Eindringlich und gleichzeitig verletzlich klingt Paenda in dem von ihr selbst geschrieben Song. Weltpremiere hatte der Song Freitagfrüh im Ö3-„Wecker“. Es sei eine bewusste Entscheidung, den Song ruhig zu belassen, sagte die Steirerin – mehr dazu in oe3.ORF.at.
Tatsächlich gewinnt das Lied mehr und mehr Intensität, die große Eskalation mit Pauken und Trompeten, wie sie gerade bei Song-Contest-Beiträgen sehr häufig vorkommt, bleibt aber aus. Der fast schon gehauchte und dennoch eindrucksvolle Gesang vermittelt Intimität – diese auch live auf der Bühne mit Tausenden Zusehern in der Halle und Millionen vor den Fernsehgeräten zu bringen wird wohl eine Herausforderung für Paenda.
Untypischer Song für Paenda
Bei der Song-Auswahl sei es ihr darum gegangen, etwas auszusagen, sagte Paenda bei der Präsentation des Songs im ORF-Zentrum. Sie thematisiere darin, Gefühle und auch Schwächen zu zeigen. Ihr Song kritisiere den Druck, den jeder in der Gesellschaft spüre. „Man muss immer stark, immer gut gelaunt, immer perfekt sein.“
Die eigentlich für den Song Contest geplante Nummer wurde verworfen. Bei der Auswahl aus den Liedern ihres zweiten Albums sei schnell klar geworden, dass es „Limits“ wird – auch wenn der Song eigentlich untypisch für sie sei: Ihre bisherigen Singles sind ja flottere Nummern. „Wir brechen mit dem Song Erwartungshaltungen. Das Übliche ist mittlerweile sehr vorhersehbar und fad“, meinte ORF-Musikexperte Eberhard Forcher, der gemeinsam mit einer Fachjury Künstlerin und Song auswählte.
Song polarisiert
Die ersten Reaktionen in den einschlägigen Song-Contest-Blogs und -Foren zeigen, dass „Limits“ durchaus polarisiert. Während die einen mit dem reduzierten Sound wenig anfangen können, schwärmen andere von der Stimme und der Atmosphäre. Auch bei den Chancen Paendas für einen Finaleinzug gehen die Meinungen auseinander: Nicht nur von der Inszenierung auf der Bühne werde viel abhängen. Die Frage sei auch, ob nach der Dominanz von flotten Uptempo-Songs im Vorjahr heuer vielleicht die leisen Töne wieder gefragt sein könnten.
Antreten seit Ende Jänner bekannt
Dass die aus der Steiermark stammende 31-Jährige Österreich beim Song Contest vertreten wird, wurde Ende Jänner bekanntgegeben. Im Jänner 2018 hatte Paenda mit „Evolution I“ ihr vielschichtiges Debütalbum vorgelegt. Elektropop trifft darin auf Hip-Hop-Elemente, virtuoser Gesang auf tanzbare Beats. Die ersten Singles „Waves“ und „Good Girl“ zogen bereits einige Aufmerksamkeit auf sich. Auf der großen Bühne konnte Paenda vergangenen Sommer überzeugen, als sie im Vorprogramm des britischen Popstars Jessi J vor 3.000 Zuseherinnen und Zusehern in der fast ausverkauften Wiener Arena auftrat.
Ihren ersten großen Auftritt in Tel Aviv hat sie am 16. Mai im zweiten Semifinale zum Song Contest. Fest steht, dass sie dabei in der ersten Hälfte des Starterfelds ihren Song präsentieren kann. Schafft sie es da unter die ersten zehn, ist Österreich am 18. Mai zum sechsten Mal in Folge im Finale vertreten.
Politstreit verhindert Teilnahme der Ukraine
Beim Song Contest sind in diesem Jahr Vertreterinnen und Vertreter aus 41 Nationen dabei – zwei weniger als im Vorjahr. Dauergast Australien nimmt teil, dafür setzt Bulgarien heuer – trotz einiger Erfolge in den vergangenen Jahren – aus finanziellen Gründen aus. Nach großen Streitereien im Vorfeld der Präsidentschaftswahl zog sich die Ukraine zurück: Nach ihrem Sieg im Vorentscheid wurde Sängerin Maruv auch von höchsten Politkreisen scharf kritisiert, weil sie auch Auftritte in Russland absolviert. Maruv sagte daraufhin die Teilnahme ab, nachdem auch die Zweit- und Drittplatzierten nicht einspringen wollten, geht der Song Contest heuer ohne die Ukraine über die Bühne.
Italienische Regierung kritisiert Teilnehmer
Auch in anderen Ländern sorgten die ausgewählten Kandidaten für politischen Streit. In Italien gewann der Rapper Mahmood das Sanremo-Festival und löste damit das Ticket für die Teilnahme in Tel Aviv. Mahmood thematisiert in dem Song „Soldi“ das Verhältnis zu seinem ägyptischen Vater und singt eine Textzeile auf Arabisch. Lega-Chef und Innenminister Matteo Salvini kritisierte in einem Tweet die Wahl von „Soldi“. Fünf-Sterne-Chef und Vizepremier Luigi Di Maio schrieb auf Facebook, die Wahl Mahmoods gehe auf die Kappe einer Minderheit, der aus Journalisten und linken Eliten bestehenden Jury. Diese hätten sich über Mehrheit der Zuschauer hinweggesetzt.
„Lawine des Hasses“ in Frankreich
In Frankreich hatte sich im Jänner in der Vorausscheidung der 19-jährige Bilal Hassani mit dem mit dem Lied „Roi“ durchgesetzt. Kurz darauf setzte eine „Lawine des Hasses“ in den Sozialen Netzwerken ein, wie es Hassanis Anwalt ausdrückte. „Es stört viele, dass meine Eltern in Marokko geboren wurden und dass ich schwul bin – das kann man nicht leugnen“, sagte der 19-Jährige der französischen Zeitung „Le Parisien“. „Ich bin stolz darauf, Frankreich zu vertreten. All das trifft mich, es tut mir weh, es betrübt mich, aber ich bin noch entschlossener, auf all diesen Hass zu reagieren.“ Hassani geht auch juristisch gegen Drohungen und Beleidigungen vor.
Isländischer Beitrag sticht heraus
Mittlerweile stehen fast alle Kandidatinnen und Kandidaten fest, traditionell zu den letzten Entscheidungen zählt Schweden, das am Samstag beim Finale des Melodifestivalen seinen Vertreter kürt. In den einschlägigen Blogs zeigt man sich derzeit über Qualität und musikalische Vielfalt des heurigen Song-Contest-Jahrgangs noch nicht überwältigt: Aus zahlreiche Balladen und unauffälligen Midtemp-Songs würden nicht viele Beiträge hervorstechen.
Ganz eindeutig dazu zählt die isländische Band Hatari, die mit dem Lied „Hatrid mun sigra“ (Dt.: „Der Hass wird siegen“) antritt. Neben dem als Protestlied gemeinten markigen Titel punktet der Elektrostampfer mit einer Gesangslinie, die irgendwo zwischen Rammstein und Bronski Beat oszilliert.
Turbulenzen beim Ticketverkauf
Nicht unter dem besten Stern laufen inzwischen die Vorbereitungen in Tel Aviv. Gab es zunächst bereits Unmut über die hohen Ticketpreise für die Shows, wurde der Verkauf der Eintrittskarten am Wochenende wegen Unregelmäßigkeiten gestoppt. Kontrollore hätten „Versuche von mehreren Parteien entdeckt, in den Verkaufsprozess einzugreifen“, teilte der für die Übertragung zuständige Fernsehsender Kan mit. Hunderte für reguläre Zuschauer bestimmte Tickets seien zudem an Medienmanager und Funktionäre verkauft worden.