Gottesdienstbesucher auf Kirchenbänken
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Karfreitag kein Feiertag

Regierung rüttelt an General-KV

Der Karfreitag als Feiertag ist Geschichte. Künftig darf, wer will, an seinem oder ihrem „persönlichen Feiertag“ freinehmen – das kostet aber einen Urlaubstag. Mit dieser Neuregelung greift die Bundesregierung auch in den Generalkollektivvertrag, der seit fast 70 Jahren gilt, ein. Die Reaktionen könnten kaum kontroversieller ausfallen.

Mit dem Schritt, den die beiden Regierungskoordinatoren Norbert Hofer (FPÖ) und Gernot Blümel (ÖVP) am Dienstag bekanntgaben, wird de facto der zusätzliche Feiertag für Protestanten und Mitglieder der altkatholischen Kirchengemeinschaft gestrichen.

Blümel begründete den Eingriff in den Anfang der 1950er Jahre geschlossenen Rahmenkollektivvertrag damit, dass die dort vorgesehene exklusive Feiertagsregelung für einzelne Religionen im Licht des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) diskriminierend sei: „Das wäre auf Basis des EuGH-Urteils auch gar nicht anders möglich.“ Laut diesem wäre der Karfreitag als Feiertag prinzipiell allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Österreich zugestanden.

Ein „persönlicher Feiertag“

Hofer zufolge wird der Generalkollektivvertrag damit verbessert, weil künftig alle Arbeitnehmer das Recht erhielten, sich an einem ganz bestimmten Tag – ihrem „persönlichen Feiertag“ – per Rechtsanspruch Urlaub zu nehmen. Einen zusätzlichen Urlaubstag gibt es dafür aber nicht. Den Protestanten gehe es aber ohnehin nicht um einen solchen, sondern darum, am Karfreitag den Gottesdienst feiern zu können, sagte Hofer.

Der Einigung vorangegangen waren Gespräche mit Vertretern der evangelischen und der römisch-katholischen Kirchen. Beschlossen werden soll die Neuregelung des Karfreitags laut Blümel möglichst rasch. „Wir versuchen so schnell zu sein, dass es noch für dieses Jahr gilt.“ Gerüchte, wonach im Gegenzug demnächst eine Einigung beim Papamonat verkündet wird, kommentierten die Regierungskoordinatoren nicht.

„Wir haben uns nun gemeinsam dazu entschlossen, einen Schritt weiter zu gehen und eine bessere Lösung zu schaffen: einen ‚persönlichen Feiertag‘, mit dem die Religionsausübung ermöglicht wird“, hieß es in der Aussendung der Bundesregierung zur neuen Karfreitag-Regelung. Diese Lösung schaffe Klarheit und Rechtssicherheit für alle und Gerechtigkeit und Gleichbehandlung im Sinne des EuGH-Urteils.

Kontroversielle Reaktionen

Der freie Tag muss künftig drei Monate zuvor angemeldet werden, für das Jahr 2019 wird eine kürzere Frist definiert. Sollten Arbeitnehmer auf Wunsch des Arbeitgebers dennoch an diesem selbst gewählten „persönlichen Feiertag“ arbeiten, erhalten sie für diesen Tag sämtliche Vergütungen wie an jedem anderen Feiertag auch. Der Urlaubsanspruch bleibt trotzdem bestehen. So weit die Rahmenbedingungen, die nach Bekanntgabe am Dienstag für sehr unterschiedliche Reaktionen sorgten.

Neue Regelung für Karfreitag

Der Karfreitag ist kein Feiertag mehr. Stattdessen können sich Arbeitnehmer einen „persönlichen Feiertag“ Urlaub nehmen. Die Wirtschaft ist hochzufrieden, die Gewerkschaft empört.

Strache sieht Schuld nicht bei Regierung

Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) hatte am Vormittag gesagt: Die Regierung wolle in der Karfreitag-Frage „so gut wie möglich bei der alten Regelung bleiben, aber ohne Diskriminierung“. Näheres erläuterte er dazu allerdings nicht. Er gab aber klar der Arbeiterkammer (AK) die Schuld daran, dass die „vorherige Lösung, mit der alle zufrieden waren“, vom EuGH aufgehoben wurde. Diese habe nämlich die entsprechende Klage eines Nichtgläubigen unterstützt. „Wir haben das nicht verursacht“, so Strache.

Wirtschaft mit „salomonischer“ Lösung zufrieden

Sehr zufrieden mit der neuen Regelung zeigte sich die Wirtschaftskammer (WKÖ). Generalsekretär Karlheinz Kopf sieht einen „vernünftigen Kompromiss und eine salomonische Lösung eines sehr komplexen Sachproblems“. Es liege nun ein klarer Plan auf dem Tisch, der auch die Wirtschaft nicht überfordere und Rechtssicherheit gewährleiste. In der Praxis werde niemand schlechtergestellt.

Arbeitsrechtsexpertin zur Karfreitag-Regelung

Was bedeutet der „persönliche Feiertag“ und was wird das nun in der Praxis verändern? Eine Einschätzung von Katharina Körber-Risak, Anwältin und Arbeitsrechtsexpertin.

Zufrieden ist auch der Handel: „Am Karfreitag, einem sehr umsatzstarken Tag für den heimischen Handel, können die Geschäfte in Österreich geöffnet bleiben – und das ist gut so“, so Peter Buchmüller, Obmann der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer.

Prinzipiell mit der Lösung einverstanden ist auch die Industriellenvereinigung (IV). Nun müsse auch im Endergebnis sichergestellt werden, dass das Gesetz praxisgerecht und tatsächlich ohne Mehrbelastung „der im harten internationalen Wettbewerb stehenden heimischen Unternehmen“ ausgestaltet werde. Bei einer Lösung über das Urlaubsrecht müssten zusätzliche administrative und finanzielle Belastungen für Unternehmen jedenfalls vermieden werden, so Generalsekretär Christoph Neumayer in einer Aussendung. Positiv sei jedenfalls, dass die Neuregelung rasch komme und kein zusätzlicher Feiertag festgelegt werde.

SPÖ kritisiert neue Regelung scharf

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner übt scharfe Kritik an der Neuregelung der Regierung. Diese sei völlig untauglich und arbeitnehmerfeindlich. Man sehe, wie sehr ÖVP und FPÖ die Wirtschaftsinteressen vor die Interessen der Beschäftigten stellten. Rendi-Wagner erinnerte in einer Aussendung daran, dass ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz, sein Kanzleramtsminister Blümel und die FPÖ noch vor Kurzem versprochen hätten, dass niemandem etwas weggenommen würde: „Jetzt sieht man, was die Versprechen von Kurz, Blümel, Strache und Hofer wert sind.“ ÖVP und FPÖ hätten gelogen. Die SPÖ werde dagegen einen Gesetzesvorschlag für einen allgemein freien Karfreitag einbringen.

ÖGB sieht „Verhöhnung der Arbeitnehmer“

Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) sieht in der neuen Karfreitag-Regelung eine „Verhöhnung der Arbeitnehmer“. Zuerst werde evangelischen und altkatholischen Beschäftigten ein halber Feiertag gestrichen und jetzt sogar der ganze, ärgerte sich der Leitende Sekretär Bernhard Achitz im Gespräch mit der APA. Einen möglichen Eingriff in den Generalkollektivvertrag hatte Achitz – noch bevor der zur Sprache kam – als Brüskierung der Kollektivvertragspartner bezeichnet.

Wichtig sei der Regierung sichtlich gewesen, dass der Wirtschaft, vor der sie große Angst habe, alle Wünsche erfüllt würden, die Arbeitnehmer dafür nichts bekämen, so Achitz. Mit dem ÖGB habe ohnehin niemand gesprochen. Sichtlich lächerlich findet Achitz die Rhetorik der Regierung bezüglich eines „persönlichen Feiertags“ innerhalb des eigenen Urlaubskontingents. Denn es sei schon jetzt so, dass der Arbeitgeber vor Gericht gehen müsste, wenn er einen lange beantragten Urlaubstag verhindern will. Rechtliche Fragen hält der ÖGB-Sekretär auch für offen. Fragen wie Gleichheitswidrigkeit oder Eingriff in die Kollektivvertragsautonomie blieben ohne Gesetzestext ungeklärt.

AK lehnt Modell ab

Die Arbeiterkammer (AK) stieß in ein ähnliches Horn. „Was ist noch weniger als ein Viertelfeiertag? Nichts. Nach diesem Motto agiert die Regierung offenbar“, so AK-Präsidentin Renate Anderl in einer Aussendung. Denn dass ein „persönlicher Feiertag“ im Rahmen des bestehenden Urlaubsanspruchs eingeführt werde anstelle des bisherigen Modells, werde von der Arbeiterkammer abgelehnt. „Das ist ein Schlag ins Gesicht der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen“, so Anderl weiter.

Der EuGH habe erkannt: Der Karfreitag hätte seit Jahren (seit Österreich die Gleichbehandlungsrichtlinie unterschrieben hat) allen als Feiertag gewährt werden müssen, hieß es in der Aussendung weiter. „Das hat die AK erreicht, weil sie einem Kläger Rechtsschutz gegeben hat. Der AK wurde recht gegeben, den AK-Mitgliedern wurde ein Feiertag zugesprochen“, so Anderl. „Und was tut die Regierung? Sie nimmt den Beschäftigten diesen Feiertag einfach wieder weg. Das ist eine einseitige Lösung, bei der nur die Wirtschaft profitiert, und respektlos gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern“, schloss Anderl.

Bischof Bünker: Positive Lösung mit Wermutstropfen

Für den evangelisch-lutherischen Bischof Michael Bünker ist die von der Regierung vorgestellte Karfreitag-Regelung eine „positive Lösung mit Wermutstropfen“. Auch die katholische Bischofskonferenz begrüßte die Neuregelung. Positiv ist für Bünker, dass die Variante mit dem „halben Feiertag“ ab 14.00 Uhr „vom Tisch“ sei. Positiv sei weiters, „dass nun Evangelische die Möglichkeit haben, den ganzen Karfreitag als ihren Feiertag zu begehen“. Außerdem sei diese Lösung diskriminierungsfrei. Als „Wermutstropfen“ bezeichnete Bünker allerdings die Tatsache, „dass dieser selbst gewählte Feiertag aus dem bestehenden Urlaubskontingent zu nehmen ist“.

Altkatholische Kirche: Etikettenschwindel

Mit gemischten Gefühlen bewertete die altkatholische Kirche die neue Regelung. Einerseits ist man zufrieden, andererseits aber auch verärgert. Positiv findet es Bischof Heinz Lederleitner, dass es allen Angehörigen von Religionsgemeinschaften möglich wird, an einem besonderen Feiertag freizunehmen.

Dennoch stellt die altkatholische Kirche Österreichs in einer Aussendung fest, dass den altkatholischen und evangelischen Minderheitskirchen etwas weggenommen wird. Es werde „großzügig gestattet“, einen Urlaubstag auf den Karfreitag, der bisher als Feiertag zustand, legen zu dürfen. Aus der Sicht der Kirche ist das ein klarer Etikettenschwindel, hatte doch Blümel zugesagt, dass niemandem etwas weggenommen wird.

Katholische Kirche erfreut

Der Generalsekretär der katholischen Bischofskonferenz, Peter Schipka, bezeichnete es als „erfreulich, dass eine Lösung gefunden wurde, die für Evangelische und Altkatholiken akzeptabel ist und ihnen ermöglicht, den Karfreitag als Feiertag in gewohnter Weise zu begehen“.

Der katholischen Kirche sei es von Anfang an wichtig gewesen, dass Evangelische weiterhin den Karfreitag als Feiertag begehen können – Schipka erinnerte daran, dass auch Kardinal Christoph Schönborn das eingemahnt habe. Dass jetzt eine zufriedenstellende Lösung zustande gekommen sei, „ist Zeichen einer religionsfreundlichen Politik gerade im Blick auf Minderheiten“.