Roundup wird gespritzt
Reuters/Benoit Tessier
Gericht zu Lebensmittelbehörde

Glyphosat-Studien müssen öffentlich werden

Umstrittene Studien über das Krebsrisiko des Unkrautvernichters Glyphosat müssen nach einem Urteil des EU-Gerichts öffentlich gemacht werden. Das Gericht verurteilte am Donnerstag die Weigerung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), keinen Zugang zu Studien über die Toxizität und die krebserregende Wirkung des Wirkstoffs Glyphosat zu gewähren.

Es gebe ein Interesse der Öffentlichkeit am Zugang zu solchen Informationen. Dieses Interesse bestehe nicht nur darin zu wissen, was in die Umwelt freigesetzt werde, heißt es in der Begründung des Urteils. Die Öffentlichkeit sollte auch verstehen, in welcher Weise die Umwelt durch die fraglichen Emissionen beeinträchtigt werden kann.

Glyphosat ist eine in Pestiziden – also Pflanzenschutzmitteln – verwendete chemische Substanz und eines der gängigsten Herbizide in der EU. Es wurde von 1. Juli 2002 bis 30. Juni 2012 in die Liste der zugelassenen Wirkstoffe aufgenommen. Diese Aufnahme wurde vorübergehend bis 31. Dezember 2015 verlängert. Die jüngste Verlängerung von Ende 2017 gilt nun weitere fünf Jahre. Ein Antrag auf Zugang zu Dokumenten im Zusammenhang mit zwei Toxititätsstudien war von der EFSA verweigert worden.

Wie die Kläger argumentierten

Die Kläger, unter anderen vier grüne EU-Parlamentarier, verwiesen darauf, dass das Internationale Krebsforschungszentrum im März 2015 Glyphosat als potenziell krebserregend eingestuft hatte. Gleichzeitig hatte der Peer-Review der EFSA im November 2015 angegeben, dass Glyphosat für den Menschen wahrscheinlich nicht krebserregend sei.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte Glyphosat 2015 als „wahrscheinlich krebserregend für den Menschen“ eingestuft. Die US-Umweltschutzbehörde hatte dagegen 2017 eine jahrzehntelange Bewertung der Risiken von Glyphosat abgeschlossen und erklärt, dass die Chemikalie für Menschen wahrscheinlich nicht krebserregend sei. Auch die Aufsichtsbehörden in der EU und Deutschland, der Heimat des Bayer-Konzerns, gelangten zu dem Schluss, dass keine Krebsgefahr von dem Herbizid ausgehe.

Prozess gegen Monsanto könnte Bayer zusetzen

Die Bayer-Tochter Monsanto muss sich unterdessen erneut wegen angeblicher Krebsrisiken ihres Unkrautvernichters Roundup mit dem Wirkstoff Glyphosat vor Gericht verantworten. Ende Februar begann in San Francisco der Prozess des Klägers Edwin Hardeman gegen Monsanto.

Hardeman macht Roundup von Monsanto für seine Erkrankung an Lymphdrüsenkrebs verantwortlich. Er wirft dem im vergangenen Jahr von der deutschen Bayer AG für 63 Milliarden Dollar (55,6 Mrd. Euro) übernommenen US-Saatgutriesen zudem vor, die Risiken des Produkts verschwiegen zu haben.

Für Bayer ist der Rechtsstreit brisant, denn es handelt sich um einen „Bellwether Case“ genannten Musterfall in einem Massenverfahren, der richtungsweisend für viele weitere Klagen ist. Insgesamt ist Bayer mit rund 1.300 US-Klägern konfrontiert, Hunderte Klagen sind bei Richter Vince Chhabria im nördlichen Bezirk von San Francisco gebündelt.

Wie wissenschaftlich sind die Studien?

Der Konzern weist die Anschuldigungen energisch zurück. Schon seit Monaten liegen die Anwaltsteams der Streitparteien bei der Prozessvorbereitung im Clinch. Vor allem geht es um die Frage, welche Studien als potenzielle Beweismittel zugelassen werden. Der Richter ließ einige der umstrittenen Dokumente als Beweismittel zu. Chhabria hatte Ende Jänner erklärt, die Kläger könnten bereits während der ersten Verfahrensphase Beweise für Monsantos angebliche Versuche einbringen, Studien über Glyphosat als Ghostwriter zu verfassen.

Zudem soll das Unternehmen versucht haben, auf die Ergebnisse von Wissenschaftlern und Aufsichtsbehörden Einfluss zu nehmen. Der Konzern hatte eigentlich darauf hoffen können, dass diese Unterlagen von den anstehenden Verfahren ausgeschlossen würden, nachdem Chhabria Anfang Jänner Beweise für ein unternehmerisches Fehlverhalten eingeschränkt hatte.

Schock bei Bayer nach erstem Urteil

Das erste Urteil in einem US-Rechtsstreit über Glyphosat hatte im August für großes Aufsehen gesorgt und klargemacht, wie riskant die rund 63 Milliarden Dollar teure Monsanto-Übernahme für Bayer ist. Eine Geschworenenjury hatte entschieden, dass das Unternehmen dem Krebspatienten Dewayne Johnson insgesamt 289 Millionen Dollar (255 Mio. Euro) zahlen müsse. Zwar senkte die zuständige Richterin die Summe später drastisch, und auch der geringere Schadenersatz sagt bisher wenig aus, da der Konzern Berufung eingelegt hat. Dass es aber überhaupt zu einem Schuldspruch kam, war ein Schock, der die Bayer-Aktie auf Talfahrt schickte und stark am Börsenwert zehrte.