Sneaker
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Comeback der Eleganz

Der Abschied von Edel mit Sneakers

Vielleicht ist es ja ein letzter verzweifelter Aufstand der klassischen europäischen Modemacher gegen die reichen Kundenwünsche aller Herren Länder. Doch Paris versuchte zuletzt das Comeback der Eleganz auszurufen. Und das Ende der Ära Turnschuh im klassischen Modestyling einzuläuten. Wer zuletzt modebewusst auf die Riesenlatsche von Balenciaga gesetzt hat, kann die spätestens ab dem Herbst einmotten.

„Der Schlüpfer ist der neue Sneaker.“ Die Ansage von Hedi Slimane, der von Saint-Laurent zu Celine weitergereicht wurde, eigentlich fast schon abgeschrieben war und sich nun mit seiner zweiten großen Kollektion für Celine atemberaubend selbst gerettet hat, stand relativ am Beginn des heurigen Modejahres. Und siehe da.

Lässt man mit einigen wenigen Ausnahmen (Sacai und die Kombi mit Nike-Joggers) den heurigen Pariser Pret-a-porter-Reigen Revue passieren, dann fällt eines auf. Die Mode will ab dem Herbst/Winter wieder zurück auf klassisch drehen. Die ganz klaren Schnitte sind retour, die erkennbare Eleganz. Und das Gros der Modemacher hat den Turnschuh nun wirklich aus der Kombi mit den tragbaren Edelstücken verabschiedet.

Herbst/Winter-Kollektion von Alexander McQueen
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Fast alle wollen es ab dem Modeherbst 2019/20 wieder klassisch haben. Nicht nur Alexander McQueen (Bild)

Es darf dezenter sein – zumindest am Fuß

Sogar Balenciaga, das mit seinem riesenhaften Triple S einen neuen Streetware-Style definiert hat (groß, größer, am protzigsten) entschuldigt sich fast für die Dimensionen-Auswüchse und zeigte keinen Hauch vom Turnschuhgewächs, das noch in den Shows des Vorjahres gewuchert ist. Demna Gbasalia von Balenciaga lässt einstreuen, dass man diesen Schuh ohnedies nur als Prototypen entwickelt habe, um Proportionen abzutesten. Doch gerade die gut betuchte, nicht selten sozial neu aufstrebende Kundschaft hat gerade auf den Herzeige-Protzschuh gesetzt. Nun soll alles anders sein: Auch die Markenlabels rutschen dezenter in den Hintergrund. Wer Mode trägt, der setzt auf Distinktion – die man erkennt, auch ohne das Valentino-V oder Ähnliches am Revers –, scheint das aktuelle Credo der Modeindustrie zu lauten.

Sneaker „Triple S“ von Balenciaga
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Balenciagas Triple S: Die hypertrophe Schaumsohle soll der Vergangenheit angehören

Wer das als klassischen Backswing von sportlich auf zur Abwechslung mal no-na-elegant betrachtet, irrt zwar nicht, doch ein Blick auf die ökonomische Situation verrät noch etwas anderes. Die Absätze der Branche stagnieren bzw. sind auch in den neuen Hoffnungsmärkten Fernost, vor allem China, wieder rückläufig. Die Konkurrenz ist groß wie nie. Und Modemessen konkurrieren im Zeitalter Sozialer Netzwerke um die Vorherrschaft über den Geschmack mit Bloggern, Influencern und Plattformen, wo man mit schrillen Tönen weniger punkten könne.

Zu viele Modetrends verlangen nach Abrüstung

So versuchte etwa Tanja Rest, Modechefin bei der „Süddeutschen Zeitung“, jüngst eine Begründung dafür, warum der Return to Classic auf den Pariser Laufstegen auch einer ökonomischen Logik folge.

„Die Modemenschen waren von der Mode schon erschöpft“, so Rest, die damit auf den Verlust der Differenzierung anspielt beim Überschuss an Orientierungsangeboten im digitalen Zeitalter: „An den Pariser Laufstegen sitzen Menschen, die die Mode nicht nur lieben, sondern atmen, und sie kriegen kaum noch Luft. Jeden Monat eine neue Fashion Week irgendwo auf der Welt, jede Woche eine neue Capsule Collection, jeden Tag ein anderer Hype.“

Ob die Klassiker unter den Modeschauen gegen diesen Trend überhaupt noch gegensteuern können, wird man spätestens im kommenden Herbst sehen. Kommt die Klassik retour, verschwindet der Sneaker unter dem Kleid und der erhöhten Anzughose? Oder bleibt es beim anything goes?