen, kam sie einer zentralen Forderung ihrer Kritikerinnen und Kritiker entgegen.

Labour-Chef nennt Vorgehen „grotesk rücksichtslos“

„Das Vereinigte Königreich wird am 29. März nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Unterhauses ohne Deal austreten“, so May. „Wenn wir müssen, machen wir aber auch den Austritt ohne Abkommen zum Erfolg“, betonte sie weiter. Die Abstimmung über einen „No Deal“-Brexit soll am 13. März stattfinden. Sollte auch dieser scheitern, würde am 14. März die Abstimmung über eine Verschiebung stattfinden. Bei der Opposition kommt der Vorschlag Mays nicht gut an. Das Vorgehen der Premierministerin sei „grotesk rücksichtslos“, sagte Labour-Chef Jeremy Corbyn. „Ein Austritt ohne Abkommen wäre eine Katastrophe.“

Premierministerin des Vereinigten Königreichs, Theresa May
APA/AFP/Ho
Ein „kurzer und begrenzter“ Aufschub sei möglich, so May im britischen Unterhaus

Ein Sprecher Mays sagte am Dienstagnachmittag, dass es im Kabinett „breite Übereinstimmung“ zu den von der Regierungschefin skizzierten Schritten gebe. Zugleich bekräftigte er, dass Großbritannien nicht an der EU-Wahl Ende Mai teilnehmen wolle. Mehrere britische Medien berichteten zuvor unter Berufung auf Regierungskreise, May könnte selbst eine Verlängerung der Austrittsfrist ins Spiel bringen – für den Fall, dass sie mit ihrem Deal erneut scheitert. Noch am Montag hatte May eine Verschiebung des Brexits abgelehnt.

Schwere Niederlage droht

Mit dem Zugeständnis könnte die Regierungschefin möglicherweise eine empfindliche Niederlage am Mittwoch verhindern, wenn das Parlament über die weiteren Brexit-Schritte abstimmt. Mehrere Regierungsmitglieder stellten sich zuletzt hinter einen überparteilichen Antrag, der May gesetzlich zum Verschieben des EU-Austritts verpflichten sollte, wenn das Abkommen nicht bis Mitte März ratifiziert ist, und setzten May damit unter Druck.

Auch die oppositionelle Labour-Partei stand hinter dem Vorstoß. Corbyn kündigte Montagabend zudem an, seine Partei stelle sich hinter die Forderung nach einem zweiten Brexit-Referendum. Zuvor will Labour jedoch versuchen, die Regierung von ihren eigenen Brexit-Plänen zu überzeugen. Unter anderem soll das Land nach dem Willen von Labour in einer Zollunion mit der EU bleiben, was May ablehnt.

Debatte über Verschiebung des Brexits

Die Stimmen für eine Verschiebung des Brexits werden immer lauter. Die Labour-Partei ist jetzt überhaupt für ein zweites Referendum.

Nächste Abstimmung über Deal am 12. März

Die Regierungschefin bemühte sich bisher vergeblich um Nachbesserungen an dem mit Brüssel ausgehandelten Austrittsabkommen. Eine neue Abstimmung über den im Jänner vom Parlament mit überwältigender Mehrheit abgelehnten Deal schloss May bis vor Kurzem noch aus.

Corbyn, der lange vor einem zweiten Brexit-Referendum zurückgeschreckt war, begründete seinen Sinneswandel damit, dass ein „schädlicher Tory-Brexit auf der Grundlage von Theresa Mays mehrheitlich abgelehntem Deal“ verhindert werden müsse. Seine Partei werde einen entsprechenden Antrag entweder selbst vorlegen oder mittragen, betonte Corbyn. Unklar blieb, ob eine Abkehr vom Brexit dabei eine Option sein soll.

Ruf nach Verschiebung des Brexits

Wenige Woche vor dem geplanten EU-Austritt Großbritanniens wird der Ruf nach einer Verschiebung des Brexit-Termins lauter. Eva Pöcksteiner (ORF) berichtet aus London.

EU-27 zu Verschiebung bereit

Wegen der kurzen Zeit bis zum Austrittsdatum wäre eine Verschiebung des Brexits „eine vernünftige Lösung“, hatte EU-Ratschef Donald Tusk bereits am Montag gesagt. Er sicherte Großbritannien dafür maximalen guten Willen der übrigen 27 EU-Länder zu. Europaminister Gernot Blümel (ÖVP) sieht eine Verschiebung des Brexits nur als sinnvoll an, wenn die Briten damit ein konkretes Ziel verknüpfen. Das gab er am Dienstag bekannt.

Das Land will die EU bereits am 29. März verlassen. Im Fall einer Verschiebung ist der nächste Streitpunkt schon programmiert: Britische Brexit-Hardliner wollen auf keinen Fall eine längerfristige Verschiebung, also etwa um ein Jahr. Sie fürchten, die Dynamik könnte sich so ändern, dass es ein zweites Referendum und eine Mehrheit für den Verbleib in der EU gibt. In diesem Fall wäre die Causa wohl ebenfalls nicht entschieden: Da das Land in der Frage so tief gespalten ist, würden Brexit-Befürworter ein Votum für einen Verbleib möglicherweise nicht akzeptieren.