Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache
APA/Robert Jaeger
Karfreitag

„Für 96 Prozent ändert sich nichts“

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) haben am Mittwoch die Streichung des Karfreitags als Feiertag verteidigt. „Für 96 Prozent der Bevölkerung ändert sich gar nichts“, so Kurz im Pressefoyer nach dem Ministerrat. Für Strache wird „kein Feiertag gestrichen“. Die Opposition kritisierte die Regelung scharf – und auch die neue Lösung könnte ein rechtliches Nachspiel haben.

Es werde kein „Feiertag für alle gestrichen, ganz im Gegenteil“, so Kurz. Durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der die bisherige Karfreitag-Regelung gekippt hatte, werde jetzt „Gleichheit hergestellt“. Diejenigen, also Protestanten und Altkatholiken, die bisher mehr Feiertage hatten, haben in „Zukunft gleich viel wie die 96 Prozent, die es sonst noch in diesem Land gibt“, so der Kanzler.

Auch Strache wies Kritik zurück. Mit der „Aufwertung des Urlaubstages“ könnten künftig Protestanten „am Karfreitag gesichert freinehmen“. Auch „alle anderen, Atheisten, Religionsgemeinschaften querbeet“, könnten über diese Sonderregelung ihren persönlichen „Feiertag oder Familientag sicherstellen“. Man habe mit dieser Entscheidung „Diskriminierung verhindert“ und gleichzeitig erwirkt, dass „kein 14. Feiertag wegen 3,6 Prozent kommt“, denn das wäre – wohl im Hinblick auf andere Religionsgemeinschaften – eine „never ending story“ gewesen.

Pressefoyer nach dem Ministerrat

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) verteidigen im Pressefoyer die Karfreitag-Regelung.

Er sieht die Verantwortung für die neue Regelung auch bei der Arbeiterkammer (AK), die „einen Atheisten“ beim EuGH „unterstützt hat“, der eine „Besserstellung“ der Protestanten beklagt habe. Die AK habe unterstützt, das einzuklagen, weil man „offenbar den Protestanten das kollektivvertraglich neidig war, anders kann man das nicht bezeichnen“, so Strache. Jetzt habe man ein „EuGH-Urteil, mit dem man leben muss“.

Keine Änderung bei Jom Kippur

Im Hinblick auf Jom Kippur sagte Kurz, dass sich nichts ändern werde, weil es dafür bisher keinen gesetzlichen Feiertag gab und dieser im Kollektivvertrag geregelt sei. Hätte man die Zahl der Feiertage ausgeweitet, wäre es naheliegend gewesen, dass auch dann alle freihaben wollen, so Kurz weiter. Jom Kippur sei auch kein Thema des EuGH-Urteils gewesen, über den Ausgang einer etwaigen Klage diesbezüglich wollte er nicht spekulieren.

Angesprochen darauf, dass im öffentlichen Dienst am Karfreitag frei sei, verwies Kurz auch auf unterschiedliche Regeln in unterschiedlichen Sparten der Wirtschaft. Selbst im öffentlichen Dienst seien die Regeln sehr divers, er nannte etwa Lehrer und die Polizei als Beispiel.

Antrag der Koalition will Eingriff in Kollektivverträge

Am Mittwoch brachte die Koalition bereits ihren Antrag zur Streichung des Karfreitags als Feiertag ein. Wie von der Regierung angekündigt, wird damit nicht nur das Arbeitsruhegesetz geändert. Auch die zwischen Gewerkschaft und Wirtschaftskammer verhandelten Sonderregeln zum Karfreitag in Kollektivverträgen sollen gestrichen werden – der Generalkollektivvertrag gilt seit fast 70 Jahren. Ob das rechtlich zulässig ist, ist umstritten.

Wörtlich heißt es im Abänderungsantrag (Paragraf 33a, Abs. 28 Arbeitsruhegesetz): „Bestimmungen in Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, die nur für Arbeitnehmer, die den evangelischen Kirchen AB und HB, der Altkatholischen Kirche oder der Evangelisch-methodistischen Kirche angehören, Sonderregelungen für den Karfreitag vorsehen, sind unwirksam und künftig unzulässig.“

ÖVP-Regierungskoordinator Gernot Blümel begründete den Eingriff in den Anfang der 1950er Jahre geschlossenen Rahmenkollektivvertrag damit, dass die dort vorgesehene exklusive Feiertagsregelung für einzelne Religionen im Licht des Urteils des EuGH diskriminierend sei: „Das wäre auf Basis des EuGH-Urteils auch gar nicht anders möglich.“ Laut diesem wäre der Karfreitag als Feiertag prinzipiell allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Österreich zugestanden. Blümel präzisierte die Regelung im Ö1-Morgenjournal – Audio dazu in oe1.ORF.at.

SPÖ beklagt verspäteten Gesetzesantrag

Auch im Nationalrat sorgte die Regelung für Debatten. Die SPÖ beklagte, dass der entsprechende Gesetzesantrag zu spät eingetroffen sei. ÖVP und FPÖ verwiesen auf die Gespräche mit den Religionsgemeinschaften, wegen derer es länger gedauert habe. SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried sagte, dass der Gesetzesantrag gerade einmal wenige Minuten vor Mitternacht eingetroffen sei und damit später als von der Koalition zugesagt – unzumutbar, so Leichtfried. FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz antwortete sinngemäß, dass das Lesen von vier Seiten bis zur Behandlung des Antrags, die Mittwochnachmittag beginnen wird, wohl zumutbar sei.

Anmeldung drei Monate im Voraus

Der freie Tag muss künftig drei Monate zuvor angemeldet werden, für das Jahr 2019 wird eine kürzere Frist definiert. Sollten Arbeitnehmer auf Wunsch des Arbeitgebers dennoch an diesem selbst gewählten „persönlichen Feiertag“ arbeiten, erhalten sie für diesen Tag sämtliche Vergütungen wie an jedem anderen Feiertag. So weit die Rahmenbedingungen, die nach Bekanntgabe am Dienstag für sehr unterschiedliche Reaktionen sorgten.

Neue Regelung für Karfreitag

Der Karfreitag ist kein Feiertag mehr. Stattdessen können Arbeitnehmer einen „persönlichen Feiertag“ Urlaub nehmen. Die Wirtschaft ist zufrieden, die Gewerkschaft empört.

Arbeitsrechtler: Eingriff unzulässig

Der Arbeitsrechtler Franz Marhold von der Wiener Wirtschaftsuniversität hält den geplanten Eingriff in den Generalkollektivvertrag für unzulässig. Marhold verwies darauf, dass sowohl der EuGH als auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Türkei und Deutschland für ähnliche Pläne verurteilt haben.

Marhold gesteht der Regierung zwar zu, dass die Sonderregeln in den Kollektivverträgen geändert werden müssen. Vorgenommen werden müssten die Änderungen aber von den Kollektivvertragspartnern, also von Gewerkschaft und Wirtschaftskammer. „Klarheit und Rechtssicherheit“ – wie von der Regierung behauptet – bringe die aktuelle Regelung damit nicht. „Das wird zu Rechtsstreitigkeiten führen“, sagte Marhold, denn: „Nach meiner Sicht ist durch die gesetzliche Änderung nicht viel gewonnen, weil der Generalkollektivvertrag trotz des Eingreifens des Gesetzgebers unverändert weiter gilt.“

Streichung „politischer Wille“

Arbeitsrechtler Walter Pfeil von der Universität Salzburg hält den geplanten Eingriff in die Kollektivverträge für verfassungswidrig. Außerdem wies er die Behauptung der Regierung zurück, damit nur die Vorgaben des EuGH umzusetzen. Die Streichung des Feiertags am Karfreitag sei keine Vorgabe des EuGH, sondern „politischer Wille“. „Den Zwang, den die Regierung suggeriert, gibt es nicht“, so Pfeil.

„Der EuGH hat gesagt, die Ungleichbehandlung ist nicht zulässig. Aber man kann die Ungleichbehandlung auf verschiedene Weise beseitigen. Es hätten auch alle freibekommen können“, so Pfeil. Deshalb hält der Arbeitsrechtler auch den „relativ unverfrorenen“ Eingriff in jene Kollektivverträge, die den freien Karfreitag weiterhin vorsehen, für verfassungswidrig.

Wirtschaft mit „salomonischer“ Lösung zufrieden

Sehr zufrieden mit der neuen Regelung zeigte sich die Wirtschaftskammer (WKÖ). Generalsekretär Karlheinz Kopf sieht einen „vernünftigen Kompromiss und eine salomonische Lösung eines sehr komplexen Sachproblems“. Zufrieden ist auch der Handel: „Am Karfreitag, einem sehr umsatzstarken Tag für den heimischen Handel, können die Geschäfte in Österreich geöffnet bleiben – und das ist gut so“, so Peter Buchmüller, Obmann der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer. Der Handelsverband zeigte sich in einer Aussendung ebenfalls erfreut und verwies darauf, dass ein Urlaubstag mit Rechtsanspruch bereits im Jänner vorgeschlagen wurde. Auch die Industriellenvereinigung (IV) zeigte sich mit der Lösung einverstanden.

Arbeitsrechtsexpertin zur Karfreitag-Regelung

Was bedeutet der „persönliche Feiertag“, und was wird das nun in der Praxis verändern? Eine Einschätzung von Katharina Körber-Risak, Anwältin und Arbeitsrechtsexpertin.

SPÖ kritisiert neue Regelung scharf

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner übt scharfe Kritik an der Neuregelung der Regierung. Diese sei völlig untauglich und arbeitnehmerfeindlich. Man sehe, wie sehr ÖVP und FPÖ die Wirtschaftsinteressen vor die Interessen der Beschäftigten stellten. Rendi-Wagner erinnerte in einer Aussendung daran, dass ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz, sein Kanzleramtsminister Blümel und die FPÖ noch vor Kurzem versprochen hätten, dass niemandem etwas weggenommen würde: „Jetzt sieht man, was die Versprechen von Kurz, Blümel, Strache und Hofer wert sind.“ ÖVP und FPÖ hätten gelogen. Die SPÖ werde dagegen einen Gesetzesvorschlag für einen allgemein freien Karfreitag einbringen.

Hans Peter Doskozil (SPÖ) sprach sich für einen Karfreitag als Feiertag aus. Hier sei „kein Kniefall vor der Industrie und vor der Wirtschaft zu machen“, sondern „im Sinne dieses Erkenntnisses (des EuGH, Anm.), im Sinne auch unserer Traditionen, unserer religiösen Traditionen“ ein Feiertag einzurichten, so Doskozil am Mittwoch.

ÖGB prüft rechtliche Schritte

Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) geht davon aus, dass die von der Bundesregierung ins Auge gefasste Neuregelung zum Karfreitag rechtlich nicht wasserdicht ist. „Beim ersten Darüberschauen gehe ich davon aus, dass diese Regelung nicht halten wird und anfechtbar ist“, sagte der Leitende ÖGB-Sekretär Bernhard Achitz am Mittwoch zur APA. „Wir werden uns genau ansehen, ob das hält“ – etwa verfassungs- und europarechtlich, sagte er. Man werde mit Hilfe von Experten die vorliegenden Pläne nun genau analysieren. Danach werde der ÖGB entscheiden, wann, wie und wo man klagen wird.

AK-Präsidentin Renate Anderl sprach von einem „Tabubruch“ und „Kniefall vor der Wirtschaft“. „Die Regierung gönnt den Evangelischen, Methodisten und Altkatholiken ihren wichtigsten Feiertag nicht mehr“, sagte sie in einer Aussendung. Zudem sei der Vorschlag, einen Urlaubstag nehmen zu dürfen, unausgereift. „Der Vorschlag liegt erst ein paar Stunden vor und wird schon durchgepeitscht, ohne Begutachtung durch ExpertInnen“, so die Kritik Anderls.

Bischof Bünker: Positive Lösung mit Wermutstropfen

Für den evangelisch-lutherischen Bischof Michael Bünker ist die von der Regierung vorgestellte Karfreitag-Regelung eine „positive Lösung mit Wermutstropfen“. Auch die katholische Bischofskonferenz begrüßte die Neuregelung. Als „Wermutstropfen“ bezeichnete Bünker die Tatsache, „dass dieser selbst gewählte Feiertag aus dem bestehenden Urlaubskontingent zu nehmen ist“. In den Ländern kritisierten evangelische Superintendenten die Lösung: In Oberösterreich hieß es, die Regelung sei „extrem schwach“ – mehr dazu in ooe.ORF.at. In Kärnten zeigte man sich „sehr unglücklich“ über die Lösung – mehr dazu in kaernten.ORF.at.

Mit gemischten Gefühlen bewertete die altkatholische Kirche die neue Regelung. Einerseits ist man zufrieden, andererseits aber auch verärgert. In einer Aussendung stellte die Kirche fest, dass den altkatholischen und evangelischen Minderheitskirchen etwas weggenommen wird. Es werde „großzügig gestattet“, einen Urlaubstag auf den Karfreitag, der bisher als Feiertag zustand, legen zu dürfen. Aus der Sicht der Kirche ist das ein klarer Etikettenschwindel, hatte doch Blümel zugesagt, dass niemandem etwas weggenommen wird.

Der Generalsekretär der katholischen Bischofskonferenz, Peter Schipka, bezeichnete es als „erfreulich, dass eine Lösung gefunden wurde, die für Evangelische und Altkatholiken akzeptabel ist und ihnen ermöglicht, den Karfreitag als Feiertag in gewohnter Weise zu begehen“. Dass jetzt eine zufriedenstellende Lösung zustande gekommen sei, „ist Zeichen einer religionsfreundlichen Politik gerade im Blick auf Minderheiten“. Für die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) ist die Regelung unterdessen eine „vernünftige Zwischenlösung“ – mehr dazu in religion.ORF.at.