US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un
Reuters/Leah Millis
Treffen Kim – Trump

Nullnummer in Hanoi

Hoffnungen auf eine baldige Friedenslösung für die koreanische Halbinsel haben sich am Donnerstag zerschlagen: Der Gipfel zwischen US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un in Hanoi (Vietnam) endete ohne Ergebnis. Auch für Trump persönlich ist das eindeutig ein Rückschlag.

Der US-Präsident steht durch belastende Aussagen seines Ex-Anwalts Michael Cohen zu Hause unter großem Druck – mit einem Erfolg auf internationaler Bühne hätte er von den Negativschlagzeilen ablenken können. Auch der erhoffte Friedensnobelpreis – Trump rühmt sich, durch die Verhandlungen mit Nordkorea einen Atomkrieg verhindert zu haben – dürfte in weite Ferne gerückt sein.

US-Atomexperte Joseph Cirincione schrieb auf Twitter von einem „herben Schlag“. Das zeige die Grenzen von Verhandlungen, die „ohne Zeitaufwand und Ressourcen“ geführt würden. Der Misserfolg in Hanoi wirft auch ein Schlaglicht auf Trumps diplomatischen Stil: Er bevorzugt Einzelgespräche mit seinen ausländischen Kollegen und verzichtet dafür oft auf die fundierte Arbeit seines Personals einschließlich der Geheimdienste. Sobald er das Gefühl hat, keine Ergebnisse erzielen zu können, beendet er Treffen abrupt – egal, ob auf nationaler oder internationaler Ebene.

US-Präsident Donald Trump während einer Pressekonferenz
AP/Evan Vucci
Trump bezeichnete den Gipfel trotz der ausgebliebenen Einigung als „produktiv“

So war es auch am Donnerstag: Trump sagte, das Spitzentreffen sei vor allem wegen eines Streits über Sanktionen vorzeitig abgebrochen worden. Die Nordkoreaner hätten verlangt, die wegen ihres Atom- und Raketenprogramms verhängten Sanktionen „in ihrer Gesamtheit“ aufzuheben. „Und das konnten wir nicht machen“, sagte Trump.

ORF-Korrespondent Andreas Pfeifer aus Hanoi

Das Gipfeltreffen zwischen US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un wurde vorzeitig und ohne Einigung beendet. ORF-Korrespondent Andreas Pfeifer berichtet.

Nordkorea verzichtet weiter auf Atomtests

Es seien bereits Dokumente zur Unterzeichnung vorbereitet gewesen, aber es wäre falsch gewesen, jetzt zu unterschreiben. Hätte er unterzeichnet, hätten einige Leute gesagt, die USA hätten zu wenig Gegenleistung bekommen. Kim habe aber versichert, keine Raketen oder „irgendetwas, was mit Atom zu tun hat“, zu testen. Trump berichtete, dass die US-Seite neben der Anlage zur Urananreicherung in Yongbyon auch die Schließung weiterer Atomstätten in Nordkorea verlangt habe. „Ich glaube, er war überrascht, dass wir darüber Bescheid wussten.“

Als Fehlschlag wollte Trump das Treffen nicht werten. „Manchmal muss man einfach gehen, und das war einer jener Momente.“ Er sei „optimistisch“, dass die Gespräche vor dem Gipfel und während des Gipfels zu einem „wirklich guten Ergebnis“ in der Zukunft führen könnten. „Ich will es lieber richtig machen als schnell“, sagte Trump.

US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un
APA/AFP/Saul Loeb
Trump über sein Verhältnis zu Kim: „Wir mögen einander“

Trump: „Wir mögen einander einfach“

Trump versicherte, dass sein persönliches Verhältnis zum nordkoreanischen Machthaber weiterhin gut sei. „Wir mögen einander einfach“, sagte Trump. Es gebe eine „Wärme“ in ihrer Beziehung, „und ich hoffe, dass das so bleibt“. Weitere Sanktionen gegen Nordkorea halte er nicht für nötig. „Ich will nicht über verschärfte Sanktionen reden. Es gibt viele tolle Menschen in Nordkorea, die ja auch leben müssen.“

Die USA hatten zuletzt wiederholt gefordert, dass Nordkorea sein Atomwaffenarsenal vollständig, unumkehrbar und nachprüfbar aufgibt. Trump stellte Nordkorea immer wieder einen wirtschaftlichen Aufschwung in Aussicht, sollte es sein Atomprogramm abwickeln. Beobachter hatten daher auf einen Fahrplan für die Denuklearisierung gehofft. Als ein möglicher Abrüstungsschritt galt die Stilllegung der Anlage in Yongbyon.

Worten folgten keine Taten

Spekuliert wurde auch über eine förmliche Beendigung des Kriegszustands. Der Korea-Krieg war 1953 mit einem Waffenstillstand zu Ende gegangen, ein Friedensabkommen gibt es bis heute nicht. Kim antwortete am Donnerstag auf eine Journalistenfrage allerdings, dass die Eröffnung eines US-Verbindungsbüros in Nordkorea „begrüßenswert“ wäre. Auch Trump nannte das eine „großartige Sache“. Konkret vereinbart wurde letztlich nichts.

Eine Neuerung gab es allerdings auf dem Gipfel: Kim beantwortete erstmals Fragen ausländischer Journalisten – mehrfach sogar. Vor einigen Jahren hatte Kim diese noch ignoriert. In Nordkorea selbst wird die Berichterstattung über den Machthaber und seine öffentlichen Auftritte streng kontrolliert. Bei Berichten im Staatsfernsehen wird oft der Ton ausgeblendet, und ein Nachrichtensprecher verliest stattdessen eine Meldung der staatlichen Nachrichtenagentur KCNA.

Hotel Metropole in Hanoi (Vietnam)
Reuters/Kim Kyung Hoon
Wegen der Differenzen fiel auch ein schon vorbereitetes gemeinsames Mittagessen im Hotel aus

Neues Treffen in der Schwebe

Ein ursprünglich geplantes gemeinsames Mittagessen und die Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung wurden von der Tagesordnung gestrichen. Kim und Trump verließen den Tagungsort getrennt in ihren jeweiligen Fahrzeugkonvois. Ein neuer Gipfel zwischen Trump und Kim wurde nach den Worten des US-Präsidenten zunächst nicht vereinbart. Ausschließen wollte er ein neues Treffen nicht: „Wir werden sehen, ob es passiert.“

Trumps Sprecherin Sarah Sanders kündigte in einer schriftlichen Erklärung an, die Verhandlungsteams würden sich „in der Zukunft“ wieder treffen. Trump reiste Donnerstagnachmittag (Ortszeit) vorzeitig aus Hanoi ab, Kim bleibt noch bis zum Wochenende in Vietnam.

Nordkoreas Führer Kim Jong Un und US-Präsident Donald Trump beim Gipfeltreffen 2018
AP/Evan Vucci
Trump und Kim bei ihrem ersten gemeinsamen Treffen im Juni 2018 in Singapur

Trump hatte Kim zum ersten Mal im Juni in Singapur getroffen. Der Gipfel war der erste zwischen einem amtierenden US- und einem nordkoreanischen Staatschef überhaupt gewesen, das Echo auf das meist als „historisch“ bezeichnete Treffen danach international enorm.

„Freund“, „Greis“ und „Raketenmann“

Die USA und Nordkorea einigten sich damals auf einen Ausbau der bilateralen Beziehungen, vor allem aber auf die atomare Abrüstung der koreanischen Halbinsel. Für die Zeit danach prognostizierte Trump Nordkorea eine „fantastische Zukunft“. Er nannte Kim einen „Freund“. Anfang letzten Jahres hatte er ihm noch als Warnung via Twitter ausrichten lassen, er habe den größeren „nuklearen Knopf“. Noch früher hatten sich beide wechselseitig als kleiner „Raketenmann“ auf selbstmörderischer Mission (Trump über Kim) und seniler Greis aus den USA (Kim über Trump) beschimpft.

Obama-Sicherheitsberaterin sah riskantes Spiel

Die Sicherheitsberaterin des früheren US-Präsidenten Barack Obama begrüßte Trumps Entschluss, den Gipfel ohne Einigung zu beenden. Es wäre ein „gewaltiger Fehler“ gewesen, wenn sich die USA darauf eingelassen hätten, alle Sanktionen gegen Nordkorea aufzuheben, ohne eine „wirkliche und vollständige“ atomare Abrüstung zu erreichen, sagte Susan Rice am Donnerstag dem US-Radiosender NPR. Trump habe die richtige Entscheidung getroffen, indem er dem nordkoreanischen Machthaber dieses Zugeständnis nicht gemacht habe.

Rice betonte aber, dass es von vornherein riskant gewesen sei, so heikle diplomatische Verhandlungen auf höchster Ebene zu beginnen, denn offensichtlich habe es ja bisher nicht einmal auf niedriger Ebene funktioniert. Es sei ein großer Gewinn für Nordkorea gewesen, dass sich Kim zweimal auf internationaler Bühne mit dem US-Präsidenten zeigen konnte, fügte sie hinzu.

Moskau fordert erweiterte Treffen

Russland sieht nach dem ergebnislosen Gipfel Chancen für weitere Gespräche. Die Stimmung in Hanoi sei positiv gewesen, um den Dialog zwischen beiden Ländern fortzusetzen, teilte das Außenministerium am Donnerstag in Moskau mit. Nordkorea und die USA müssten mehr aufeinander zugehen, Kompromisslösungen finden und mehr Vertrauen schaffen.

Es sei offensichtlich, dass dieser Prozess „von allen Beteiligten Zeit und maximale Aufmerksamkeit“ erfordere, so das Ministerium. Für eine Lösung auf der koreanischen Halbinsel müssten alle Parteien zusammenarbeiten. Moskau hatte schon vor dem Treffen gefordert, dass auch Südkorea, China, Russland und Japan möglichen Vereinbarungen zustimmen sollten.