Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache
APA/Georg Hochmuth
Neue Mindestsicherung

Regierung nickt Modell mit Änderungen ab

Die ÖVP-FPÖ-Regierung hat am Mittwoch im Ministerrat ihr Modell der Sozialhilfe, das die bisherige Mindestsicherung ersetzen soll, abgenickt. Trotz Kritik in der Begutachtung gab es nur kleine Änderungen im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf. Wichtigste Neuerung ist, dass der Bonus für Behinderte von einer Kann- zu einer Muss-Bestimmung wird.

Nach dem Ministerrat zeigte sich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erfreut, dass die Mindestsicherungsreform „abgeschlossen“ worden sei. Neben der Armutsbekämpfung seien nun der Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt und die Verhinderung der Zuwanderung in „unser Sozialsystem“ die Ziele, so Kurz. Für Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) ist „endlich ein Grundsatzgesetz geschaffen“ worden, das die unterschiedlichen Landesgesetze harmonisiere. Mit Blick auf die Kürzung für Zuwanderer und Zuwanderinnen mit mangelnden Deutschkenntnissen sprach Strache von „Fairness“.

Die zuständige Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) dankte dem Koalitionspartner und sprach von einer „effizienten Lösung“, die keine Abhängigkeit, sondern Anreize schaffe. Die Kritik habe man ernst genommen und Aspekte aus der Begutachtung berücksichtigt. An die Länder, die mit Ausführungsgesetzen die neue Sozialhilfe umsetzen sollen, appellierte Hartinger-Klein: „Es geht nur miteinander, nicht gegeneinander.“ ÖVP-Klubobmann August Wöginger bezeichnete die Neuregelung als „Sprungbrett“ in die Arbeitswelt.

Neuregelung bringt Einschnitte

Die monatliche Sozialhilfe wird wie ursprünglich angekündigt in der Höhe des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes gewährt, das sind 863 für das letzte Jahr bzw. 885,47 Euro für 2019. Für Paare sind es zweimal 70 Prozent des Richtsatzes, das sind 1.208 Euro für 2018 bzw. 1.239,66 für 2019. Für Familien mit mehreren Kindern bringt die Neuregelung Einschnitte durch eine Staffelung pro Kind.

Für das erste Kind ist eine Sozialhilfesatz von 25 Prozent des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes vorgesehen (216 Euro für 2018), für das zweite Kind 15 Prozent (130 Euro), und ab dem dritten Kind gibt es fünf Prozent (43 Euro). Für Menschen mit Behinderung ist ein Bonus von 18 Prozent (155 Euro) vorgesehen. Im Vergleich zu den bisherigen Plänen handelt es sich nun um eine Muss-Bestimmung für die Länder.

Kann-Bestimmung bei Alleinerziehenden

Für Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher bleibt es hingegen bei der Kann-Bestimmung. Ihnen können die Länder nach eigenem Ermessen Zuschläge von zwölf Prozent des Ausgleichszulagenrichtsatzes (derzeit 103,5 Euro) bei einem Kind ausschütten, bei zwei Kindern 21 Prozent (181 Euro), bei drei Kindern 27 Prozent (233 Euro) und für jedes weitere Kind plus drei Prozent.

VP-Klubchef August Wöginger, Bundeskanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Sozialministerin Beate Hartinger-Klein
APA/Georg Hochmuth
Die Eckpunkte der neuen Sozialhilfe wurden am Mittwoch nach dem Ministerrat präsentiert

Im Vergleich zu den ursprünglichen Plänen hat die Regierung noch einige „Präzisierungen“ vorgenommen. Leben mehrere Sozialhilfebezieher bzw. -bezieherinnen in einer Wohngemeinschaft, so ist eine Deckelung von 175 Prozent des Ausgleichszulagenrichtsatzes (derzeit 1.510,25 Euro) vorgesehen. Klargestellt wurde nun, dass nicht nur Kinder, sondern auch Menschen mit Behinderung von dieser Deckelung ausgenommen sind.

Außerdem sind nun auch dauerhaft erwerbsunfähige Bezieher und Bezieherinnen von der Bestimmung ausgenommen. Die Sozialhilfe wird maximal für zwölf Monate gewährt, danach muss ein neuer Antrag gestellt werden. Bestehende bessere Regeln der Länder für Sonderbedarf (Pflege, Behinderung) werden nicht berührt. Die Länder können – wie auch schon bisher bekannt – einen Wohnzuschuss von 30 Prozent gewähren, um die unterschiedlich hohen Mietkosten in den Bundesländern zu berücksichtigen.

Kürzungen wegen mangelnder Deutschkenntnisse bleiben

Straftäter und Straftäterinnen erhalten während des Aufenthalts in der Haftanstalt keine Mindestsicherung, haben unmittelbar nach ihrer Entlassung (auch nach einer bedingten, Anm.) aber Anspruch darauf. Keine Rede ist mehr davon, dass für die gleiche Dauer, die jemand in Haft verbracht hat, er auch danach keine Sozialhilfe bekommen sollte.

Die Kürzungen für Zuwanderinnen und Zuwanderer mit schlechten Deutschkenntnissen in Höhe von 300 Euro bleiben. Sie bekommen also lediglich 563 Euro. Die Differenz auf die volle Geldleistung erklärt die Regierung als Sachleistung zum „Arbeitsqualifizierungsbonus für Vermittelbarkeit“. Damit sollen Sprachkurse finanziert werden. Den vollen Betrag gibt es ab Deutschniveau B1 oder Englischniveau C1. Für Drittstaatsangehörige sowie EU- und EWR-Bürger ist eine fünfjährige Wartefrist vorgesehen, bevor sie die Sozialhilfe beziehen können.

Bestehen bleibt auch die Möglichkeit der Länder, auf das Vermögen der Betroffenen zuzugreifen. Allerdings gibt es Ausnahmen, so soll etwa ein Auto, das zur Fahrt in die Arbeit benötigt wird, vom Zugriff ausgenommen sein. Zudem wird ein „Schonvermögen“ von 600 Prozent des Ausgleichszulagenrichtsatzes (knapp 5.200 Euro) definiert, auf das kein Zugriff möglich ist. Zugleich wird die „Schonfrist“ für den Zugriff auf das Eigenheim bzw. die pfandrechtliche Eintragung im Grundbuch von sechs Monaten auf drei Jahre erhöht.

ÖVP und FPÖ wollen Parlamentsbeschluss Ende Mai

Nach einem geplanten öffentlichen Hearing im Parlament soll der Entwurf nach den Plänen der Regierung Ende Mai im Nationalrat beschlossen werden. Die Länder haben dann bis Ende des Jahres Zeit für ihre Ausführungsgesetze, mit 1. Jänner 2020 sollen dann das Grundsatzgesetz des Bundes und die neun Ausführungsgesetze der Länder in Kraft treten. Die genauen Ausführungsbestimmungen sowie konkrete Sanktionen bei Missbrauch oder Arbeitsunwilligkeit müssen die Länder selbst festlegen.

Mindestsicherung neu passierte Ministerrat

Die neue Sozialhilfe, die künftig die Mindestsicherung ersetzen soll, hat am Mittwoch den Ministerrat passiert. Die ÖVP-FPÖ-Regierung präsentierte ihr Vorhaben, das sie als Regierungsvorlage ins Parlament schickt.

Das von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) für 8. April geplante Gespräch mit den Sozialreferenten und -referentinnen der Länder soll trotz des Ministerratsbeschlusses stattfinden. Nichts ändert sich übrigens an den schon im Begutachtungsentwurf geschätzten Kosten für die Länder. Nach der im Entwurf enthaltenen „Folgekostenabschätzung“ sollen laut der Schätzung den Ländern Mehrkosten von 6,7 Millionen Euro im Jahr 2020, 11,8 Mio. im Jahr 2021 und 14,6 Mio. Euro im Jahr 2022 entstehen.