Eine junge Frau und ein junger Mann beim Laufen in einem Park
ORF.at/Dominique Hammer
Fit ins Frühjahr

Die Entdeckung der Langsamkeit

Der Winter nimmt Abschied, der Frühling steht vor der Tür, und mit ihm der Wunsch vieler, wieder in Form zu kommen. Beim Einstieg oder Wiedereinstieg ins Training gibt es einiges zu beachten – und die Langsamkeit für sich zu entdecken.

Sonnenschein und blauer Himmel, milde Temperaturen und sattes Grün: Ein Lauf oder eine Radtour durch die Natur tragen durchaus zur Entspannung bei. Das sei aber nur selten Grund dafür, warum Menschen mit dem Training beginnen, so der Sportwissenschaftler und Trainingstherapeut Michael Koller von der Wiener Sportordination gegenüber ORF.at.

Die Hauptmotivation für das Sporteln sind laut Koller gesundheitliche und ästhetische Gründe – etwa das Abnehmen, einer der beliebtesten Neujahrsvorsätze – und Leistungsziele. Zu Letzterem gehören etwa der Business-Run mit den Kolleginnen und Kollegen. Oder die Vorstellung, endlich einmal einen Halbmarathon oder Marathon anzugehen.

Der Trend zum Schinden des eigenen Körpers ist in Österreich ungebrochen, das lässt sich auch aus den wirtschaftlichen Zahlen der Fitnessbranche ablesen. Mehr als eine halbe Million Österreicherinnen und Österreicher haben eine Mitgliedschaft in einem Fitnesscenter. Im Jahr 2017 setzten die heimischen „Muckibuden“ über 240 Mio. Euro um. Beide Werte steigen seit Jahren. Auch der Markt für Sportartikel wächst stark. In Österreich werden jährlich mittlerweile 2,8 Mrd. Euro für Sportbekleidung, Accessoires und Sportgeräte wie Mountain- oder E-Bikes ausgegeben.

Durchgecheckt ins Training

Aber egal, ob Sport im Grünen oder im Fitnesscenter: Das „Allerwichtigste“ vor dem Start ins Training sei, „abzuklären, wie es um die Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit steht“, sagt Koller, „besonders für die Gruppe der über 35-Jährigen“. Dazu gibt es zwei Verfahren: die sportmedizinische Untersuchung und die Leistungsdiagnostik.

Zwei Frauen beim Laufen
ORF.at/Dominique Hammer
Vor dem Einstieg ins Training sollte man sich körperlich durchchecken lassen

Bei der sportmedizinischen Untersuchung wird unter anderem ermittelt, ob Bluthochdruck oder Störungen im Herz-Kreislauf-System vorliegen. Auch ein Eisen- oder Vitamin-D-Mangel, wie er oft nach den langen Wintermonaten auftritt, kann beim Gesundheitscheck festgestellt und behandelt werden. Selbiges gilt für Probleme mit dem Bewegungsapparat. Im Laufbereich lässt sich so häufigen Verletzungen und Beschwerden wie dem „Läuferknie“ und Entzündungen der Achillessehnen (Achillodynie) vorbeugen.

Die Leistungsdiagnostik dient dazu, wie der Name schon sagt, die aktuelle Leistungsfähigkeit zu bestimmen. Daraus ableiten lassen sich unterschiedliche Trainingsfrequenzzonen für ein differenziertes und abwechslungsreiches Training und „die richtige Herzfrequenz für das Fettstoffwechseltraining“, wie Koller es ausdrückt.

Eine Frage der Frequenz

Während sich der Laufsport in den vergangenen Jahren größter Beliebtheit in Österreich erfreut, ist er nicht für jede und jeden von Beginn an möglich: „Jeder Mensch ist anders“, sagt Koller. Manche Personen sind körperlich nicht in der Lage, zwei- bis dreimal pro Woche joggen zu gehen oder länger als 30 Minuten durchgehend zu laufen. Diese Menschen sollten sich zusätzlich zum Laufen um Alternativen umsehen, sagt der Sportwissenschaftler – etwa radeln, schwimmen oder gehen.

Eine junge Frau beim Dehnen
ORF.at/Dominique Hammer
Während des Lauftrainings können immer wieder kräftigende Übungen eingestreut werden

Was man allgemein braucht, sei ein Ziel, sagt Koller. Und, in einem zweiten Schritt, einen Trainingsplan. Und Gelassenheit, vor allem im Ausdauersport: „Viele Anfänger beginnen mit einem zu hohen Lauftempo“, sagt Koller. Das erhöht nicht nur die Verletzungsgefahr, sondern greift auch die falschen Reserven im Körper an.

„Wer zu schnell startet, der räumt seinen Kohlenhydratspeicher aus, tastet das Fett aber nicht an“, sagt der Experte. Während der Körper 1.500 Kilokalorien in Kohlenhydraten gespeichert hat, sind die Fettdepots selbst bei schlanken Menschen mit 70.000 bis 80.000 Kilokalorien gut gefüllt. Diese Reserven greift der Körper beim langsamen Laufen im richtigen Herzfrequenzbereich an.

Motivation durch Vergleichbarkeit

Den vielzitierten „inneren Schweinehund“ zu überwinden ist eine Sache; die andere ist es, dranzubleiben und das Training konsequent fortzuführen. Hier setzt einer der großen Fitnesstrends der vergangenen Jahre an: Wearables. Gemeint sind Gadgets und Apps, mit denen sich die sportliche Leistung messen lässt. Das Dokumentieren des eigenen Fortschritts kann wiederum für zusätzliche Motivation sorgen.

Eine Gruppe junger Leute macht Liegestütze
ORF.at/Philip Pfleger
Hochintervalltraining ist einer der großen Fitnesstrends der vergangenen Jahre

Hoch war das Interesse in den vergangenen Jahren auch an HIIT, hochintensivem Intervalltraining. Der Körper wird dabei in kurzen, intensiven Schüben an die Leistungsgrenze gebracht. Die Pausen zwischen den einzelnen Übungen werden extrakurz gehalten, die Workouts dauern zwischen 20 und 30 Minuten. Mit dieser Trainingsmethode lassen sich in kurzer Zeit große Erfolge verzeichnen. Allerdings besteht beim HIIT auch ein höheres Risiko, sich zu überlasten.

„In Studien zeigt HIIT nach acht bis zwölf Wochen sehr große Erfolge. Langzeitstudien über ein halbes Jahr oder Jahr fehlen aber“, sagt Koller. Er empfiehlt die Trainingsart als Ergänzung zum regulären Ausdauertraining – etwa zweimal Training der Grundlagenausdauer auf niedriger Intensität und einmal Hochintervalltraining pro Woche.

Differenziert essen

Daneben gibt es laut Koller noch zwei weitere Schlüssel zum Trainingserfolg. Regeneration und Krafttraining. Sechs bis acht Stunden Schlaf seien für die optimale Regeneration des Körpers notwendig. Differenziert vorgehen sollte man laut Koller nicht nur beim Training, sondern auch bei der Ernährung: Nach intensiven Einheiten sollten Speisen mit hohem Kohlenhydratanteil auf dem Speiseplan stehen, nach „Fettstoffwechseleinheiten“ sollte wiederum auf die Aufnahme von Fett und Kohlenhydrate verzichtet werden.

Überwindung auf dem Spielplatz

Für Eltern kleiner Kinder stellt regelmäßiges Training eine große Herausforderung dar. Koller empfiehlt, den Arbeitsweg zu nutzen, mit dem Fahrrad ins Büro zu fahren oder zu laufen (sofern eine Dusche vorhanden ist). Essentiell sei zudem gutes Zeitmanagement, sodass der Partnerin oder dem Partner genug Freiraum bleibt.

Bei Radtouren könne man die Kinder im Anhänger mitnehmen, sagt Koller, selbst Vater zweier kleiner Kinder. Und auf dem Spielplatz können Eltern „mitspielen“ und die Spielgeräte der Kleinen für Klimmzüge nutzen, „aber nicht auf Leistung, sondern um den Körper einen Reiz zu geben“. Auch wenn das Herumturnen vor anderen Eltern auf dem Spielplatz einiges an Überwindung kostet, sieht Koller einen Zusatznutzen: Man zeige den Kindern vor, wie sich Bewegung in den Alltag integrieren lässt.