Wenn man den künstlerischen Direktor Christian Bauer in der Kunsthalle trifft, wo sich die Büros der Kunstmeile befinden, dann schafft man es kaum die 30 Meter hinüber zur Landesgalerie – so sehr wird man bereits mit enthusiastischen Geschichten empfangen. Da geht es um die Architekten, ums Gebäude, um die Ausrichtung der Galerie für die Zukunft, um die Ausgrabungen, die man im Zuge der Bauarbeiten entdeckt hat.
Denn an der Stelle des Neubaus befand sich im späten Mittelalter ein Donauhafen. Gleich hinter der Kaimauer muss eine Häuserzeile gewesen sein, das könnte wie Venedig ausgesehen haben. Jetzt ist dort moderne Architektur: Sichtbeton, matt silberne Schindeln, eine ungewöhnliche Form, gegenüber der Kunsthalle, einer historischen Tabakfabrik, gleich neben Stein, einem Dorf mit viel mittelalterlicher Bausubstanz.
Kalkulierte Zumutung
Eine klassische Zumutung für die Landbevölkerung, die jahrzehntelang von hässlichen Raiffeisenbank-Filialen (ein Alptraum in Marmor) mitten in historischen Ortskernen traumatisiert wurde. Doch Bauer erzählt, dass die beiden Vorarlberger Architekten bei den zahlreichen Bürgerversammlungen dabei waren und mit ihrer bodenständigen Art die Kritiker ernst nahmen und gleichzeitig ihre Bedenken zerstreuten. Und man muss die Kirche (bzw. das Museum) auch im Dorf lassen: Auf der anderen Seite der Galerie sind eine viel befahrene Straße, ein Kreisverkehr, ein Supermarkt; die reine Altstadtidylle hat man hier nicht zerstört.
Die neue Landesgalerie, die eigentlich Kunstmuseum Krems hätte heißen sollen und aus mysteriösen Gründen umbenannt wurde, wird als „sich drehender Pyramidenstumpf“ beschrieben. Wenn man also eine sehr, sehr spitze Pyramide relativ weit unten abschneidet und diesen Stumpf dann ein kleines Stückchen dreht – Bauer zeigt das mit einer Zitronenpress-Handbewegung –, dann hat man in etwa die Form des Gebäudes vor sich.
Betonmonster mit Wow-Effekt
Abstrakt und reduziert: Das neue Museum um 35 Millionen Euro ist eine markante Bauskulptur mit Schindelpanzer – die Architekten im Porträt.
Zeitreise vom Balkon aus
Außen wird das Ganze von matten silbergrauen Schindeln umgeben, wobei sich das Erdgeschoß mit gewölbten Sichtfenstern nach außen öffnet und oben Richtung Donau ein Balkon aus der Fassade „ausgeschnitten“ wurde, so zumindest ist der Eindruck. Der Balkon ist für sich genommen spektakulär, mit einem großen Fenster, das den Blick auf die mittelalterliche, pittoreske Dächerlandschaft von Stein freigibt (deshalb auch die Schindeln am Gebäude) und sich auf der offenen Seite der Donau zuwendet, samt Sichtachse zum Stift Göttweig am anderen Ufer.
Veranstaltungshinweis
1. März, 17.00 Uhr: Bernhard Marte stellt sich vor geladenen Gästen in Krems einer Diskussion u. a. mit der Juryvorsitzenden Elke Delugan-Meissl und der Architekturkritikerin Ute Woltron, ehe ab 20.00 Uhr das Haus für einen „Backstage Nightwalk“ geöffnet wird.
Am 2. März führt Marte um 15.00 Uhr gemeinsam mit seiner Projektleiterin Alexandra Grups persönlich durch die neue Landesgalerie Niederösterreich.
2. und 3. März: Tag der offenen Tür von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr, mit künstlerischen Interventionen und stündlichen Themenführungen.
Durch den Raum schwimmen
Überhaupt ist der Niederösterreich-Bezug hier wichtig. Das Gebäude dreht sich zur Donau hin und ist Teil des Kunstmeilen-Ensembles. Gezeigt werden soll hier schließlich die umfangreiche Kunstsammlung des Landes Niederösterreich. Ein Schwerpunkt der Sammlung bilden die Werke von Egon Schiele, der ja ein gebürtiger Tullner war und auch kurz einmal in Krems zur Schule ging. Schiele wird in der Galerie gleich von Anfang an eine wichtige Rolle spielen.
Dieses Wochenende findet ja nur das Pre-Opening statt, bei dem das Gebäude präsentiert und von Kunstschaffenden in Szene gesetzt wird – eine unbedingte Empfehlung ist dabei der Besuch der 800 Quadratmeter großen unterirdischen Ausstellungshalle, die die Kunsthalle mit der Landesgalerie verbindet, wo die beeindruckende Lichtskultpur „Matrix XII Krems“ von Erwin Redl gezeigt wird – durch die man durchgehen kann, als würde man durch den Raum schwimmen – ein nachgerade psychedelisches Erlebnis.
Selfies, bevor es Selfies gab
Fünf Ausstellungen sollen jeweils gleichzeitig laufen: eine in der Halle im Untergeschoß und vier weitere in den oberen Stockwerken. Drei davon sind stets thematische Ausstellungen, zwei sind Personalen. Den Anfang macht eine Ausstellung über „Sehnsuchtsräume“ zwischen Mühlen und Mohnblumen, dazu eine Schau über das „Selbst“ – sehr zeitgemäß im Selfie-Zeitalter – mit Werken von Schiele bis Wurm. Zur inhaltlichen Ausrichtung sagt Bauer: „Wir sind ein Haus für Fragen der Gegenwart“ – auch, wenn man Bilder aus der Vergangenheit zeigt.
Dann kann man mit Franz Hauer eine, wie Bauer ausführt, faszinierende Sammlerpersönlichkeit kennenlernen. Als Sohn aus armen Verhältnissen schuftete er sich zum reichen Mann hoch – ihm gehörte schließlich das legendäre Griechenbeisl – und legte sein Geld in Kunst an, in zeitgenössischer Kunst, zu einer Zeit, da kaum jemand für so etwas Geld in die Hand nahm. Ausgesehen habe er dabei wie der „Graf von Monte Christo“, so Bauer.
Schiefe Mauern für die Bilder
Dazu kann man im Erdgeschoß Biennale-Künstlerin Renate Bertlmann und ihre Hennen, Urnen und Herzen treffen. Im dritten Stock kann man in die Bildgeschichten von Wahlweinviertler Heinz Cibulka eintauchen.
Die Ausstellungen eröffnen beim Grand Opening am 25. Mai. Man darf gespannt sein, weil sich die Architekten gemeinsam mit dem Bauherrn dazu entschlossen haben, die Räume im Inneren nicht zu begradigen, sondern ihnen die Wölbungen an den Seitenwänden zu belassen. Die Stockwerke sind quadratisch (weil horizontale Querschnitte einer Pyramide) und verjüngen sich nach oben. Ob die Bilder dann von den schrägen Wänden hängen oder für jede Ausstellung Zwischenwände eingezogen werden, will Bauer nicht verraten – ein bisschen Überraschung soll bleiben.
Details
- Planung: marte.marte architects (Bernhard und Stefan Marte)
- Gesamtkosten: 35 Millionen Euro
- Konstruktion: Stahlbetonskelettbau
- Grundstücksfläche: 2.500 Quadratmeter
- Höhe: 22 Meter
- Ausstellungsfläche: 3.000 Quadratmeter
Ein Wink Richtung Donau
Wie sich die Fassade bei jedem einzelnen Schritt ändert, sodass einem schwindlig werden kann, und wirklich alle paar Meter eine völlig andere Anmutung hat: Einmal sieht sie aus wie eine Welle, dann wie eine Haifischflosse, dann wieder stechen die gewölbten Fenster ins Auge, deren Einfassung eine Schleife bilden – aber nur von einem ganz bestimmten Punkt aus gesehen. Es gibt bei ein und derselben Fassade viel zu entdecken, obwohl sie flächig gestaltet ist.
Von den Analogien hat Bauer am liebsten die „Tänzerin“, als die ein Mitglied der Jury den Entwurf bezeichnet hatte – und das „Segel“, weil damit der Bezug zur Donau hergestellt wird. Die Donau ist ihm wichtig, weil von dort aus viele Touristen die Kunsthalle sehen und Lust auf einen Besuch bekommen sollen. Das kunstaffine Publikum wird neben den Ausstellungen auch mit entsprechenden Events gelockt – die Teilnahme am Donaufestival etwa ist selbstverständlich.