Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT)
ORF.at/Carina Kainz
Verfassungsschutz

Mutmaßlicher IS-Kämpfer ist Österreicher

Nach der Prüfung eines in Sozialen Netzwerken kursierenden Videos eines mutmaßlichen Kämpfers der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) aus Österreich geht das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) von der Echtheit der Aufnahmen aus. „Bei der darauf zu sehenden Person handelt es sich um einen österreichischen Staatsbürger mit türkischen Wurzeln“, teilte das Innenministerium am Montag auf Anfrage der APA mit.

Das Video sei sichergestellt und samt Bericht an die Staatsanwaltschaft übermittelt worden, hieß es weiter. Am Wochenende waren Informationen zur möglichen Festnahme eines österreichischen IS-Kämpfers durch kurdische Einheiten in Syrien aufgetaucht. Ein in einem Lager aufgenommenes Video zeigte laut Medienberichten einen jungen Mann, der angab, aus Wien zu sein.

Er könnte der erste IS-Kämpfer aus Österreich sein, den die kurdischen Einheiten gefasst haben. Laut „Standard“ ist der Mann im 20. Wiener Gemeindebezirk Brigittenau aufgewachsen. Als Sohn von kurdischen Aleviten aus der Türkei habe er sich in Wien gegen seine Eltern gewandt. Er sei von Salafisten angesprochen worden und in einer Moschee im zweiten Bezirk radikalisiert worden. Er habe mit seinem bisherigen Umfeld gebrochen und sich zu einem radikalen Islamisten gewandelt, schreibt die Zeitung.

Eltern drängten auf Ausreiseverbot

Er sei bei seiner ersten Einreise nach Syrien verwundet worden und anschließend nach Wien zurückgekehrt. Damals sei er von den Behörden mehrere Stunden einvernommen worden, so die Zeitung weiter. Seine Eltern hätten sich an die Polizei gewandt und darauf gedrängt, ein Ausreiseverbot zu verhängen. Das erfolgte aber offenbar nicht. Anschließend sei er ein zweites Mal nach Syrien ausgereist, habe sich zuerst der Al-Nusra-Front angeschlossen, die danach im IS aufgegangen sei, heißt es im „Standard“ weiter.

Der Mann stammt aus der kurdischen Gemeinde in Wien und galt daher als kurdischer Alevit im IS nicht als vollwertig und wurde als Schutzschild gegen die kurdischen Milizen verwendet, so die Zeitung weiter. Eine Flucht aus dem IS sei nicht geglückt. Der Mann soll laut „Standard“ kein Einzelfall sein. Etliche junge Männer, „die in einem liberalen, linken, der Türkei sehr kritisch gegenüberstehenden Umfeld aufgewachsen sind, wandten sich von ihren Familien und bisherigen Freunden ab und waren für den politischen Salafismus und den Dschihad ansprechbar“, wie die Zeitung weiter schreibt.

Rund 90 IS-Rückkehrer bis Anfang 2019

An die 100 IS-Kämpfer aus Österreich dürften sich laut BVT noch in Syrien und im Irak befinden. Insgesamt waren dem Verfassungsschutz mit Anfang des Jahres 320 „aus Österreich stammende Personen“ bekannt, die sich aktiv am Dschihad in Syrien und dem Irak beteiligen oder beteiligen wollten.

Von ihnen besitzen etwa 30 Prozent die österreichische Staatsbürgerschaft, 40 Prozent stammten aus Russland, der Rest verteile sich auf andere Länder. Etwa 60 davon sind bisher in Syrien und dem Irak ums Leben gekommen, etwa 60 Personen konnten bis Anfang 2019 an einer Ausreise gehindert werden. 90 „Foreign Fighters“ seien bis Anfang 2019 nach Österreich zurückgekehrt, hieß es.

„Gegen alle Rückkehrer wurden und werden Ermittlungsverfahren nach Paragraf 278b StGB wegen terroristischer Vereinigung eingeleitet und Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft erstattet. Über die weiteren Schritte entscheiden die Justizbehörden“, teilte das Innenministerium im Februar der APA mit. Für die „Foreign Terrorist Fighters“ gebe es in der Regel Festnahmeanordnungen und eine internationale Fahndung wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.

Pilz sieht Behördenversagen

Gleich nachdem das BVT das Video als echt bezeichnete hatte, kam Kritik von Peter Pilz (Jetzt). „Trotz Anzeige durch die Eltern beim BVT konnte ein österreichischer Dschihadist in den syrischen Bürgerkrieg ausreisen“, so Pilz in einer Aussendung. Er befürchte hier nach dem Mord in Dornbirn den zweiten Fall von schwerem Behördenversagen im Innenministerium, hieß es weiter.

„Ein vielfach vorbestrafter Gewalttäter wird nicht in Schubhaft genommen. Ein gefährlicher Dschihadist kann unbehelligt von Wien aus in den Krieg ziehen. Und ein Minister, der dafür die politische Verantwortung trägt, greift statt Gewalttätern die Menschenrechte an“, so Pilz weiter.

Pilz will die Causen im Parlament klären und fordert in seiner Aussendung einen Unterausschuss des Innenausschusses, in dem alle Akten vorgelegt werden. Pilz kritisierte erneut Innenminister Herbert Kickl (FPÖ). Dieser trage die Verantwortung für die schwere Beschädigung des BVT. Pilz appellierte an die ÖVP, dem Innenminister „nicht weiter die Stange zu halten“.