Demonstraten in Algiers
Reuters/Zohra Bensemra
Doch keine Kandidatur

Algeriens Bouteflika beugt sich Protesten

Nach wochenlangen Protesten in Algerien tritt der algerische Präsident Abdelaziz Bouteflika nun doch nicht für eine fünfte Wahlperiode an. Damit wird auch die für April anberaumte Wahl verschoben, teilte am Montag das Präsidialamt mit. Auch der Premierminister kündigte seinen Rücktritt an.

„Algerien durchquert eine sensible Etappe seiner Geschichte“, hieß es in einer am Montagabend veröffentlichten Ansprache des 82-Jährigen Bouteflika. „Es wird kein fünftes Mandat geben“, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur APS die Erklärung des amtierenden Präsidenten. Wenig später erklärte Algeriens Premierminister Ahmed Ouyahia seinen Rücktritt. Sein Amt übernehme der bisherige Innenminister Noureddine Bedoui, so APS. Mit einem präsidentiellen Erlass schuf Bouteflika zudem die Funktion eines stellvertretenden Regierungschefs. Für dieses Amt ernannte der Präsident den früheren Außenminister Ramtane Lamamra.

Bouteflika äußerte Verständnis für die Proteste: „Ich habe die Entwicklungen verfolgt (…) und ich verstehe die Motivationen der zahlreichen Mitbürger, die diese Art des Ausdrucks nutzen.“ Eine neue Republik mit einem neuen System müsse entstehen. „Diese neue Republik und dieses neue System werden in den Händen neuer Generationen von Algerierinnen und Algeriern sein“, sagte der 82-jährige Bouteflika.

Der algerische Präsident Abdelaziz Bouteflika
APA/AFP/Ryad Kramdi
Bouteflika ist seit 1999 im Amt. Seit 2013 sitzt er im Rollstuhl.

Bereits am Wochenende hatte das algerische Militär Sympathie für die seit Wochen gegen Bouteflika demonstrierenden Massen erkennen lassen. Das Militär und das Volk hätten die gleiche Sicht auf die Zukunft, zitierte der staatliche Fernsehsender Ennahar den Generalstabschef Gaed Salah.

Hupkonzerte nach Ankündigung

In der Hauptstadt Algier gingen unmittelbar nach Bekanntgabe des Verzichts auf eine weitere Amtszeit zahlreiche Menschen auf die Straße. Autofahrer veranstalteten Hupkonzerte in der Hauptstadt des größten afrikanischen Landes. Oppositionspolitiker und Aktivisten warnten jedoch vor übertriebener Freude.

Der Menschenrechtsaktivist und frühere Abgeordnete Mustapha Bouchachi sprach in einem Video nur von einem „halben Sieg“. Er forderte echte demokratische Wahlen und Reformen. Oppositionspolitiker Sofiane Djilali rief auf Twitter zu neuen Massenprotesten auf: „Die Verschwörung hat begonnen!“, schrieb er. Die erste Runde sei zwar gewonnen, aber man dürfe nicht aufhören, auf die Straße zu gehen. Es stehe außer Frage, dass der Präsident seine Amtszeit noch bis Ende des Jahres verlängere. „Kein Vertrauen!“

Auch der frühere Minister und algerische Diplomat Abdelaziz Rahabi zeigte sich entrüstet: „Präsident Bouteflika verspottet die Menschen“, schrieb er auf Twitter und kritisierte, dass Bouteflika durch die Wahlverschiebung gleichzeitig sein Mandat verlängere. Das Verhalten bedrohe die Stabilität des Staates.

Demonstrierende forderten „Sturz des Regimes“

Die Proteste in Algerien hatten sich zuletzt rasant ausgeweitet. Allein Ende letzter Woche beteiligten sich Zehntausende an den größten Demonstrationen in Algier seit fast drei Jahrzehnten. 195 Menschen wurden laut Staatsfernsehen festgenommen.

Im Zentrum Algiers waren Straßen und Plätze bis zum Bersten gefüllt. In Sprechchören forderten die Menschen den „Sturz des Regimes“. Viele von ihnen schwenkten die grün-weiße Nationalfahne oder hüllten sich in sie ein. Getragen werden die Proteste vor allem von Studenten. Auch die Opposition unterstützt die Demonstrationen und fordert einen Rückzug Bouteflikas.

Rückkehr nach Klinikaufenthalt

Kritiker sehen Bouteflika nicht mehr in der Lage, das Amt auszuüben. Der Präsident sitzt seit einem Schlaganfall im Rollstuhl und hat Probleme zu sprechen. In der Öffentlichkeit zeigt er sich nur noch selten. Knapp zwei Wochen hielt er sich zu einer medizinischen Untersuchung im Genfer Universitätskrankenhaus (HUG) auf, erst am Sonntag kehrte er nach Algerien zurück.

Die Demonstranten forderten im Vorfeld, ihm die Rückkehr nach Algerien zu verbieten. In dem Genfer Krankenhaus wurde unterdessen am Freitag ein Mann festgenommen. Es handle sich um eine Person, die „politische Forderungen“ gehabt habe, sagte eine Polizeisprecherin. Nach Medienberichten ist der Mann ein Frankoalgerier, der bei der Präsidentenwahl antreten wollte, aber disqualifiziert wurde. Vorausgegangen sei eine nicht genehmigte Demonstration von etwa 30 Personen vor dem Krankenhaus, so die Sprecherin.

Armee spielt zentrale Rolle

Bouteflika gilt nur als Fassade eines eng verknüpften Geflechts aus Politikern, Militärs und Geschäftsleuten, die das Land regieren und sich an die Macht klammern. Als einer der wichtigsten Fädenzieher gilt Bouteflikas jüngerer Bruder Said.

Vor allem aber die Armee spielt eine zentrale Rolle. 1999 hielt sie Bouteflika für den richtigen Mann, um dem Land nach Jahren eines blutigen Bürgerkriegs mit radikalen Islamisten wieder Stabilität zu bringen. Dass dies gelang, halten Bouteflikas Anhänger für sein Verdienst. Auch die arabischen Aufstände 2011, die in Nachbarländern Langzeitherrscher hinwegfegten, überstand der Präsident unbeschadet.

Schwierige Wirtschaftslage

Hinter den Massenprotesten verbirgt sich auch der Unmut über die schwierige Wirtschaftslage in Algerien. Das Land ist vom Ölexport abhängig und leidet unter dem Preisverfall der vergangenen Jahre. Unter den Jüngeren liegt die Arbeitslosenquote mittlerweile bei über 25 Prozent.