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ORF.at/Lukas Krummholz
Facebook

Weltweites Lobbying gegen Datenschutz

Der Technologiekonzern Facebook soll eine weltweite Lobbyingoperation gegen strengere Datenschutzgesetze betreiben. Das berichteten britische Medien am Samstag unter Berufung auf interne Dokumente aus dem Unternehmen.

Facebook habe Hunderte Politikerinnen und Politiker rund um den Globus ins Visier seiner Bemühungen genommen, berichteten die Zeitung „Observer“ und das Magazin „Computer Weekly“. Im Gegenzug für Unterstützung gegen strengere Datenschutzgesetze habe der US-Konzern Anreize und Investitionen versprochen.

Die Operation lief laut den beiden britischen Medien in den 28 EU-Staaten, den USA, Kanada, Indien, Vietnam, Malaysia sowie in Argentinien und Brasilien. In der Europäischen Union soll Facebook versucht haben, über die Politikerinnen und Politiker eine „übermäßig restriktive“ Datenschutzgesetzgebung zu verhindern. Die internen Dokumente dürften im Zuge eines derzeit in Kalifornien laufenden Gerichtsprozesses zwischen einer App-Entwicklerfirma und Facebook ans Licht gekommen sein.

Zuckerbrot und Peitsche

Demnach setzte Facebook Investitionen nicht nur als Lockmittel ein. Der Konzern habe Ländern auch gedroht, Investitionen zurückzuhalten, so der „Observer“. In Kanada und Malaysia etwa hätte der Konzern den Bau von Datenzentren und, damit verbunden, die Schaffung zahlreicher neuer Arbeitsplätze in Aussicht gestellt. Als Gegenleistung habe man rechtliche Garantien verlangt.

Die CO-Geschäftsführerin von Facebook, Sheryl Sandberg
APA/AFP/Getty Images/Joe Raedle
Facebooks Kogeschäftführerin Sheryl Sandberg: Ihre Memoiren wurden zum Lobbyinginstrument

Als Kanada gezögert habe, die verlangten Konzessionen umzusetzen, habe Facebooks Kogeschäftsführerin Sheryl Sandberg Druck gemacht: „Sie betonte, dass, wenn wir nicht den Segen der kanadischen Regierung in dieser gesetzlichen Sache bekommen, wir andere Optionen haben“, zitierte der „Observer“ aus einem internen Memo Facebooks. Sandberg hatte offenbar Erfolg: Der zuständige Minister soll die von Facebook gewünschte Übereinkunft noch am selben Tag übermittelt haben, heißt es laut „Observer“ in derselben Notiz.

Sandbergs Memoiren als Lobbyinstrument

Auch die 2013 veröffentlichten „feministischen“ Memoiren Sandbergs soll Facebook zu Lobbyingzwecken genutzt haben. Über das Buch sollte offenbar Kontakt und Einvernehmen mit politischen Entscheidungsträgerinnen hergestellt werden. Ein bedeutendes Ziel dürfte die damalige EU-Justizkommissarin Viviane Reding gewesen sein. In einem Memo ist laut „Observer“ von Redings Schlüsselrolle als „Architektin“ der Europäischen Datenschutzrichtlinie (der Vorgängerin der EU-Datenschutzgrundverordnung, DSGVO) die Rede; und davon, dass Reding „kein Fan“ von US-Konzernen sei.

Bei einer Buchpräsentation samt Abendessen hätten sich Reding und Sandberg damals tatsächlich getroffen, ist in einem internen Memo vermerkt. Erfolg scheint Facebook damals keinen gehabt zu haben: Einige Aussagen Redings während des Treffens werden in dem Memo als „Rückschlag“ gewertet.

Kennys „Wertschätzung“ für Facebook

Das Interesse am Kontakt zur EU-Kommission hat einen Grund: Laut einem Memo soll Sandberg Brüssels Datenschutzgesetzgebung als „kritische“ Gefahr für Facebook bezeichnet haben. In der Notiz, die 2013 nach dem Weltwirtschaftsforum in Davos entstanden sein soll, soll Sandberg von einem „aussichtslosen Kampf“ an der „Daten- und Datenschutzfront“ in Europa gesprochen haben.

Besonders pikant ist in diesem Zusammenhang die Rolle des früheren irischen Premierministers Enda Kenny. Facebook hat seine Europazentrale in Irland. Aus diesem Grund hat die irische Datenschutzbehörde (DPC) bei der Überprüfung Facebooks eine erweiterte Kompetenz.

Der ehemalige Premierminister Irlands, Enda Kenny
Reuters/Clodagh Kilcoyne
Irlands früherer Premierminister Enda Kenny soll Facebook großzügige Versprechen gemacht haben

In einem Memo ist die Rede von Kennys „Wertschätzung“ für die Entscheidung Facebooks, sein Europahauptquartier in Dublin einzurichten. Weiters ist die Rede davon, dass Kenny in Sachen EU-Datenschutzrichtlinie „signifikante Einflussnahme“ auf andere EU-Staaten während der irischen EU-Ratspräsidentschaft im Jahr 2013 in Aussicht gestellt habe, obwohl Irland „aus technischer Sicht neutral in seiner Rolle (als Ratsvorsitzland, Anm.) bleiben sollte.“

Ein Facebook-Sprecher erklärte auf Anfrage des „Observer“, die angesprochenen Dokumente seien derzeit gerichtlich unter Verschluss. Sie würden nur eine Seite der Geschichte abbilden und ließen wichtigen Kontext aus.