Menschen in einem Warteraum am Flughafen
Getty Images/spyderskidoo
Handgepäck

Fluggäste im Regel-Wirrwarr

Wer nur mit Handgepäck fliegt, für den gibt es richtig günstige Angebote. Vor dem Buchen lohnt sich allerdings ein zweiter Blick. Die Regeln für die Mitnahme kleiner Taschen und Koffer an Bord variieren von Fluglinie zu Fluglinie. Vor allem bei Billigairlines kann es für Reisende unübersichtlich werden – und teurer als gedacht.

Ab 31. März brechen für Passagierinnen und Passagiere von Lauda neue Zeiten an. Mit diesem Datum übernimmt die Fluglinie, die unlängst den Zusatz „motion“ aus dem Namen strich, die Handgepäcksregeln ihrer Muttergesellschaft, der irischen Billigairline Ryanair. Kostenlos an Bord mitnehmen dürfen Reisende künftig nur ein kleines Gepäcksstück. Es darf maximal 40 mal 25 mal 20 Zentimeter messen und muss unter dem Sitz verstaut werden. Ein zweites Handgepäcksstück kostet extra.

Bei Ryanair traten die Bestimmungen vergangenen November in Kraft – und brachten der Airline prompt Ärger ein: Die italienische Wettbewerbsbehörde brummte der Fluggesellschaft eine Strafzahlung auf. Das neue Preismodell sei eine unzulässige Geschäftspraxis, führe Konsumentinnen und Konsumenten in die Irre und verzerre den realen Preis einer Flugreise, hieß es. Ryanair argumentiert, dass die neuen Regeln für eine schnellere Abfertigung an den Sicherheitskontrollen sorgen, die Boardingzeit verkürzen, die Pünktlichkeit der Flüge verbessern und die Handgepäcksmengen reduzieren.

Keine einheitlichen Maße

Hinter der Auseinandersetzung in Italien verbirgt sich ein größeres Thema: International verbindliche Standards für Handgepäck fehlen. Was es gibt, sind lediglich Empfehlungen. Der internationale Dachverband der Fluggesellschaften (IATA) hat im Jahr 2015 einen Richtwert herausgegeben. In die Kabine mitgenommen werden dürfen demnach Gepäcksstücke mit den maximalen Abmessungen von 55 Zentimetern Höhe, 35 Zentimetern Breite und 20 Zentimetern Tiefe.

Eine Maschine der Laudamotion am Flughafen Wien-Schwechat
APA/Helmut Fohringer
Lauda übernimmt die strengen Handgepäcksregeln von Ryanair

Viele Airlines haben die Empfehlung nicht übernommen. Bei Austrian Airlines, Swiss und Lufthansa etwa darf das Gepäcksstück 23 Zentimeter tief sein. Ein kleiner Unterschied mit großen Auswirkungen: Das zusätzliche Füllvolumen entspricht etwa jenem eines größeren Rucksacks. Air France-KLM und der britische Billiganbieter easyJet gewähren noch großzügigere Maße. Wizz Air dagegen erlaubt seit dem Vorjahr nur noch die kostenfreie Mitnahme eines kleinen Stücks Handgepäck. Die italienische Wettbewerbsbehörde sah wie schon bei Ryanair eine unzulässige Geschäftspraxis und verhängte eine Geldstrafe gegen die ungarische Billigfluglinie.

Richtig kompliziert wird es, wenn es um die Mitnahme eines zweiten Handgepäcksstücks geht. Bei vielen Airlines aus dem Billigsegment müssen Fluggäste dafür extra bezahlen oder ein Priority-Paket erwerben. Manche Fluglinien erlauben eine zusätzliche „kleine Tasche“ an Bord, andere ein kleines Gepäcksstück mit bestimmten Abmessungen. Einige wenige Airlines untersagen die Mitnahme eines zweiten Gepäcksstücks generell.

„Eine gewisse Verzerrung“

Das Dickicht an unterschiedlichen Bestimmungen erschwere den Preisvergleich für Kundinnen und Kunden, kritisieren auch österreichische Konsumentenschutzorganisationen. Sie sehen vor allem ein Problem bei Buchungsplattformen. „Es gibt eine EU-Verordnung, wonach der zu zahlende Endpreis immer inklusive Steuern und Abgaben kenntlich gemacht werden muss“, sagt Robert Panowitz von der Arbeiterkammer gegenüber ORF.at. Daneben gebe es allerdings die „fakultativen Zusatzkosten“.

Sie können für das Bordmenü, die Wahl des Sitzplatzes oder Umbuchungen anfallen – aber laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) auch für die Beförderung von aufgegebenem Gepäck und einem zweiten Handgepäcksstück. Handgepäck an sich sei aber „grundsätzlich als unverzichtbarer Bestandteil der Beförderung von Fluggästen anzusehen“, heißt es im EuGH-Urteil. Für die Beförderung dürfe daher kein Zuschlag verlangt werden, „sofern sein Gewicht und seine Abmessungen vernünftigen Anforderungen entsprechen und die einschlägigen Sicherheitsbestimmungen erfüllen“.

Gestell, mit dem man Handgepäck vermessen kann
Getty Images/Christopher Ames
Die Größe der erlaubten Handgepäcksstücke variiert von Airline zu Airline

Die „fakultativen“ Kosten müssen laut Panowitz nicht bei Beginn der Onlinebuchung aufscheinen, sondern erst im Laufe des Buchungsprozesses. „Faktisch entsteht dadurch eine gewisse Verzerrung“, so der Fachmann: „Wichtig ist es, sich nicht auf die ersten Suchergebnisse zu verlassen, sondern die Preise auf den Seiten der Airlines zu vergleichen.“ Beate Gelbmann vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) rät gegenüber ORF.at zudem, bei einer Buchung über eine Onlineplattform jeden Schritt mit Screenshots zu dokumentieren.

Kundinnen und Kunden sollten sich vor der Buchung jedenfalls genau über die Handgepäcksbestimmungen und etwaige Zusatzkosten der jeweiligen Fluggesellschaft informieren, so die Konsumentenschutzorganisationen. Nicht alle von den Airlines verlangten Zusatzkosten sind erlaubt: Erst unlängst erklärte ein Gericht in Niederösterreich die Check-in-Gebühr von Lauda für unzulässig – mehr dazu in help.ORF.at. Grundsätzlich dürfen die Fluggesellschaften Zusatzangebote nur mit „Opt-in“ anbieten. Das heißt, Kundinnen und Kunden müssen dezidiert zustimmen, wenn sie Dienstleistungen wie WLAN oder Extragepäck erwerben wollen.

Nebeneinnahmen für Airlines immer wichtiger

Das Geschäft mit den billigen Flügen ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Bereits jeder dritte Flug in Europa wird von einer Billigairline durchgeführt, zeigen Zahlen der Eurocontrol. Mittlerweile hat der Billigboom auch die Langstrecke erfasst. Das könnte in den kommenden Jahren dazu führen, dass Langstreckenflüge zunehmend auch von mittelgroßen Flughäfen starten.

Handgepäck in der Ablage eines Flugzeuges
Getty Images/Jodi Jacobson
Zusatzeinnahmen, etwa aus Aufpreisen für die Gepäcksmitnahme, werden für die Fluggesellschaften immer wichtiger

Mit den sinkenden Ticketpreisen gewinnen Nebeneinnahmen für die Airlines wirtschaftlich an Bedeutung. In den vergangenen vier Jahren seien die Zusatzerträge der Fluggesellschaften um 128 Prozent auf rund 65 Milliarden Dollar (57 Mrd. Euro) gestiegen, errechnete die Reisetechnologieplattform CarTrawler. Die tatsächlichen Einnahmen dürften aber noch höher liegen: „Da es weltweit weit über 300 Fluggesellschaften gibt, ist die Zahl von gerundet 65 Mrd. Dollar für die Branche mit Sicherheit zu tief gegriffen“, schrieb die „Neue Zürcher Zeitung“ („NZZ“) in einer Analyse. Zudem seien die Einnahmen aus Kundenbindungsprogrammen hier nicht eingerechnet.

Bei der Suche nach zusätzlichen Einnahmequellen sind die Airlines kreativ, was die Erweiterung des Dienstleistungsangebots betrifft. Manche Ideen gehen freilich zu weit: Ryanair-Chef Michael O’Leary hatte einst die Idee ins Spiel gebracht, einen Münzschlitz an der Tür der Flugzeugtoilette anzubringen. Nachdem der US-Konzern Boeing und die US-Aufsichtsbehörde Federal Aviation Authority (FAA) ihre Zustimmung zu dem Vorhaben verweigerten, ruderte O’Leary zurück.