Van der Bellen und seine Ehefrau Doris Schmidauer hatten anlässlich des Frauentags Vertreterinnen aus Politik, Wissenschaft, Kultur und Privatwirtschaft zur Vorführung einer Dokumentation über Frauenhäuser in die Hofburg gebeten.
Alle Frauen hier bildeten ab, was die Gesellschaft an weiblichem Potenzial zu bieten hat – „und was Österreich auf allen Ebenen versäumt, wenn Frauen nicht oder nicht ausreichend vertreten sind“, sagte Schmidauer in ihrer Ansprache, der unter anderen die Nationalratspräsidentinnen Doris Bures (SPÖ) und Anneliese Kitzmüller (FPÖ) und Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker lauschten. „Das Erreichte soll uns Ansporn und Motivation sein“, denn es gebe noch immer viel zu tun, damit Gleichstellung auf allen Ebenen durchgesetzt sei, meinte Schmidauer.
„The future is female“
Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen eine Rede der Journalistin Sibylle Hamann und die Vorführung von „Home Sweet Home“, einer Dokumentation der ORF-Journalistin Susanne Riegler über von Gewalt betroffene Frauen, die im Frauenhaus ein neues Leben begonnen haben – gewidmet „jenen Heldinnen, die Gewalt erfahren und es geschafft haben, diesem Teufelskreis zu entkommen“, sagte Schmidauer.
„Und ganz generell: The future is female“, wählte Schmidauer ihre Schlussworte. Er habe aufmerksam zugehört, versicherte sodann der Bundespräsident. „Ich kann guten Gewissens sagen, dass ich alles unterschreiben kann, und insofern betrachte ich mich als männlichen Feministen“, so Van der Bellen. Gleichstellung auf allen Ebenen sollte eigentlich „eine Selbstverständlichkeit“ sein.
Weltweit Kundgebungen zum Frauentag
Anlässlich des Internationalen Frauentags haben weltweit Protestaktionen von Frauen stattgefunden. In Österreich stehen Forderungen nach mehr Gleichstellung im Vordergrund.
Es gebe aber noch „ein bissl was zu tun“, sagte Van der Bellen – auch in Hinblick auf die Politik. Neben 100 Jahren Frauenwahlrecht erinnerte Van der Bellen nämlich auch an „100 Jahre männliche Bundespräsidenten“, und „bevor Sie über mich herfallen, füge ich hinzu: auch 100 Jahre männliche Bundeskanzler“ und „100 Jahre männliche Verteidigungsminister“. „Dieser 8. März ist Ihr Feiertag, ist Ihr Kampftag, aber es ist nicht Ihr Kampf allein“, versprach Van der Bellen.
Vielen Frauen droht in Pension Armut
Großen Handlungsbedarf gibt es etwa bei den Pensionen. Wie eine aktuelle Auswertung des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger zeigt, bekommt rund die Hälfte der Österreicherinnen eine Alterspension, die unter der Armutsgefährdungsgrenze liegt. Tausende weitere Frauen haben die erforderlichen 15 Mindestversicherungsjahre nicht zusammen und erhielten deswegen gar keine Pensionen – Audio dazu in oe1.ORF.at.
Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) bekräftigte angesichts der Zahlen ihre Forderung nach einem automatischen Pensionssplitting – Audio dazu in oe1.ORF.at. Lob dafür kam von NEOS: Man werde dieses „wichtige Thema ehestmöglich im Parlament diskutieren“. Ein entsprechender Antrag liege bereits vor, so NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker.
OECD-Bericht sieht geringe Fortschritte
Trotz zahlreicher Reformen in vielen Ländern kommt die Gleichstellung der Geschlechter einem neuen OECD-Bericht zufolge international nur langsam voran. Laut dem am Freitag vorgestellten Bericht reduziert das derzeitige Maß an Diskriminierung das Welteinkommen um sechs Billionen Dollar (5,3 Billionen Euro). Den OECD-Fachleuten zufolge verbietet immer noch knapp die Hälfte der untersuchten 180 Länder Frauen, bestimmte Berufe auszuüben. In 24 Ländern brauchten Frauen die Erlaubnis des Ehemannes, um zu arbeiten. In einer Mehrheit (108) der Länder gebe es Bedingungen für eine legale Abtreibung wie etwa, dass das Leben der Mutter in Gefahr sei.
Der Bericht kommt außerdem zu dem Ergebnis, das Frauen in allen Regionen der Welt in ihrer eigenen Familie die größte Diskriminierung erfahren. Frauen übernehmen 75 Prozent der unbezahlten Hausarbeit und Betreuung. In 27 Ländern seien Frauen gesetzlich verpflichtet, ihrem Ehemann zu gehorchen. Auch in Europa und in Nord- und Südamerika würden Frauen vor allem über die traditionelle Rolle als Mutter und Hausfrau definiert.
Der Sozialinstitutionen- und Gender-Index (SIGI) analysiert, wie Gesetze, soziale Normen und Praktiken auf der Grundlage des Geschlechts diskriminieren. Österreich gehört laut dem Bericht zu den Ländern mit den besten SIGI-Ergebnissen. Es findet sich an siebenter Stelle, die Schweiz, Dänemark und Schweden liegen auf den ersten drei Plätzen. Bei der Diskriminierung in der Familie liegt Österreich im Mittelfeld, bei anderen Kategorien wie Beteiligung am Erwerbsleben und persönlichen Freiheiten erfahren Österreicherinnen im Vergleich weniger Diskriminierung.
Regner: Frauentag soll Feiertag werden
Die SPÖ-Frauen nahmen den Frauentag zum Anlass, ihren EU-Wahlkampf unter dem Motto „Zusammenhalt für Europa“ zu starten. Neben mehr Lohngerechtigkeit forderte die Listenzweite Evelyn Regner auch, den Frauentag zum Feiertag zu erklären und den Frauenanteil in den EU-Institutionen auf 50 Prozent zu erhöhen.
Es habe schon Frauentage gegeben, an denen es mehr Grund zur Freude gab, so SPÖ-Frauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek. Mit Bogner-Strauß habe man es mit „der untätigsten Frauenministerin zu tun, die ich je erlebt habe“, schoss sich Heinisch-Hosek auf ÖVP und FPÖ ein. Bogner-Strauß gebe Versprechen ab, die sie nicht halte, sie tue nichts gegen die enorme Teilzeitarbeit, für den Gewaltschutz oder gegen Gehaltsunterschiede, sagte Heinisch-Hosek. Forderungen nach Chancengleichheit wurden auch von den ÖGB-Frauen erhoben – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.
Jetzt pochte indes auf die Umsetzung einer Unterhaltsgarantie. Anlässlich des Frauentags erinnerte Frauensprecherin Maria Stern bei einer Pressekonferenz am Freitag die Bundesregierung an die im Wahlkampf von allen Parteien zugesagte Sicherung des Unterhalts für Kinder von Alleinerzieherinnen. „Der Bruch dieses Wahlversprechens ist mit nichts zu entschuldigen“, sagte Stern.
Kneissl: Kampf gegen Gewalt an Frauen hat Priorität
FPÖ-Außen- und -Integrationsministerin Karin Kneissl nannte indes den Kampf gegen Gewalt an Frauen als oberste Priorität. „Durch die Zuwanderung aus patriarchalisch geprägten Gesellschaften und die Flüchtlingsbewegungen der vergangenen Jahre hat sich auch in Österreich ein Weltbild ausgebreitet, in dem Frauen nicht als gleichberechtigt akzeptiert und der Gewalt der Boden bereitet wird“, so Kneissl. Sie verwies unter anderem auf Förderungen des Ministeriums für Projekte gegen weibliche Genitalverstümmelung.
Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind, sollen bei der Vergabe von Genossenschaftswohnungen bevorzugt werden, forderte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP). Die Ministerin will das im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) festschreiben. Als Nachweis für den Bedarf soll eine aufrechte Wegweisung gegen den Partner dienen.
SPÖ-Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner forderte in einer Aussendung die rasche Umsetzung eines Lohntransparenzgesetzes, die gesetzliche Anrechnung der Karenzzeiten bei Lohnvorrückungen, einen Rechtsanspruch auf einen Papamonat sowie die Aufstockung der Geldmittel für Fraueneinrichtungen und Gewaltschutz.
Frauenanteil in Politik erhöhen
100 Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts in Österreich wurden zudem Forderungen und Appelle zu einer Erhöhung des Frauenanteils in der Politik laut. Die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle sprach sich für gezielte Maßnahmen aus, um dieses Ziel zu erreichen – mehr dazu in kaernten.ORF.at. In der Steiermark rief Frauenlandesrätin Ursula Lackner (SPÖ) Frauen indes auf, sich stärker in der Kommunalpolitik zu engagieren – mehr dazu in steiermark.ORF.at.
Sandra Konstatzky in der ZIB2 zur Gleichstellung von Frauen
Die schwierige Umsetzung der Gleichberechtigung von Frauen liege an den weiter bestehenden traditionellen Geschlechterrollen, sagt Sandra Konstatzky, Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW).
Im EU-Vergleich weist Österreich den fünfthöchsten Frauenanteil in nationalen Parlamenten unter allen 28 EU-Staaten auf. Laut Eurostat-Daten kam Österreich auf 36,5 Prozent weiblicher Abgeordneter. Schweden ist Spitzenreiter mit 46,7 Prozent, Ungarn liegt mit 12,6 Prozent auf dem letzten Platz. Das EU-Parlament kommt auf eine Frauenquote von 29,9 Prozent.