Model Elsa Hosk bei einer Victoria’s Secret show
APA/AFP/Timothy A. Clary
Veraltetes Frauenbild

Victoria’s Secret wird abgestraft

Der US-Unterwäschegigant Victoria’s Secret verzweifelt an seinem veralteten Frauenbild: Denn während Start-ups mit neuen Werbestrategien in Windeseile an Bedeutung gewinnen, kämpft der Dessousriese – trotz Supermodels und pompöser Shows – mit schwächelnden Umsatzzahlen.

Das Unternehmen kämpft damit, dass sich BHs, Unterhosen und Pyjamas selbst durch etliche Schlussverkäufe in den 1.200 Geschäften US-weit stapeln. Man wolle das Geschäft erneut genau unter die Lupe nehmen, verkündete der Chef des Eigentümerkonzerns L Brands, Stuart Burgdoerfer.

Das schließe auch die bekannte jährliche TV-Show ein, die bei ihrer Ausstrahlung im vergangenen Dezember die niedrigsten Einschaltquoten ihrer Geschichte verzeichnete. Sie hatte der Marke zu weltweitem Ruhm verholfen. Engagiert wurden dafür seit mehr als zwanzig Jahren nur Topmodels. Heidi Klum, Adriana Lima und Tyra Banks wurden so zu Stars.

Models bei einer Victoria’s Secret Show
Reuters/Mike Segar
Die letzte Victoria’s-Secret-Schau verzeichnete die niedrigste Einschaltquote ihrer Geschichte

„Als wäre es 1999“

Der Druck auf die von Jahr zu Jahr zunehmend schwächelnde Marke, die 1982 von L Brands gekauft worden war, nimmt auch aus anderen Gründen zu: Mit der Marketingstrategie eines veralteten Frauenbildes ist die einstige Kultmarke nicht mehr auf Höhe der Zeit. „Victoria’s Secret macht immer noch Werbung für Frauen, als wäre es 1999“, titelte Bloomberg.

„Die Mode und sogar der Kongress mögen sich ändern, aber die Lingeriemarke“, so die „New York Times“, „hält immer noch an ihren Push-up-BHs und Flügeln fest.“ „Obwohl sich Marketingtrends in Sachen Unterwäsche geändert haben, bleibt Victoria’s Secret bei dem immer gleichen Drehbuch, dass ihm dazu verholfen hat, die Industrie zu dominieren: Push-up-BHs und Promimodels“, schreibt auch CNN.

Dutzende Geschäfte vor Schließung

Teils will man die Notbremse ziehen. 53 Geschäfte in den USA sollen geschlossen werden. Damit sperrt das Unternehmen dreimal so viele Shops zu wie in einem Durchschnittsjahr, wie Mutterkonzern L Brands zuletzt verkündete. Erst am Mittwoch hatte der Konzern die Verkaufszahlen veröffentlicht: Während das jährliche Umsatzwachstum des Unterwäscheherstellers 2018 im Vergleich zu 2017 nahezu gleich geblieben war, verzeichneten Victoria’s-Secret-Shops in den USA und Kanada ein Minus von sechs Prozent. Und: Im vergangenen Jahr wurden drei neue Geschäfte eröffnet, während 30 geschlossen wurden.

Ein Victoria’s Secret Store
Reuters/Aly Song
Der Lingeriegigant will dreimal so viele Shops wie üblich schließen

Ein Vorbild für ein neues Image könnte sich auch im Konzern finden. Das zweite große Zugpferd von L Brands, die US-Parfümeriekette Bath and Body Works, schnitt wesentlich besser ab. Die nachhaltig schlechten Verkaufszahlen von Victoria’s Secret schickten auch die L-Brands-Aktien auf Talfahrt. Am Donnerstag erlebte die Aktie zwischenzeitlich einen zehnprozentigen Kursverfall.

Stars setzen auf positives Körpergefühl

Andere Marken warten indes bereits darauf, dem größten Unterwäschehersteller der USA den Rang abzulaufen. Beispiele dafür sind Aerie von American Eagle Outfitters und die Unterwäschelinie Savage X Fenty der R&B-Sängerin Rihanna. Gemeinsam ist ihnen, dass sie Unterwäsche in unterschiedlichen Konfektionsgrößen für alle Figuren und Größen anbieten.

Models bei Rihanna’s Savage X Show
Reuters/Diane Bondareff
Rihannas Dessouslinie macht VS Konkurrenz

Während Aerie mit einer Kampagne für ein positiveres Körpergefühl laut Euromonitor bereits die Nummer sechs des US-Unterwäschemarkts ist, ist das Interesse an Rihannas Unterwäsche seit dem Launch ihrer ersten Kollektion 2018 – die sofort ausverkauft war – weiterhin ungebrochen. Rihannas Unterwäschelinie wurde nach der Präsentation im Zuge der Fashion Week in New York im Herbst sogar nachgesagt, Victoria’s Secret vom Dessous-Thron zu stoßen.

Ausschluss von Transgender-Models löst Kontroverse aus

Für zusätzliche Negativschlagzeilen sorgte im vergangenen Herbst eine Kontroverse um den Marketingdirektor von Victoria’s Secret, Ed Razek. Damals schloss er in einem Interview mit der „Vogue“ aus, dass die Marke auf Transgender-Models oder rundliche Mannequins zurückgreifen könnte. Heidi Zak, Gründerin des Unterwäschelabels ThirdLove, warf Victoria’s Secret daraufhin in der „New York Times“ vor, Männerfantasien zu bedienen.

Analyst Neil Saunders von GlobalData Retail erklärte gar, „die explizite Sexyness, die Betonung auf Glamour, diese düsteren Geschäfte“ von Victoria’s Secret seien mittlerweile komplett aus der Zeit gefallen und würden den meisten Kundinnen nicht mehr zusagen.