Justizanstalt Innsbruck
ORF.at/Julia Hammerle
Sicherungshaft

Pläne sorgen weiter für Kritik und Skepsis

Die Debatte über die Einführung einer Sicherungshaft für Asylwerber reißt nicht ab. Am Freitag meldeten sich die Österreichische Rechtsanwaltskammer und die Kirche mit scharfer Kritik zu Wort. ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann und der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) äußerten Skepsis.

Schützenhöfer nahm am Freitag am Rande der Angelobung von 320 Soldaten in Zeltweg zu den Plänen von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) Stellung. „Wir sind ein Rechtsstaat, und wenn die Polizei erweiterte Rechte bekommt, dann soll das in einem breiten Konsens erzielt werden. Die Sicherheit ist zu wichtig, als dass wir hier politisches Gezänk aufführen", sagte Schützenhöfer.

„Wir sind doch gerade alle dabei, die Sicherheitsmaßnahmen zu verschärfen, etwa in den öffentlichen Gebäuden, also da muss ja irgendetwas in der Luft liegen. Ich sage Ja, wenn Sie so wollen, dass es einen gewissen Werteverfall gibt und über den man reden sollte, diesem Werteverfall kann ich aber nicht entgegentreten, indem ich alle einsperre“, so Schützenhöfer weiter – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Kickl hält Sicherungshaft „für notwendig“

Kickl hatte am Donnerstag die geplante Sicherungshaft für Asylwerber verteidigt. Voraussetzung sei eine „entsprechende Gefährdungseinschätzung“, betonte er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem niederösterreichischen Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) in Mauerbach. „Da braucht es schon Substanz.“

„Ich halte die Sicherungshaft für notwendig“, sagte Kickl. Er sprach von einem Schritt in die richtige Richtung, um Fälle wie in Dornbirn (am 6. Februar wurde der Sozialamtsleiter der Bezirkshauptmannschaft erstochen, Anm.) zu vermeiden.

Das habe nichts mit einem Angriff auf die Menschenrechte zu tun, sondern schütze vielmehr diejenigen, die potenzielle Opfer werden könnten. Der Minister sprach von der „Schaffung einer rechtsstaatlich sauberen Möglichkeit“ bzw. der „Ausnützung von Möglichkeiten, die uns das Europäische Recht gibt“.

Gottfried Waldhäusl und Herbert Kickl
APA/Herbert Pfarrhofer
Innenminister Kickl (rechts) verteidigte seine Pläne am Donnerstag

Faßmann: „Haft auf Verdacht geht nicht“

ÖVP-Bildungsminister Faßmann dagegen zeigte sich zurückhaltend, was die Einführung einer solchen Haft betrifft. Auf die Frage, ob es „moralisch richtig“ sei, „jemanden auf Verdacht einzusperren“, sagte Faßmann in einem Interview mit den „Oberösterreichischen Nachrichten“ (Freitag-Ausgabe): „Nein, es ist nicht richtig. Haft auf Verdacht geht nicht. Es muss konkrete Anlasspunkte geben, vielleicht auch eine Vorgeschichte, etwa ein Aufenthaltsverbot. Dann kommen wir schon in einen Kriterienkatalog hinein, der zu diskutieren ist. Aber auf Verdacht und ohne Beweise, das ist zu wenig.“

Bildungsminister Heinz Faßmann
APA/Georg Hochmuth
Faßmann: Man müsse „sehr, sehr vorsichtig sein“, wenn es darum gehe, Grundrechte verfassungsrechtlich zu beschneiden

Man müsse „sehr, sehr vorsichtig sein“, wenn es darum gehe, Grundrechte verfassungsrechtlich zu beschneiden, so der Bildungsminister. „Diese zu beschneiden, dafür braucht es wirklich, wirklich gute Gründe. Es schwirren alle möglichen Ideen herum. Es ist die Aufgabe von jenen, die diese Ideen in die Welt gesetzt haben, diese auch zu konkretisieren.“

ÖVP-Justizminister Josef Moser hatte sich am Mittwoch ebenfalls äußerst zurückhaltend zu den Plänen geäußert. Solche Maßnahmen erforderten „große Vorsicht und Fingerspitzengefühl“, mahnte Moser. Es müssten unbedingt die Menschenrechte eingehalten werden.

Wolff: „Tendenzen, die besorgniserregend sind“

Kritik an Kickls Plänen, aber auch an den Aussagen des burgenländischen Landeshauptmannes Hans Peter Doskozil (SPÖ) kam am Freitag auch vom Präsidenten der Österreichischen Rechtsanwaltskammer, Rupert Wolff. 2019 sei ein wichtiges Gedenk- und Jubiläumsjahr, so Wolff bei einer Tagung von europäischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten in Wien, denn vor 30 Jahren sei der Eiserne Vorhang und die Berliner Mauer gefallen.

Kritik an geplanter Sicherungshaft

Die Stimmen gegen die von der Regierung geplante Sicherungshaft werden lauter. Die Rechtsanwälte und Vertreter der Kirche warnen.

Totalitarismus und Unterdrückung seien friedlich überwunden, rechtsstaatliche Strukturen in ganz Europa etabliert worden. Heute sei aber eine schleichende Abkehr von diesen Werten zu erkennen. Leider gebe es in Europa und auch Österreich derzeit „Tendenzen, die besorgniserregend sind“. Wolff erinnerte an Kickls Äußerungen, wonach das Recht der Politik zu folgen habe, sowie an dessen Forderung nach Einführung einer Sicherungshaft für Asylwerber. Manch ein Politiker wünsche sich eine Präventivhaft gleich für alle Bürger, wenn ein psychologisches Gutachten Gefährlichkeit attestiere, sagte Wolff. Ein entsprechender Vorstoß war von Doskozil gekommen.

Er, Wolff, halte das nicht nur für bedenklich aus rechtsstaatlicher und verfassungsrechtlicher Sicht, „sondern schlichtweg für brandgefährlich“. Wer so etwas 30 Jahre nach Ende des Totalitarismus in Europa fordere, benötige „schleunigst Nachhilfe in Geschichte“.

Keine Verfassungsmehrheit in Sicht

Für die Einführung einer Sicherungshaft ist eine Verfassungsänderung nötig. Die dafür erforderliche Zweidrittelmehrheit im Nationalrat kann die Regierung nur mit Hilfe der Oppositionsparteien SPÖ und NEOS erreichen.

Landeshauptmann Doskozil (SPÖ): „Sicherungshaft ist Ablenkung“

Der neue burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil äußert sich im ZIB2-Interview über die geplante Sicherungshaft.

Eine Verfassungsmehrheit scheint derzeit aber nicht in Sicht. Nach NEOS und Jetzt hat nun auch die SPÖ nach einigem parteiinternen Hickhack ihre Linie festgelegt. „Was ich ablehne – und das habe ich von Anfang an gesagt –, ist eine generelle Präventivhaft. Hier ziehe ich eine rote Linie. Eine generelle Präventivhaft und jede Art von Maßnahme, die nicht den Europäischen Menschenrechtsstandards entspricht, lehne ich entschieden ab und ist nicht verhandelbar", zitierte der „Kurier“ (Onlineausgabe) am Freitag SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner.

Schönborn warnt vor Sicherungshaft

Entschieden gegen die Einführung einer Sicherungshaft sprachen sich indes am Freitag Kirchenvertreter aus. „Wenn wir uns einmal daran gewöhnen, dass Menschen im Vorhinein ‚vorsorglich‘ eingesperrt werden können, wohin führt das?“, fragte der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn in seiner Kolumne in der Zeitung „Heute“ am Freitag. Österreich sei „einer der besten Rechtsstaaten der Welt“ und eines der sichersten Länder weltweit. Schönborn wörtlich: „In allen Diktaturen der Welt werden Menschen aus bloßem Misstrauen in Haft genommen. Morgen könnte es auch dich und mich treffen. So weit darf es nicht kommen!“

Kardinal Christoph Schönborn
APA/Hans Klaus Techt
Schönborn: „Wenn wir uns einmal daran gewöhnen, dass Menschen im Vorhinein ‚vorsorglich‘ eingesperrt werden können, wohin führt das?“

Skeptisch zeigte sich der Kardinal, dass der Vorschlag des Innenministers, eine Sicherungshaft einzuführen, lediglich auf Asylwerber beschränkt sei. Wenn das Kriterium für die präventive Haft „Gefährlichkeit“ sei, dann treffe das auch auf „Inländer“ zu. Seine Ablehnung der Sicherungshaft begründet der Wiener Erzbischof zudem damit, dass man Personen bloß zutraut, was sie vielleicht irgendwann einmal tun könnten.

Seitens der Österreichischen Bischofskonferenz bekräftigte deren Generalsekretär, Peter Schipka, die Bedenken des Kardinals gegen politische Pläne zur Einführung einer Sicherungshaft und warnte vor „unabsehbaren Folgen“ für die „grundrechtlich garantierte persönliche Freiheit“ – mehr dazu in religion.ORF.at.

Große Mehrheit dafür

Doch findet die Sicherungshaft in der Bevölkerung offenbar große Zustimmung. Ganze 69 Prozent der Österreicher halten die Präventivhaft für grundsätzlich überlegenswert, wie aus einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Unique research für das Nachrichtenmagazin „profil“ hervorgeht. 38 Prozent halten die Sicherungshaft für „absolut“ überlegenswert, 31 Prozent für „eher“ überlegenswert. Nur 22 Prozent der Befragten halten nichts von einer solchen Maßnahme, neun Prozent hatten dazu keine Meinung.

Für neun von zehn ÖVP-Wählern vorstellbar

Besonders starke Zustimmung findet der Vorschlag bei Anhängern der Regierungsparteien: 86 Prozent der FPÖ-Wähler und 90 Prozent der ÖVP-Wähler können sich die Einführung einer Sicherungshaft vorstellen. Laut der Umfrage begrüßt auch die Mehrheit der SPÖ-Wähler den Vorschlag: Während 34 Prozent eine solche Maßnahme ablehnen, halten 56 Prozent die Einführung einer Sicherungshaft für überlegenswert („ja, absolut“: 20 Prozent, „eher ja“: 36 Prozent). Befragt wurden 500 Personen, die Schwankungsbreite liegt bei 3,5 Prozent.