ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz
ORF/Hans Leitner
Ukraine-Korrespondent

Kritik an Einreiseverbot für Wehrschütz

Die Ukraine hat am Donnerstag gegen den ORF-Korrespondenten Christian Wehrschütz ein Einreiseverbot verhängt. Das sei der österreichischen Botschaft in Kiew vom ukrainischen Außenministerium bestätigt worden, hieß es aus dem Außenministerium. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl sowie der ORF verurteilten die Maßnahme.

Kneissl lässt nun den ukrainischen Botschafter Olexander Scherba für kommende Woche vorladen, wie am Freitagnachmittag bekanntwurde. Da sie sich selbst in Moskau und Brüssel aufhält, soll der Generalsekretär für auswärtige Angelegenheiten, Johannes Peterlik, Scherba einladen und auch mit ihm sprechen.

Kneissl wolle das Thema außerdem beim Treffen der EU-Außenminister am Montag, 18. März, in Brüssel auf die Agenda setzen. Kneissl hatte das ukrainische Einreiseverbot gegen Wehrschütz als einen „in Europa inakzeptablen Akt der Zensur“ verurteilt. Es handle sich um eine lange Reihe von Schikanen gegen den Journalisten, sagte Kneissl.

„Vorgehen mit europäischen Grundwerten unvereinbar“

Aus dem Bundeskanzleramt hieß es davor, man teile die Meinung Kneissls „in dieser Causa“. Kurz werde „eng abgestimmt mit dem Außenministerium“ vorgehen, hieß es aus dem Bundeskanzleramt. „Wir verurteilen dieses mit europäischen Grundwerten völlig unvereinbare Vorgehen und fordern die sofortige Aufhebung des Verbots“, hieß es aus dem Außenministerium.

Die ukrainischen Behörden werfen dem Journalisten eine „bewusste Verletzung der ukrainischen Staatsgrenze“, „Beteiligung an Rechtfertigungsversuchen der (russischen, Anm.) Annexion der Krim“ sowie „antiukrainische Propaganda“ vor.

Ukrainischer Botschafter nannte Gründe

Der ukrainische Botschafter Scherba hatte Mitte Februar die Verweigerung einer Frontgebietsakkreditierung für den Korrespondenten mit ORF-Dreharbeiten auf der umstrittenen Krim-Brücke im vergangenen Sommer begründet. Eigenen Angaben zufolge hatte Wehrschütz die Brücke zwischen der annektierten Halbinsel und dem russischen Festland damals jedoch nicht befahren.

Wehrschütz: „Mit allen rechtlichen Mitteln bekämpfen“

Im Ö1-Journal sagte Wehrschütz am Freitag, er wolle den Bescheid, der ihm noch nicht vorliege, prüfen und dann das Einreiseverbot „mit allen rechtlichen Mitteln bekämpfen“. Er verwies darauf, dass er über einen legalen Aufenthaltstitel bis Ende Juni dieses Jahres verfüge. Die Vorwürfe gegen ihn bezeichnete der Journalist als so „abstrus, dass man darauf inhaltlich und geistig nicht eingehen muss“ – Audio dazu in oe1.ORF.at.

„Ich nehme an, dass die jetzige Führung der Ukraine eine Rechtfertigung sucht, um mich draußen zu halten, weil man mit kritischer Medienberichterstattung über Medienfreiheit, über Skandale beim Rüstungseinkauf während des Krieges nicht zufrieden ist.“ Er sprach von „Nervosität“ in der Ukraine vor der Präsidentschaftswahl. Wehrschütz kündigte an, über die Wahl am 31. März trotz allem von Österreich aus zu berichten.

Wehrschütz: „Dinge verbreitet, die völlig absurd sind“

„Der ukrainische Botschafter hat den Vorteil, unter diplomatischer Immunität Dinge verbreiten zu können, die völlig absurd sind“, sagt ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz zum Einreiseverbot in die Ukraine.

Parlamentarierin: Sicherheit als Grund für Einreiseverbot

Die Sorge, dass russische Geheimdienste ein Attentat auf Wehrschütz planen könnten, sei der Hauptgrund für das Einreiseverbot. Das sagte die gut vernetzte Parlamentarierin Olga Tscherwakowa. „Mit dem Einreiseverbot soll seine persönliche Sicherheit gewährleistet werden“, so Tscherwakowa vom Block Petro Poroschenko (BPP), die am Donnerstag diese Maßnahme des ukrainischen Geheimdiensts SBU gegen Wehrschütz publik gemacht hatte.

Der Journalist habe sich Ende Dezember mit seiner Erklärung, dass er in der Ukraine um sein Leben fürchte, selbst in ernsthafte Gefahr gebracht, bedauerte sie. „Russische Geheimdienste könnten diese Situation nützen und ihm Schaden zufügen, um anschließend die ukrainische Regierung zu beschuldigen. Wir leben unter den Bedingungen eines hybriden Kriegs, und die Methoden russischer Dienste sind auch hybrid“, sagte sie.

Wrabetz sieht „absurde Vorwürfe“

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz nahm unmittelbar nach Bekanntwerden am Donnerstagabend zum Einreiseverbot für Wehrschütz Stellung. „Das vonseiten der Ukraine mit absurden Vorwürfen begründete Einreiseverbot für Christian Wehrschütz, einen der renommiertesten Experten für Osteuropa, ist ein inakzeptabler Eingriff in die journalistische Berufsausübung, gegen den wir auf das Schärfste protestieren“, sagte Wrabetz.

„Diese beispiellose Einschränkung der Medienfreiheit und Missachtung des öffentlich-rechtlichen Informationsauftrags im Dienst der österreichischen Bevölkerung ist nicht tolerierbar und wird auch vom österreichischen Außenministerium als Akt der Zensur verurteilt. Wir fordern daher die Ukraine auf, das Einreiseverbot mit sofortiger Wirkung wieder aufzuheben“, so der ORF-Generaldirektor.

ORF-Redakteursrat protestiert

Auch der ORF-Redakteursrat „protestiert schärfstens“ gegen das Einreiseverbot. „Die Verhinderung der freien Berichterstattung ist undemokratisch und ein Mittel der Zensur“, hieß es in einer Aussendung. Die Verweigerung einer Akkreditierung und die Verhängung eines Einreiseverbots seien „eine unzulässige Einschränkung der journalistischen Arbeit und der Medienfreiheit“.

Und weiter: „Unter längst entkräfteten Vorwänden einem Journalisten die Arbeit unmöglich zu machen ist eines Rechtsstaates unwürdig.“ Man verlange eine „sofortige Aufhebung des Einreiseverbots (…), das aus unserer Sicht nur als Versuch von Zensur und Einschränkung der freien Berichterstattung gewertet werden kann“, hieß es in der Aussendung.

FPÖ verurteilt „Zensur“

Auch der FPÖ-Abgeordnete Hans-Jörg Jenewein, der ebenfalls mit einem ukrainischen Einreiseverbot belegt ist, kritisierte die Maßnahme gegen Wehrschütz als „beispiellosen Akt der Zensur“. „Die FPÖ verurteilt dieses mit europäischen Grundwerten völlig unvereinbare Vorgehen und fordert die sofortige Aufhebung des Verbots“, teilte Jenewein in einer Aussendung mit. „Die Repression der Ukraine gegen den Journalisten ist jedenfalls absolut inakzeptabel.“ Jenewein hatte 2017 am „Internationalen Jalta-Wirtschaftsforum“ auf der von Russland annektierten Krim teilgenommen und ukrainische Gesetze durch ihre Anreise aus Russland gebrochen.

ÖJC fordert Aufhebung des Einreiseverbotes

Auch vom Österreichischen Journalisten Club (ÖJC) kam Kritik am Einreiseverbot für Wehrschütz. Die Ukraine solle „sofort die unabhängige journalistische Arbeit des ORF-Korrespondenten Christian Wehrschütz sicherstellen“, so ÖJC-Präsident Fred Turnheim. Die Ukraine beweise „mit solchen antidemokratischen Maßnahmen, dass das Land noch lange nicht reif für eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union ist“, so Turnheim.

Der ÖJC-Präsident begrüßte die eindeutige Haltung der österreichischen Bundesregierung und stellt abschließend in einem abgewandelten Zitat der deutschen Bundeskanzlerin fest: „Einreiseverbote für Journalisten, das geht gar nicht.“